„Das Zögern der öffentlichen Hand ist unzureichend, gemessen an den jetzigen Herausforderungen“, kritisiert Wolfgang Kubesch. (Foto: BVL / Moni Fellner)
Seit Monaten drücken ein angespannter Markt und eine gefühlte permanente Kriegsangst auf die Stimmung, die wirtschaftlichen Prognosen sind europaweit bescheiden. Wie soll die Logistik damit umgehen?
Wir müssen unbedingt nach vorne schauen. Logistik ist eine friedfertige Disziplin und arbeitet am liebsten daran, etwas positiv gedeihen zu lassen. In Europa braucht es insgesamt einen gemeinsamen, festen Willen. Es beginnt schon damit, generell Potenziale zu erkennen und konsequent zu nutzen. Chancenlos ist selbst Österreich wahrlich nicht. Aber es wird beispielsweise nicht einmal versucht, vorhandene Rohstoffe im Land zu heben. Stattdessen werden Abhängigkeiten bloß in Sonntagsreden abgebaut. Zusätzlich scheint dem heimischen Tourismussektor vermehrt Ungemach zu drohen, denn die Umwelt sendet Botschaften: grüne Skipisten, verheerende Murenabgänge und partiell nicht weiter sorgenfreie Wasserversorgung – da kommen vielfältige, vor allem wirtschaftspolitische Fragen auf. Bei den staatlichen Budgets buchhalterische Kniffe zu machen, ist ja kein nachhaltiges, sanierendes Konzept! Die defensive Verfasstheit der öffentlichen Hand ist unzureichend, eine Vorbildwirkung eines echten Sparens nicht auszumachen. Ich erwähne ein paar langjährige Defizitbereiche: das Bildungssystem gleicht einer Zeitreise, ein Pensionssystem am Alterslimit befindlich, ein Gesundheitssystem als Patient. Wir befinden uns in einer Situation, in der unterm Strich immer weniger Leistung herauskommt trotz Beitragserhöhungen, es regiert die Symptombekämpfung, das ist eigentlich dreifach schlimm.
Müssen wir uns Sorgen um die Branche machen?
Natürlich gehen die aktuellen Fehlentwicklungen mit wirtschaftlichen Engpässen nicht spurlos an der Logistik vorbei – wir sind schließlich nicht abgekoppelt vom Rest. Doch der Sektor steht resilient und stabil da. Die Logistik ist ja der Herzschlag. Sie hält letztlich alles zusammen – Tag für Tag. Daher auch unser Leitsatz als BVL: „Logistik ist Leben“. Gleichzeitig möchte ich betonen: Leistungsträger sollten nicht weiter belastet werden, eher im Gegenteil. Und wir sind gesamthaft immer bereit, Teil der Lösung zu sein. Wären andere Bereiche so fortschrittlich oder effizient, hätten Österreich und Europa klar weniger Probleme.
Dabei hätten Unternehmen mit weniger Vorschriften mehr Luft zum Atmen.
Es ist ein Irrglaube – vor allem in Europa –, dass Gesetze und Regeln automatisch zur gewünschten Wirklichkeit führten, wie von Zauberhand. Aber Tatsachen lassen sich nicht einfach per Vorschrift verdrängen. Regeln wurden immer schon gebrochen. Und Menschen, die bewusst Normen brechen, lassen sich auch nicht allein vom erhobenen Zeigefinger von Taten abhalten. Gleichzeitig erleben wir, dass der gesetzestreue Bürger zunehmend sozusagen entmündigt wird durch eine Flutwelle an Vorschriften – dies überfordert und frustriert letztlich. Wie soll ein derart komplexes Umfeld überhaupt noch zu individueller Leistung motivieren können? Denn nur noch weiter verschachtelte Regularien wirken zumeist wie Blendgranaten, anstatt den Menschen Positives zu ermöglichen. Und noch immer wird nicht wirklich umfassend verstanden, wie dringend wir Ballast allgemein abwerfen müssen.
Sie zeichnen hier ein trübes Bild. Wo sehen Sie Licht am Ende des Tunnels?
Zum Glück gibt es auch einige Lichtblicke. So ist etwa die Steiermark, wo wir am 21. Oktober den Steirischen Logistik Tag + Automotive Day 2025 veranstalten, ein Musterbeispiel, wenn es um Innovation, Hidden World Champions und First Movers geht. Ich würde sagen, dort ist fast schon ein globaler Hotspot entstanden, speziell für die Intralogistik sowie auch bei Digitalwelten. Und es ist umso wichtiger, nämlich in schwierigen Zeiten, persönlich zusammenzukommen, Potenziale dabei zu nutzen, Ideen auszutauschen.
Was planen Sie beim Event? Welche Themen wollen Sie aufgreifen?
Mit den Themenwelten „Regionales & Perspektiven“ sowie „Intelligence & Innovation“ wollen wir glänzenden Leistungen die perfekte Bühne bieten. Wir planen spannende Vorträge etwa aus den Sektoren Automotive oder Gesundheit. Außerdem haben wir diese Veranstaltung frischer dahingehend konzipiert, persönliche Vernetzung und knackige Inhalte direkter zu transportieren. Gemeinsam mit Partnern, unter anderem Energie Steiermark, Magna, Knapp, Österreichische Post und der Montanuniversität Leoben, wollen wir eine Fachtagung mit Styrian Spirit samt klarer Zuversicht ausrichten. Toyota Material Handling oder Volvo passen auf diesem Level als innovative Weltkonzerne wunderbar dazu. Top-Experts beleuchten internationale Entwicklungen, lokale Erfolgsgeschichten, aktuelle Chancen, aber auch dynamische Risiken. Mit einem neuen Fokus zur Resilienz, nämlich rund um Business Continuity Management (BCM) – exemplarisch sei hier die Gefahr von Blackouts erwähnt –, setzen wir als Benchmark des Logistiksektors einen ganz besonderen USP.