„Digitalisierung sichert Wertschöpfung“, sagt Staberhofer im Interview. (Foto: FStaberhofer)
Das Motto des Österreichischen Logistik-Tags 2025 lautet „Verlässlichkeit“. Welche besonderen Erkenntnisse
erwarten Sie, um Unternehmen bei der Neuausrichtung ihrer Supply Chains zu unterstützen?
Wir erwarten durch die Keynote und die Diskussion der Rahmenbedingungen wichtige Impulse, wie sich Stabilität und damit Verlässlichkeit über alle logistischen Bereiche hinweg stärken lassen.
Konkret liefern Vorträge, Diskussionen und der Austausch im Future-Lab praxisnahe Anregungen – unter anderem, wie im Retail durch konkrete Maßnahmen Verlässlichkeit geschaffen werden kann, wie sich durch datenbasierte Intralogistik die Wertschöpfung in Österreich nachhaltig absichern lässt oder wie Open Source Logistics und Digitalisierung dazu beitragen, Transporte transparenter und stabiler zu machen.
Ein weiteres zentrales Thema ist die Stabilisierung der Rohstoffversorgung durch Circular Supply Chains. Dabei können KI und Machine Learning Supply-Chain-Prozesse wirkungsvoll unterstützen.
Ein Schwerpunkt im Future-Lab liegt auf der Rolle von KI und Machine Learning in der Supply Chain. Welche konkreten Anwendungsfälle sehen Sie hier – und wie groß ist das Potenzial für Effizienzgewinne in der Praxis?
Ich sehe drei zentrale Anwendungsfelder. Erstens können triviale Aufgaben durch Automatisierung reduziert oder ganz ersetzt werden, was personelle Ressourcen für höherwertige Tätigkeiten freisetzt.
Zweitens liegt das Potenzial nicht nur in der Einsparung von Personal, sondern vielmehr in einer gezielten Verlagerung von Kompetenzanforderungen. Das bedeutet: Effizienz entsteht durch die Wirkung der Anwendungen, nicht allein durch Kostensenkung.
Drittens eröffnet sich ein strategisches Chancenfeld, indem neue Geschäftsmodelle auf Basis datengestützter Supply-Chain-Modelle entwickelt werden können. Genau diese Perspektiven wollen wir beim Future-Lab in Linz vertiefen.
Nachhaltige Transportoptimierung ist ein weiteres zentrales Thema des Events. Können Sie ein Beispiel dafür nennen, wie Unternehmen durch innovative Ansätze Transportkosten senken und gleichzeitig nachhaltiger wirtschaften können?
Ein wichtiger Hebel ist die Digitalisierung scheinbar einfacher Prozesse – zum Beispiel die konsequente Umstellung des CMR-Frachtbriefs auf digitale Formate. Dies muss allerdings als gemeinsame Anstrengung erfolgen, nicht nur oberflächlich. Der VNL leistet hier einen aktiven Beitrag.
Nachhaltigkeit entsteht zudem durch bessere Auslastung – weniger Leerfahrten bedeuten geringere Kosten und Emissionen. Auch soziale Nachhaltigkeit ist zentral: Wenn Fahrer häufiger zu Hause sein können, erfordert das angepasste Routenmodelle. Diese erhöhen zwar tendenziell die Kosten und den CO₂-Ausstoß, tragen aber zu langfristiger Stabilität bei. Ein nachhaltiger Ansatz umfasst auch faire Entlohnung – etwa durch eine Erhöhung der Löhne für Lkw-Fahrer.
Beim Logistik-Tag geht es unter anderem um die Neugestaltung globaler Lieferketten im Zeichen geopolitischer Veränderungen. Welche Strategien halten Sie für entscheidend, um die Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit in diesem unsicheren Umfeld zu stärken?
Zentrale Voraussetzung ist, Transparenz in den Lieferketten aktiv zu nutzen. Instrumente wie der Supply Chain Pressure Index (von ASCII), der VNL-Lieferkettenmonitor oder speziell entwickelte SCRM-Tools für KMU leisten dabei wertvolle Dienste. Zudem müssen Unternehmen gezielt ihre Supply-Chain-Fähigkeiten weiterentwickeln – etwa durch Schulung und Wissensaufbau im Bereich Zollabwicklung.
Der VNL-Lieferkettenmonitor bietet eine KI-gestützte Risikoanalyse für Unternehmen. Wie haben die Unternehmen bislang darauf reagiert – und welche konkreten Vorteile konnten sie bereits daraus ziehen?
Viele Unternehmen nutzen das Tool bereits aktiv und konnten erste Erfahrungen im Hinblick auf regulatorische Anforderungen sammeln. Besonders hilfreich ist der Lieferkettenmonitor für jene Unternehmen, die bereit sind, sich ernsthaft mit Transparenz in ihrer Lieferkette auseinanderzusetzen. Sie profitieren besonders von den Erkenntnissen und entwickeln sich damit gezielt weiter.
Automatisierung und Digitalisierung werden oft als Lösung für Effizienzsteigerungen genannt. Welche Rolle spielt hierbei der Faktor Mensch – und wie wichtig ist es, die Belegschaft auf diese technologischen Veränderungen vorzubereiten?
Ein wesentlicher Treiber ist der zunehmende Arbeitskräftemangel. Automatisierung hilft, bestimmte Tätigkeiten auch bei knappen personellen Ressourcen zuverlässig zu erfüllen. Gleichzeitig geht es um Kostensenkung: Durch die hohen Preissteigerungen in Österreich geraten einige Bereiche unter Druck, was die internationale Wettbewerbsfähigkeit betrifft. Deshalb ist es entscheidend, die Belegschaft aktiv auf diese Veränderungen vorzubereiten und entsprechend zu qualifizieren.
Die Verbindung von Forschung und Praxis ist Ihnen ein großes Anliegen. Welche Erkenntnisse aus der angewandten Logistikforschung fließen aktuell direkt in die Arbeit des VNL und die Unterstützung von Unternehmen ein?
In den vergangenen Jahren haben wir gemeinsam mit Forschungseinrichtungen und Unternehmen einen eigenen Bereich für angewandte Forschungsprojekte aufgebaut. Zudem pflegen wir gezielte Partnerschaften mit internationalen Akteuren – insbesondere aus den USA und Asien. Diese Kooperationen fließen unter anderem in hochkarätige Veranstaltungen wie das International Supply Chain Community Meeting heuer im November ein, das hochspezialisierte SCM-Profis zusammenbringt.