„Uns ist wichtig, die Logistik stärker in der Planungsphase von Stadtentwicklungsgebieten zu verankern", sagt Bittner-Krautsack. (Foto: Stadt Wien / Gerd W. Götzenbrucker)
Welche Rolle spielt die Entwicklung nachhaltiger Infrastruktur in den Mobilitätsstrategien für Wien?
Wir haben in der Stadt Wien als Dach- und Nachhaltigkeitsstrategie die Smart-Klima-City-Strategie. Sie verfolgt die Mission einer hohen Lebensqualität für alle Wiener*innen bei größtmöglicher Ressourcenschonung durch soziale und technische Innovationen. Wien will bis 2040 klimaneutral werden, und auf dem Weg dorthin sind Zielsetzungen im Bereich Mobilität und Verkehr entscheidend. Mobilitätsbezogene Zielsetzungen, die sowohl die Wirtschaft als auch die Bevölkerung adressieren, betreffen die Senkung der CO₂-Emissionen des Verkehrssektors pro Kopf, die Erhöhung des Anteils der Fahrzeuge mit nicht-fossilen Antrieben an den Neuzulassungen, die weitgehend CO₂-freie Abwicklung von Wirtschaftsverkehren innerhalb des Stadtgebiets, aber auch die Stadt der kurzen Wege, in der Nahversorgung eine große Rolle spielt. Im Frühjahr wurde auch der Wien-Plan – Stadtentwicklungsplan 2035 – im Gemeinderat beschlossen. Auch dort ist Mobilität ein Schwerpunkt. Ziel ist eine leistbare, umweltfreundliche Mobilität für alle sowie eine gute Erreichbarkeit aller Stadtteile für den Wirtschaftsverkehr. Wir wollen die Weichen für eine klimaneutrale Gütermobilität stellen.
Wie adressiert Wien die Herausforderung, Flächen für urbane Logistik in zentralen Lagen zu sichern?
Logistikflächen für Midi-Hubs sind innerstädtisch innerhalb des Gürtels nicht vorhanden. Das haben wir in der Vergangenheit bereits untersucht. Folglich setzen wir in der Stadt Wien auf Mikro-Hubs in Form von betreiberunabhängigen Paketboxen. Von diesen gibt es bereits mehr als 700 in Wien, und sie werden über die Nextbox-Plattform der WienIT GmbH miteinander verknüpft.
Als eine der letzten Möglichkeiten für einen innerstädtisch nahe gelegenen Standort für Logistikinfrastruktur wie einen Hub sehen wir das Entwicklungsareal „Mitte 15“. Dort denken wir diese Logistikinfrastruktur und die dafür nötigen Flächen zur Versorgung der Stadt von Beginn an mit.
Aus Sicht der Stadtentwicklung und Stadtplanung ist es uns auch wichtig, die Logistik zukünftig stärker in der Planungsphase von Stadtentwicklungsgebieten zu verankern. Im Juni haben wir dafür unseren Wegweiser „Quartierslogistik in Stadtentwicklungsgebieten“ veröffentlicht. Dieser Wegweiser bietet den planenden Akteur*innen Bausteine für innovative und nachhaltige Lösungen im Bereich Quartierslogistik, wie Ladezonen unabhängig von Gewerbetreibenden, Ladehöfe, Mikro-Hubs oder White-Label-Paketboxen. Gerade bei der Schaffung von verkehrsberuhigten, an der Oberfläche weitgehend stellplatzfreien Quartieren mit einem attraktiven, intensiv begrünten öffentlichen Raum muss die Anordnung logistikintensiver Nutzungen gebündelt und strategisch im Quartier positioniert werden. Weiters muss auf eine friktionsfreie Logistikplanung besonderes Augenmerk gelegt werden, um einerseits die Verkehrsberuhigung nicht zu unterlaufen und andererseits die Logistikerfordernisse zu befriedigen.
Wie gelingt es, die unterschiedlichen Stakeholder – von Logistikdienstleistern über Handel bis zur Bevölkerung – in die Entwicklung und Umsetzung neuer Logistikkonzepte einzubinden?
Wir haben seit 2019 die Initiative „Nachhaltige Logistik 2030+ Niederösterreich-Wien“ am Laufen. Das ist eine Kooperation der Länder Niederösterreich und Wien sowie der Wirtschaftskammern beider Bundesländer. Letztes Jahr wurde entschieden, die Initiative aufgrund ihres hohen Mehrwerts für alle Beteiligten um weitere fünf Jahre zu verlängern. Die Plattform begleitet den transformativen Prozess, gibt wichtige Impulse zum Thema und ist gleichzeitig ein gemeinsamer Lernprozess. Die Region wächst, und Logistikketten enden bekanntlich nicht an der Stadtgrenze. Hier gilt es, gemeinsam die Rahmenbedingungen für die Logistik in der Region zu gestalten. Über die Kooperation mit den Wirtschaftskammern erreichen wir die Wirtschaftstreibenden, bzw. können sie sich über Kooperationsprojekte aktiv einbringen. Wir haben uns mit der Verlängerung auch neu aufgestellt und setzen auf fünf Cluster in einer strategischen Agenda, die ein rasches Reagieren auf neue Entwicklungen ermöglicht.
Sie engagieren sich im DamenLogistikClub. Welche Bedeutung hat dieses Netzwerk für Sie?
Der DamenLogistikClub bietet ein breites Vernetzungsangebot für Frauen aus den unterschiedlichsten Bereichen der Logistikbranche: von Veranstaltungen, bei denen spezifische Themen diskutiert werden, über gemeinsame Besichtigungen und Führungen, bei denen man neue Orte, Inhalte und Menschen kennenlernt und neue Einblicke erhält, die die eigenen Perspektiven ergänzen und neue Blickwinkel eröffnen. Zudem schafft das Netzwerk Sichtbarkeit für Frauen und forciert ihre Präsenz als Speakerinnen und Podiumsdiskutantinnen bei Logistikveranstaltungen.
Welche Veränderungen wünschen Sie sich im Hinblick auf Diversität und Sichtbarkeit von Frauen in der Branche?
Wir planen die Mobilität für das Wien von morgen für alle. Ich bin davon überzeugt, dass gemischte Teams die besten Entscheidungen treffen, weil sie auch die Welt draußen, für die wir planen, abbilden. Als ich im Logistikthema vor fast dreizehn Jahren zu arbeiten begonnen habe, kam es häufig vor, dass bei Logistikveranstaltungen keine einzige Frau auf der Bühne stand und man bei Besprechungen zu Logistik als einzige – und damals noch junge – Frau im Raum immer wieder einmal die Kaffeetassen zum Wegräumen in die Hand gedrückt bekam. Wir haben uns dann bei Besprechungen mit Externen keine weißen Blusen mehr angezogen. Zum Glück hat sich viel getan, der DamenLogistikClub leistet seinen Beitrag, und die Gesellschaft verändert sich, wenn auch sehr langsam. Mein Wunsch wäre, dass es selbstverständlich sein sollte, dass Männer und Frauen als Diskussionsteilnehmende bei Veranstaltungen im selben Ausmaß vertreten sind. Und wenn es nicht so ist, sollte es selbstverständlich sein, dass Frauen und Männer dies einfordern – und dafür nicht müde belächelt werden.
Welche Innovationen sehen Sie als besonders vielversprechend für die Weiterentwicklung der urbanen Logistik in den nächsten Jahren?
Die Digitalisierung bietet sicherlich viele Chancen, aber auch Gefahren. So sehen wir Lieferroboter seitens der Stadt Wien sehr kritisch. In der von uns erarbeiteten Wiener Grundposition zur automatisierten Mobilität ist klar festgehalten, dass Gehsteige nicht der motorisierten Mobilität dienen, automatisierte Lieferungen nur unter Nutzung von Fahrbahn und Parkspur erfolgen dürfen und die Schnittstelle zu den Endkund*innen insofern wichtig ist, dass Lieferroboter nicht im öffentlichen Raum parken und warten dürfen.
Als zentrale technologische Innovation für die urbane Logistik sehe ich emissionsfreie Fahrzeuge im Bereich der Lastkraftwagen der Klasse N, die die Bedürfnisse und Anforderungen der Logistik erfüllen und auch leistbar sind.
Wie erwähnt ist aus meiner Sicht eine wichtige organisatorische Innovation das Mitdenken der Logistik bei der Mobilitätsplanung in Stadtentwicklungsgebieten. Da ist der Boden teilweise noch aufzubereiten. Mit unserem Wegweiser versuchen wir dazu beizutragen.