„Wir sind überzeugt, dass sich die Mittlere Route weiterentwickeln wird, und setzen auf ihren Ausbau.“ (Foto: InterRail AG / Andrey Pachevskiy)
Sie sind seit 2021 Executive Director Eurasia bei InterRail. Wie hat sich Ihre Rolle in den letzten Jahren entwickelt?
Neben meiner ursprünglichen Aufgabe, die strategische Entwicklung des eurasischen Schienenverkehrs voranzutreiben, bin ich mittlerweile auch Mitglied der Geschäftsleitung. In dieser Funktion trage ich die direkte Verantwortung für die Organisationen in Deutschland, Polen, der Türkei und China. Dies umfasst nicht nur die operative Steuerung und Weiterentwicklung unseres Serviceportfolios in diesen Schlüsselregionen, sondern auch die langfristige strategische Ausrichtung. Besonders der Ausbau unserer Transportlösungen entlang der Mittleren Seidenstraße sowie die Anpassung an geopolitische und wirtschaftliche Veränderungen haben meine Arbeit stark geprägt.
InterRail transportiert auch Kühlcontainer zwischen Asien und Europa. Welche Herausforderungen gab es dabei, und wie sehen Sie das Potenzial für diesen Servicebereich?
Kühlcontainertransporte sind eine spannende, aber auch anspruchsvolle Logistikaufgabe. Die größte Herausforderung ist, die Kühlkette entlang der gesamten Strecke lückenlos zu halten – egal, wie viele Grenzen überquert werden oder wie lange der Transport dauert. Hier kommt es auf präzise Planung, zuverlässige Technik und ein starkes Netzwerk an. Dank moderner Monitoring-Systeme haben wir jederzeit die volle Kontrolle über Temperatur und Status der Ladung. Das Potenzial ist enorm, denn die Nachfrage nach frischen Lebensmitteln, Pharmazeutika und verderblichen Waren wächst stetig. Wir sehen hier noch viele Möglichkeiten, unser Angebot weiter auszubauen und neue Märkte zu erschließen.
Wie hat sich die „Mittlere Seidenstraße“ entwickelt?
Die Mittlere Seidenstraße hat in den letzten Jahren als Alternative zur nördlichen Route deutlich an Bedeutung gewonnen, insbesondere durch geopolitische Veränderungen. InterRail ist hier bereits seit vielen Jahren aktiv – mit eigenen Büros entlang der Strecke und regelmäßigen Transporten. Dadurch können wir Abläufe effizient steuern, flexibel auf Herausforderungen reagieren und unseren Kunden verlässliche Transportlösungen bieten.
Dennoch muss man festhalten, dass es trotz kontinuierlicher Investitionen auf dieser Route noch Nachholbedarf gibt – insbesondere im Vergleich zur etablierten Nordroute. Themen wie Infrastruktur, Effizienz und Grenzprozesse müssen weiter verbessert werden, um die Mittlere Seidenstraße als langfristig wettbewerbsfähige Alternative zu etablieren.
Gleichzeitig wird diese Route nicht nur für Verkehre aus China nach Europa immer wichtiger, sondern auch für Transporte aus Europa bzw. aus China nach Zentralasien. Hier haben die Transportvolumina speziell im letzten Jahr stark zugenommen, was das große Potenzial dieser Verbindungen unterstreicht. Wir sind überzeugt, dass sich die Mittlere Seidenstraße weiterentwickeln wird, und setzen gezielt auf ihren Ausbau.
Welche Innovationen oder technologischen Entwicklungen sehen Sie als besonders wichtig für die Zukunft des eurasischen Schienengüterverkehrs?
Besonders wichtig sind smarte Tracking-Systeme, mit denen Kunden ihre Sendungen in Echtzeit verfolgen können, und KI-gestützte Routenoptimierung, um Transporte noch effizienter zu gestalten.
Ein weiteres großes Thema ist der papierlose Zug. Digitale Frachtpapiere und automatisierte Prozesse könnten den Transport in Zukunft deutlich schneller und effizienter machen sowie Fehlerquellen und Bürokratie reduzieren. Noch gibt es hier viel zu tun, aber es wäre wichtig, dass wir als Branche gemeinsam daran arbeiten, um diese Innovationen voranzutreiben. Das gilt nicht nur für den eurasischen Schienenverkehr, sondern für den globalen Bahnsektor.
Bei InterRail setzen wir bereits auf digitale Lösungen, um Abläufe zu optimieren und nachhaltiger zu gestalten.
Apropos Nachhaltigkeit. Wie setzen Sie konkret umweltfreundliche Praktiken in Ihrem Tagesgeschäft um?
Nachhaltigkeit ist für uns kein leeres Gerede – wir schauen, dass wir wirklich etwas weiterbringen. Der Bahntransport ist ja von Haus aus eine der umweltfreundlichsten Lösungen, aber da geht natürlich noch mehr. Wir optimieren die Routen, damit alles noch effizienter läuft, und arbeiten eng mit unseren Partnern zusammen, um Emissionen weiter zu senken.
Ein großes Thema ist auch die Verlagerung von Transporten von der Straße auf die Schiene – gerade innerhalb Europas gibt es hier noch viel Potenzial. Je mehr Waren auf der Bahn unterwegs sind, desto weniger Lkw verstopfen die Straßen – und desto besser für die Umwelt. Wir sehen da eine echte Chance, gemeinsam mit unseren Kunden nachhaltige Lösungen zu entwickeln und den Schienengüterverkehr weiter zu stärken.
Klar, es gibt immer noch etwas zu tun, aber jeder Schritt zählt. Und wenn die ganze Branche an einem Strang zieht, können wir wirklich etwas bewegen.
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den verschiedenen nationalen Eisenbahnen entlang der eurasischen Strecken?
Das ist ein komplexes, aber spannendes Thema. Unterschiedliche Systeme, Vorschriften und Arbeitsweisen erfordern viel Abstimmung und Flexibilität. Genau hier kommt unsere langjährige Erfahrung ins Spiel – wir pflegen seit vielen Jahren enge und vertrauensvolle Beziehungen zu den nationalen Bahngesellschaften. Das hilft uns enorm, um Abläufe zu optimieren und Lösungen schnell umzusetzen.
Zusätzlich gibt es einige Organisationen, die daran arbeiten, die internationale Zusammenarbeit weiter zu verbessern und Standards zu vereinheitlichen. Das ist wichtig, denn je besser die verschiedenen Akteure zusammenarbeiten, desto effizienter und zuverlässiger wird der Schienengüterverkehr insgesamt.
Herausforderungen gibt es immer, aber mit Erfahrung, einem starken Netzwerk und pragmatischen Lösungen bringen wir die Dinge gut ins Rollen.
Welche Wachstumsziele hat InterRail für die nächsten fünf Jahre?
Wir wollen weiter wachsen und unsere Position im eurasischen Schienengüterverkehr weiter stärken. Besonders in Zentralasien tut sich viel – die Region entwickelt sich rasant, und wir sehen dort großes Potenzial, sowohl für den Transitverkehr als auch für lokale Logistiklösungen.
Die Mittlere Seidenstraße hat zwar im Vergleich zur Nordroute noch einiges an Aufholbedarf, aber die steigenden Transportvolumina zeigen, dass sie immer relevanter wird. Wir sind überzeugt, dass sie sich langfristig als verlässliche Alternative etablieren wird.
Ein weiterer Fokus liegt auf dem Ausbau multimodaler Lösungen. Die optimale Kombination wird immer wichtiger, um unseren Kunden noch flexiblere und effizientere Transportmöglichkeiten zu bieten. Hier setzen wir gezielt auf innovative Konzepte, um den gesamten Logistikprozess noch besser zu verzahnen.
Natürlich spielt auch die Digitalisierung eine große Rolle. Durch smarte IT-Lösungen und die engere Vernetzung unserer Standorte entlang der Seidenstraße wollen wir Abläufe weiter optimieren und den Kundenservice verbessern. Kurz gesagt: Es bleibt spannend – und wir haben noch einiges vor!