Wie haben Sie sich in Ihrer neuen Rolle als Obmann der Sparte Transport und Verkehr bisher eingelebt?
Ich konnte bereits jahrelang Erfahrung in der Interessensvertretung auf Bundes- und auf EU-Ebene sammeln. Jetzt freue ich mich, dass ich dies auch ganz gezielt in meiner Heimatstadt machen darf. Ich komme ursprünglich aus der Personenbeförderung und finde es unheimlich spannend, in die Welt der Güterbeförderung einzutauchen. Hier gibt es viele Themen, die gleichermaßen wichtig und faszinierend sind und bei denen ich große Unterstützung durch unsere Funktionäre in den verschiedenen Fachgruppen erfahre.
Welche Schwerpunkte möchten Sie in den ersten Monaten Ihrer Amtszeit setzen?
Transport und Logistik sind das Rückgrat unserer Wirtschaft und unserer Gesellschaft. Ohne sie würde unsere Welt, so wie wir sie kennen, zusammenbrechen. Entsprechend essenziell ist es, die Herausforderungen, vor denen unsere Unternehmen stehen, gegenüber der Politik klar zu kommunizieren und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Dies sind aber langfristige Prozesse. Aktuell befasse ich mich intensiv mit bestehenden Themen und strebe deren konsequente Weiterentwicklung an. Endlich scheint es mit dem Fernbus-Terminal in Wien weiterzugehen. Wir brauchen aber auch einen Güterterminal im Norden der Stadt. Darüber hinaus beschäftigen uns dringende Fragen wie der Fachkräftemangel und die Nachwuchsausbildung. Mit unserem Projekt „Logistik 2030+“ wollen wir die Transformation der Citylogistik aktiv mitgestalten. Bei all diesen und künftigen Anliegen ist es entscheidend, die Interessen der Unternehmen klar zu vertreten und sie bestmöglich zu unterstützen.
Wie schätzen Sie die aktuelle Situation der Citylogistik in Wien ein und welche Entwicklungen sehen Sie in den nächsten Jahren?
Die Citylogistik in Wien erlebt kontinuierlichen Fortschritt, was dem Zusammenspiel innovativer Unternehmen, der Wirtschaftskammer Wien und der Stadt zu verdanken ist. Ein Beispiel dafür ist das international beachtete Projekt „Zero Emission Transport“ (mehr dazu auf Seite 11, Anm. D. Red.), bei dem bereits über 40 Unternehmen freiwillig auf emissionsfreie Transporte im ersten und zweiten Bezirk umgestellt haben.
Ebenso zukunftsweisend ist die Entwicklung der Plattform Nextbox. Hier müssen sich Unternehmen nur einmal registrieren, um Zugriff auf die Paketboxen mehrerer Anbieter zu erhalten. Dasselbe gilt für die neu entwickelten Grätzl-Ladezonen – also Ladezonen, die nicht mehr von Unternehmen beantragt werden, sondern die gemäß unseres Ladezonenrechners von Stadtplanern errichtet und sowohl von Gewerbetreibenden als auch von Privatpersonen genutzt werden können.
Ziel der Citylogistik ist es, Warenströme und Verkehre effizienter zu gestalten. Dafür muss eine Vielzahl von verzahnten Themen ineinandergreifen. Wir brauchen z.B. Logistik-Hubs in der Stadt und auch den Lobau-Tunnel, um innerstädtischen Verkehr zu reduzieren und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Welche Rolle wird die E-Mobilität im Wiener Güter- und Personenverkehr künftig spielen?
Im Nah- und Regionalverkehr funktioniert E-Mobilität bereits gut, im Fernverkehr aber nicht. Hier gibt es noch eine Vielzahl von Hürden, die auch nicht so rasch überwunden werden können. In erster Linie ist die europaweite Infrastruktur mit Lkw-Schnellladern noch völlig unzureichend. Um Klimaziele zu erreichen, hilft hier der synthetische Kraftstoff HVO100, der auch freiwillig von immer mehr Lkw- und Busbetreibern eingesetzt wird.
Die technologische Entwicklung im Bereich E-Mobilität schreitet stetig voran, sodass ihr Einsatz im städtischen Raum weiter steigen wird. Dennoch müssen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen: E-Mobilität muss kosteneffizient sein und darf keine betrieblichen Nachteile verursachen.

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für Wien, um den Verkehr nachhaltig und effizient zu gestalten?
Der dringend notwendige Ausbau der Ladeinfrastruktur, insbesondere im Hinblick auf Schnelllader, bleibt eine der zentralen Herausforderungen. Seit dem 1. Jänner dürfen ausschließlich emissionsfreie Taxis neu zugelassen werden. Es wird noch dauern, bis der gesamte Taxi-Fuhrpark mit 8.000 Fahrzeugen komplett umgestellt ist. Aber das ist schon eine kritische Masse – zusätzlich zu anderen gewerblichen und privaten E-Fahrzeugen. Da stoßen öffentliche Ladesäulen mit 11 kW rasch an ihre Kapazitätsgrenzen.
Auch in Bezug auf die Straßeninfrastruktur gilt es, die Bedürfnisse des gewerblichen Verkehrs zu berücksichtigen. Wenn zum Beispiel durch Radwege Fahrstreifen verengt werden oder ganze Spuren wegfallen, dann kann es zu gefährlichen Situationen zwischen Fahrrädern und Lkw kommen. Und Lkw können wir aus der Stadt nicht wegzaubern – sie müssen Geschäfte und Baustellen beliefern.
Der öffentliche Raum muss vielfach neu gedacht werden, um den heutigen Bedürfnissen der Bewohner und der Wirtschaft zu entsprechen. Verkehr wird es immer geben, und er muss fließen. Und das möglichst effizient, also ohne Umwege und Staus. Dazu gehören auch optimierte Ampelschaltungen und eine bessere Baustellenkoordination. Auch beim ruhenden Verkehr gibt es hilfreiche Konzepte: Kleintransporteure zum Beispiel profitieren von Paketboxen und Grätzl-Ladezonen, indem sie sich Wege und Zeit sparen.
Wie wichtig ist die Zusammenarbeit mit der Stadtpolitik, um innovative Verkehrslösungen zu ermöglichen?
Die ist sehr wichtig und funktioniert auch sehr gut. Wir befinden uns zu einer Vielzahl von Themen in ständigem Austausch mit dem Rathaus und auch mit den Bezirken, um die Bedürfnisse der Wirtschaft zu vertreten. Wir zeigen auf, welche Rahmenbedingungen Unternehmen für erfolgreiches Wirtschaften brauchen. Viele Projekte lassen sich nur gemeinsam erfolgreich umsetzen. Wir führen zum Beispiel bereits jetzt Gespräche darüber, wie die verkehrsberuhigte Innenstadt für Bevölkerung und Gewerbetreibende funktionieren kann.
Welche Chancen ergeben sich durch Digitalisierung und smarte Technologien für die Transport- und Verkehrsbranche in Wien?
Digitalisierung und innovative Technologien schaffen vielfältige Möglichkeiten für Prozessoptimierungen und neue Geschäftsmodelle. Durch intelligente Vernetzung kann zum Beispiel das Fuhrparkmanagement optimiert, eine individuellere Kundenbeziehung aufgebaut oder rascher auf Schwierigkeiten in der Lieferkette reagiert werden. Dadurch werden unsere Unternehmen resilienter im internationalen Wettbewerb.
Was ist Ihnen persönlich wichtig, um die Interessen der Branche nach außen klar und wirksam zu vertreten?
Ich mag den engen und direkten Kontakt zu unseren Mitgliedsbetrieben, denn so können wir sie besser vertreten. Wir haben in Wien eine große Zahl an innovativen Unternehmen, deren Leistungen ich vor den Vorhang holen möchte. Denn gerade Logistik und Transport finden oft im Hintergrund statt, sind aber essenziell für die gesamte Wirtschaft. Menschen wollen die neuesten und frischesten Waren verlässlich in den Geschäften sehen. Aber die wenigsten machen sich Gedanken darüber, welche Prozesse dafür notwendig sind. Hier ist es wichtig, in der Öffentlichkeit zu zeigen, was Personen- und Güterbeförderer leisten – nicht nur für sich selbst, sondern für uns alle.