Die Bedeutung des Reifens für die E-Mobilität wird sich weiter verstärken. (Foto: Continental)
Mit dem Wechsel von Diesel- zu Elektroantrieben ändern sich die Anforderungen an das Material grundlegend. E-Lkw sind durch ihre schweren Batterien deutlich schwerer, was die Reifen stärker belastet. E-Lkw stellen mit dem sofort verfügbaren Drehmoment (Instant Torque) beim Anfahren sowie der Energierückgewinnung (Rekuperation) beim Bremsen neue Anforderungen an die Reifen, wie Hinnerk Kaiser, Leiter der Produktentwicklung EMEA beim Reifenhersteller Continental erklärt. Gleichzeitig müssen die Pneus leiser sein, da das Motorgeräusch entfällt und Abrollgeräusche stärker wahrgenommen werden. Diese neuen Belastungen erfordern angepasste Reifenkonstruktionen und Gummimischungen.
Reifenhersteller wie Continental reagieren auf diese veränderten Bedingungen. „Wir setzen bei der Reifenentwicklung auf neue Profilkonzepte und innovative Mischungstechnologien“, so Kaiser. Ein Beispiel ist der Conti EfficientPro HS 5/HD 5, der speziell für elektrisch betriebene Nutzfahrzeuge konzipiert wurde. Er nutzt die neue vec2Sil-Mischungstechnologie, um einen reduzierten Rollwiderstand mit hoher Laufleistung zu kombinieren – ein direkter Einfluss auf die Total Cost of Ownership.
Mautvorteile
Die Wahl des richtigen Reifens hat weitreichende finanzielle Auswirkungen. „Wenn unser Produkt die Kraftstoffeffizienz eines Fahrzeugs steigert und länger hält, reduziert das die CO2-Emissionen“, fasst Kaiser zusammen. Diese CO2-Einsparungen sind in der EU, und insbesondere in Deutschland, direkt an Mautvorteile gekoppelt. Martin Schmied, Leiter des Fachbereichs Umweltplanung und Nachhaltigkeitsstrategien im Umweltbundesamt, sieht in der Differenzierung der Mautsätze nach dem CO2-Ausstoß einen wichtigen Anreiz. Er weist auf erhebliche Einsparpotenziale hin: „Bei einer mautpflichtigen Fahrleistung von 100.000 Kilometern pro Jahr können – so steht es in einem Factsheet der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie – über eine Haltedauer von fünf Jahren kumuliert bis zu 160.000 Euro an Mautkosten eingespart werden.“
Neben der Produktqualität gewinnt das digitale Reifenmanagement an Bedeutung. Systeme wie ContiConnect von Continental ermöglichen die Fernüberwachung von Reifenfülldruck und Temperatur. „Ein optimaler Reifenfülldruck trägt zur Sicherheit, zur Laufleistung, zur optimalen Wirkung des Rollwiderstands und damit zur Reduktion der CO2-Emissionen bei“, betont Leo Kolodziej, Leiter Erstausrüstungsgeschäft Lkw-Reifen EMEA bei Continental. Er blickt in die Zukunft: „Zukünftige TPMS werden digitaler und automatisierter sein. Denkbar ist dann eine dynamische Anpassung des Reifenfülldrucks an die Gesamtfahrzeuglast. Davon können insbesondere elektrisch betriebene Fahrzeuge profitieren.“
Der Weg nach vorn
Trotz technologischer Fortschritte bleibt die Branche vor großen Herausforderungen. „Die meisten würden lieber heute als morgen einen zusätzlichen Beitrag zur klimafreundlicheren Mobilität leisten“, sagt Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL). Doch die aktuellen Rahmenbedingungen seien oft noch hinderlich. „Wir fordern von der Politik, die Problematiken des Unterwegsladens, des Depotladens und der Mehrgewichtskompensation zeitnah einer praktikablen Lösung zuzuführen, damit der Wechsel zur E-Mobilität gelingen kann.“
Die Bedeutung des Reifens für die E-Mobilität wird sich weiter verstärken. „Die Transformation erhöht bei den OEMs auch den Wunsch nach Austausch und gemeinsamen Tests in Bezug auf Reifen- und Fahrzeuggeräusche“, so Kolodziej. Dies unterstreicht, dass die Mobilitätswende eine gemeinsame Anstrengung ist, in der der Reifen als entscheidende Schnittstelle zur Straße eine zunehmend strategische Rolle einnimmt – für Sicherheit, Effizienz und die Erreichung ambitionierter Klimaziele.