„Unsere Handelsbeziehungen mit der Türkei sind eine Erfolgsstory“, sagt Lackner. (Foto: WKÖ / Studio Huger)
Wird sich Ihrer Einschätzung nach das Wirtschaftswachstum der Türkei fortsetzen?
Nach den Präsidentschaftswahlen 2023 hat die Türkei einen wirtschaftspolitisch moderateren Weg eingeschlagen und ihr Augenmerk auf die Bekämpfung der Inflation gelegt. Diese Maßnahmen haben erste Wirkung gezeigt, und die Inflation wird bis Jahresende auf rund 30 Prozent zurückgehen. Damit einhergehend mussten aber auch Maßnahmen gesetzt werden, die das Wirtschaftswachstum bremsen, sodass für 2025 „nur“ mit einem Plus von 2,8 Prozent gerechnet wird. Vor den nächsten Wahlen 2028 wird mit einer merklich lockereren Wirtschaftspolitik gerechnet, die das Wachstum wieder künstlich befeuern wird. Im Schnitt wird bis dahin jährlich mit einem Plus von 3,8 Prozent gerechnet.
In der aktuellen Situation sind die lang anhaltenden und hohen Kostensteigerungen eine Herausforderung, die mittlerweile die Wettbewerbsfähigkeit des Landes beeinträchtigen. Lohnerhöhungen, höhere Kosten für Importgüter und geringere Einnahmen aus Exporten machen sich im Unternehmensalltag bemerkbar. Unternehmen schützen sich vor diesen Folgen durch Preisfixierung in Euro oder Dollar. Auch ausländische Lieferanten fakturieren normalerweise in Fremdwährung, sollten sich jedoch der Zahlungsfähigkeit ihrer türkischen Kunden versichern und an Absicherungen denken. Wir erleben immer wieder, dass österreichische Firmen ohne Sicherheiten auf offenes Zahlungsziel liefern. Im besten Fall führt das zu kurzfristigen Zahlungsverzögerungen. Firmen sollten sich daher absichern und nur auf Vorauskasse oder mit Teilzahlungen und -lieferungen arbeiten. Bei größeren Aufträgen sind Akkreditive und ähnliche Absicherungen jedenfalls ihr Geld wert.
Welche Neuerungen gibt es im Bereich der Infrastruktur?
Die Türkei hat in den vergangenen Jahren umfangreiche Investitionen in ihre Transport- und Logistikinfrastruktur getätigt und damit ihre Rolle als Brücke zwischen Europa und Asien gestärkt. Mit einem Anteil von rund zehn Prozent am BIP und mehr als einer Million Beschäftigten zählt die Branche zu den zentralen Säulen der Wirtschaft. Allein 2022 flossen rund drei Milliarden Euro in Verkehrsprojekte.
Ein Schwerpunkt liegt auf dem Ausbau des Schienennetzes. Dieses umfasst inzwischen 13.128 Kilometer, davon 1.460 Kilometer Hochgeschwindigkeitsstrecken. Der Masterplan 2053 sieht auch weiterhin massive Erweiterungen vor: 5.833 Kilometer neue Hochgeschwindigkeitsstrecken sowie 1.354 Kilometer konventionelle Linien.
Darüber hinaus werden strategische Korridore wie die Verbindung Kars–Tbilisi–Baku ausgebaut. Unter österreichischer Beteiligung und Finanzierung entsteht auch eine Eisenbahnlinie vom türkischen Kars in die aserbaidschanische Enklave Nachitschewan. Mit der Einigung auf den TRIPP-Korridor zwischen Armenien und Aserbaidschan könnte dieser in naher Zukunft die Bahnlogistik zwischen Europa und China deutlich erleichtern. Andere internationale Initiativen wie der Mittlere Korridor oder TRACECA unterstreichen die strategische Lage der Türkei.
Neben dem Schienenverkehr werden auch Seehäfen und die Straßeninfrastruktur modernisiert. Die Autobahn Antalya–Alanya wird gerade ausgebaut, die Strecke Nakkaş–Başakşehir wird Entlastung für die Stadt Istanbul bringen. Hafen-Erweiterungsprojekte in Mersin, Izmir/Alsancak und Filyos stärken die maritime Logistik.
Welche Entwicklungen in der Türkei halten Sie für österreichische Unternehmen für besonders positiv?
Wenn wir uns die Handelsstatistik der letzten 30 Jahre ansehen, so sind unsere bilateralen Handelsbeziehungen eine einzige Erfolgsstory. Die Lieferungen in beide Richtungen haben sich beinahe verzehnfacht, dazu kommen noch die Einnahmen aus den Dienstleistungsexporten. Durch eine immer weitere Verzweigung baut unser Handel mittlerweile nicht nur auf einzelne große Unternehmen und das Projektgeschäft, sondern auch auf viele KMU.
Die OeKB und die österreichischen Geschäftsbanken können heimischen Firmen aber den entscheidenden Wettbewerbsvorteil liefern. Der Bedarf und das Interesse an Finanzierungen ist bei Projekten in der Türkei groß, und die heimischen Banken ermöglichen diese zu günstigen Konditionen.
