„Die Türkei wird zum Logistik-Powerhouse“

24.10.2025 | Schiene, Standort

Emre Akyel, Vorstandsmitglied des türkischen Unternehmens Expris Logistics, erklärt, warum die Türkei von ihrer geopolitischen Lage profitiert und weshalb der Kombi-Verkehr die Lieferketten von und nach Europa verändern wird.

Wie schätzen Sie die aktuelle Entwicklung des Straßengüterverkehrs in der Türkei und von der Türkei in die EU ein?

Der türkische Straßengüterverkehr befindet sich derzeit in einer äußerst dynamischen Phase. Einerseits sorgt eine starke Inlandsnachfrage für stabile Transportvolumina, andererseits wachsen die Exporte nach Europa so stark wie nie zuvor. Die Türkei ist mittlerweile ein integraler Bestandteil der erweiterten Lieferkette der EU geworden. Das eröffnet enorme Chancen für die türkische Logistik, erhöht aber auch den Anspruch. Kunden erwarten heute Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und digitale Transparenz auf westeuropäischem Niveau. Unternehmen, wie Expris, denen es gelingt, operative Disziplin mit Technologie und Nachhaltigkeit zu verbinden, werden die nächste Wachstumsphase anführen.

Was treibt die Nachfrage nach Straßentransporten an? 

Der wichtigste Treiber ist Europas strategische Neuausrichtung hin zu resilienteren Lieferketten. Die türkische Industrie hat bewiesen, dass sie Qualität und Geschwindigkeit liefern kann. Branchen wie Automobilzulieferung, Maschinenbau, Textil und verarbeitete Lebensmittel wachsen weiterhin stark, aber auch E-Commerce, Expressdienste und temperaturgeführte Transporte gewinnen an Bedeutung.

Sie bieten nicht nur Straßengüterverkehre sondern auch Seefrachttransporte an. Wie wirkt sich der Krieg im Gazastreifen auf die Seefracht aus?

Der Krieg hat eine weitere Unsicherheitsebene in ohnehin angespannte globale Lieferketten gebracht. Umgeleitete Seefracht und Verzögerungen im Raum Suez haben spürbare Kettenreaktionen ausgelöst. Für türkische Exporteure bedeutet das eine steigende Nachfrage nach Straßen- und kombinierten Transporten, vor allem in Richtung Westeuropa. Die Fähigkeit der Türkei, schnell auf Landtransport umzuschalten, ist ein strategischer Vorteil. Flexibilität und Multimodalität sind heute genauso wichtig wie der Preis.

Welche Rolle spielt die geografische Lage der Türkei zwischen Europa, dem Nahen Osten und Zentralasien?

Die Geografie der Türkei ist ein strategisches Kapital. Kein anderes Land verbindet so viele Handelsrouten gleichzeitig: Europa über den Balkan, den Nahen Osten über die südöstlichen Grenzen und Zentralasien über den Kaukasus. Der neue Mittlere Korridor, der die Türkei über das Kaspische Meer mit China verbindet, unterstreicht diese Schlüsselrolle. Während sich die globalen Handelsrouten von den klassischen Seewegen diversifizieren, gewinnen die Landverbindungen durch die Türkei zunehmend an Bedeutung. Die Herausforderung besteht nun darin, diesen natürlichen Vorteil mit moderner Infrastruktur, harmonisierten Zollverfahren und digital integrierten Grenzprozessen zu untermauern.

Welche Risiken und Chancen bestimmen die künftige Rolle der Türkei?

Die Risiken sind globaler Natur: geopolitische Instabilität, volatile Treibstoffpreise und strengere Umweltauflagen verändern die Spielregeln. Die Chancen hingegen sind strukturell. Die Türkei verfügt über eine junge Bevölkerung, eine starke industrielle Basis und eine geografische Lage, die sie ins Zentrum des globalen Handels rückt.

Die kommenden Jahre werden entscheidend sein: Es gilt, smarte Infrastrukturen zu schaffen, europäische Standards zu integrieren und in nachhaltige Transporttechnologien zu investieren. Gelingt das, wird die Türkei nicht nur eine Brücke, sondern ein logistisches Powerhouse zwischen drei Kontinenten.

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