"Mithilfe unseres Data Lake simulieren wir Krisenszenarien und aktivieren vorausschauend Backup-Partner in benachbarten Ländern", sagt Sertic. (Foto: WKW / Wieser / UnitCargo)
UnitCargo investiert gezielt in Digitalisierung und Künstliche Intelligenz. Wie wird KI aktuell in Ihrem Tagesgeschäft eingesetzt, und welche Entwicklungen erwarten Sie künftig?
Bei UnitCargo sehen wir KI als einen kontinuierlichen Entwicklungsprozess. Derzeit nutzen wir einen zentralen Data Lake, der strukturierte Informationen aus Buchhaltung, Frachtraten, Kundenprofilen und Fahrzeugdaten speichert. Auf dieser Basis analysiert unser KI-System eingehende Transportaufträge und schlägt automatisch jene Lkw und Fahrer vor, die hinsichtlich Kapazität und Standort am besten geeignet sind. Das hat unsere Dispositionszeiten bereits deutlich verkürzt. Künftig wollen wir die KI zu einem umfassenden Routenplanungstool weiterentwickeln, das Verkehr, Wetter und Fahrzeugstatus in Echtzeit berücksichtigt – für eine vollständig optimierte Logistiksteuerung.
Mit mehr als 50.000 FTL- und LTL-Transporten pro Jahr ist die effiziente Nutzung von Laderaum und Frachtkapazitäten entscheidend. Welche Trends und Technologien setzt UnitCargo dafür ein?
Wir nutzen cloudbasierte Plattformen, um Teilladungen in Echtzeit zu bündeln und die Kapazitäten unserer mittelständischen Logistikpartner über Schnittstellen in unser Transportmanagementsystem zu integrieren. Zudem setzen wir auf datengestützte Preismodelle, die historische Raten, saisonale Nachfragemuster und Treibstoffkosten analysieren und unsere Preisangebote automatisch anpassen. GPS-Tracking und Telematik-Sensoren in unseren Lkw liefern uns Live-Daten, ob zusätzliche Fracht aufgenommen werden kann, ohne Liefertermine zu gefährden.
Wie hat sich die Aufnahme von Rumänien und Bulgarien in den Schengen-Raum auf Ihre Transportwege und Transitzeiten ausgewirkt?
Obwohl Rumänien und Bulgarien nun offiziell zum Schengen-Raum gehören, gibt es weiterhin stichprobenartige Kontrollen – insbesondere im Bereich Tierseuchenprävention. Die erwartete Reduktion der Grenzwartezeiten um bis zu zwei Stunden hat sich daher bislang nicht realisiert. Langfristig rechnen wir jedoch damit, dass der Wegfall dieser Kontrollen die Transitzeiten deutlich verkürzt und eine effizientere Routenplanung nach Ost- und Südosteuropa ermöglicht.
UnitCargo entwickelt intermodale Transportlösungen. Wie sieht die Zukunft dieses Segments aus, und welche Rolle spielen technologische Innovationen?
Wir haben intermodale Verbindungen zwischen Rumänien, Ungarn, Polen und dem Ruhrgebiet aufgebaut. Aufgrund von Zugausfällen und Bauarbeiten an der Schieneninfrastruktur mussten wir die Zahl eingesetzter Trailer jedoch vorübergehend reduzieren. Zukünftig werden digitale Buchungsplattformen entscheidend sein, die die aktuelle Schienenkapazität abbilden und automatische Umbuchungen bei Störungen ermöglichen. Blockchain-basierte Frachtpapiere und IoT-Sensoren an den Waggons werden ebenfalls zur Transparenz beitragen und für verlässliche Transitzeiten sorgen.
UnitCargo ist auf Korridorverkehre zwischen Skandinavien, Benelux, Deutschland, Osteuropa und dem Balkan spezialisiert. Mit welchen logistischen Herausforderungen haben Sie zu kämpfen und wie differenzieren Sie sich vom Wettbewerb?
Skandinavien erfordert wintertaugliche Ausrüstung und Spezialausstattung. In den Balkanregionen müssen wir hingegen oft zusätzliche Puffernzeiten einplanen – wegen unterschiedlicher Infrastrukturqualität und gelegentlicher Grenzkontrollen. Organisierter Frachtdiebstahl durch professionell agierende Banden stellt ebenfalls eine reale Bedrohung dar. Wir begegnen diesen Herausforderungen mit einer dezentralen Präsenz in sechs Ländern, gründlichen Sicherheitsaudits bei allen Partnern und durch rein eigenkapitalfinanzierte Investitionen. Das sichert uns Preisstabilität und die finanzielle Stärke, rasch und unabhängig zu handeln.
Wie wirkt sich die geopolitische Lage in Osteuropa auf Ihre Logistikoperationen aus, und welche Anpassungsstrategien setzen Sie um?
Geopolitische Spannungen führen zu Routenunsicherheit und steigenden Versicherungsprämien. Wir reagieren darauf mit der Diversifizierung unserer Transitkorridore – zum Beispiel über Ungarn–Slowenien oder Bulgarien–Türkei. Mithilfe unseres Data Lake simulieren wir Krisenszenarien und aktivieren vorausschauend Backup-Partner in benachbarten Ländern. Zudem arbeiten wir eng mit Behörden und Versicherern zusammen, um den Informationsfluss zu beschleunigen und gemeinsame Schutzmechanismen gegen organisierte Kriminalität zu entwickeln.
Wie sorgt UnitCargo für resiliente Lieferketten, die auch unvorhersehbaren Störungen standhalten?
Für uns bedeutet Resilienz ein proaktives Netzwerkdenken. In jedem Kernmarkt halten wir parallele Pools von Transportpartnern vor, um bei Ausfällen sofort reagieren zu können. Ein eigens entwickeltes Tracking-Dashboard liefert unseren Kunden Echtzeitstatus und Prognosen, damit sie bei Verzögerungen frühzeitig Gegenmaßnahmen einleiten können. Und weil alle unsere Investitionen eigenfinanziert sind, können wir Anzahlungen leisten und zusätzliche Kapazitäten bereithalten – das garantiert stabile Lieferketten, auch in Krisenzeiten.