„E-Mobilität wird sich in den nächsten Jahren nicht mehr über Reichweiten oder Ladezeiten definieren, sondern über Systemintegration. Entscheidend ist, wie gut Antrieb, Energieversorgung, Steuerung und Infrastruktur zusammenspielen", sagt Tencl. (Foto: Traktionssysteme Austria)
Welche Lösungen bietet TSA konkret im Bereich E-Mobilität für den öffentlichen Nahverkehr an? Liegt Ihr strategischer Schwerpunkt derzeit stärker im Bahn- oder im Straßenbereich?
Unsere Lösungen für den öffentlichen Nahverkehr sind darauf ausgelegt, Mobilität langfristig effizienter und nachhaltiger zu gestalten. Wir entwickeln und produzieren elektrische Antriebe für Schienen- und Straßennutzfahrzeuge – von der Metro bis zum Stadtbus. Im Bahnbereich zählen wir seit Jahrzehnten zu den Technologieführern. Nach wie vor liegt unser Schwerpunkt daher auch im Bahnbereich. Hier sind wir Weltmarktführer, und die Branche kennt uns: 70 bis 75 Prozent unseres Geschäftsvolumens entfallen auf diesen Bereich.
Gleichzeitig verändert sich der Markt: Immer mehr Städte elektrifizieren auch ihre Busflotten und Straßennutzfahrzeuge. Deshalb übertragen wir unser Know-how aus der Bahn auf neue urbane Anwendungen im Road-Bereich. Was uns unterscheidet, ist die Lebensdauer und Robustheit unserer Systeme. Unsere Motoren sind nicht auf fünf, sondern auf 30 Jahre Betrieb bzw. auf ein Fahrzeugleben ausgelegt. Dieses Denken aus der Schiene bringen wir jetzt auf die Straße und machen so E-Mobilität im öffentlichen Nahverkehr wirtschaftlich, wartungsarm und verlässlich.
Welche technologischen Entwicklungen treiben die Nachfrage nach Ihren Systemen besonders an?
Wir beobachten einen klaren Trend zu kompakten, integrierten und modularen Antriebseinheiten. Motor, Getriebe und Leistungselektronik rücken enger zusammen. Das spart Bauraum, Gewicht und Energie. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an Effizienz, Geräuscharmut und Lebensdauer. Dazu kommen strengere Normen und die Notwendigkeit längerer Lebenszyklen. Dies verlangt kontinuierliche Optimierung von Materialien, Kühlung und Fertigungsprozessen.
Dank unserer über 60-jährigen Erfahrung in der Entwicklung und Produktion von Traktionsantrieben im Schienenbereich sind wir auch für kommende Anforderungen im Bahn- und Road-Sektor bestens gewappnet. Wir investieren laufend in neue Werkstoffe, optimierte Kühlkonzepte und digitale Entwicklungsprozesse. Unsere Simulationen erlauben schon heute eine äußerst präzise Auslegung des gesamten Systems – vom Magnetfluss bis zur Wärmeabfuhr.
Welche Trends bestimmen Ihrer Meinung nach die Zukunft der E-Mobilität in Österreich und Europa?
Alles, was elektrifiziert werden kann, wird elektrifiziert werden. E-Mobilität wird sich in den nächsten Jahren nicht mehr über Reichweiten oder Ladezeiten definieren, sondern über Systemintegration. Entscheidend ist, wie gut Antrieb, Energieversorgung, Steuerung und Infrastruktur zusammenspielen.
In Österreich und Europa erleben wir außerdem ein starkes Comeback des öffentlichen Verkehrs, vor allem durch den Ausbau urbaner Netze und neue EU-Vorgaben zur emissionsfreien Beschaffung. Städte wollen leise, saubere Fahrzeuge, die zuverlässig 20 oder 30 Jahre im Einsatz bleiben. Parallel dazu entstehen völlig neue Geschäftsmodelle: E-Busse werden im Flottenbetrieb gemietet, Antriebe über Serviceverträge gemanagt. Für uns heißt das: Unsere Aufträge werden künftig auch vermehrt Long-Life-Value-Services beinhalten, also Leistungen über den gesamten Lebenszyklus unserer Elektromotoren.
Inwiefern spielt Logistik – insbesondere In- und Outbound-Prozesse – eine Rolle für Ihr operatives Geschäft?
Logistik spielt eine zentrale Rolle für uns. Unsere Projekte mit einer Exportquote von 96 Prozent laufen im engen Takt mit internationalen Fahrzeugherstellern. Das funktioniert nur, wenn Materialströme, Montage und Auslieferung perfekt abgestimmt sind.
Wir steuern unsere Lieferketten global, setzen aber auf eine hohe Eigenfertigungstiefe und bewährte Partner in Europa. Damit sichern wir Qualität und Resilienz – auch in Zeiten gestörter Transportwege. Digitalisierung spielt dabei eine immer größere Rolle: Wir erfassen Lieferprozesse in Echtzeit und können präventiv reagieren, bevor es zu Engpässen kommt. Kurze Wege und transparente Abläufe sind Teil unserer Wettbewerbsfähigkeit.
Wie stellt TSA sicher, dass Innovation und Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen?
Nachhaltigkeit beginnt bei uns bereits beim Design. Wir entwickeln Antriebe so, dass sie über Jahrzehnte gewartet, modernisiert und am Ende ihres Lebenszyklus recycelt werden können. In unserer Forschung geht es daher nicht nur um Leistung, sondern auch um Ressourceneffizienz.
Wir testen neue Fertigungsmethoden und Materialien auf Umweltverträglichkeit und Haltbarkeit, optimieren Effizienz und reduzieren Gewicht – so sinkt der CO₂-Footprint pro Betriebsstunde. Diese Philosophie gilt in der Entwicklung genauso wie in der Produktion, wo wir auf energieoptimierte Prozesse und kurze Transportwege achten.
Ihr Unternehmen wurde von kununu als „Top Company“ ausgezeichnet und erhielt jüngst das Österreichische Staatswappen als ausgezeichnetes Unternehmen. Was bedeuten diese Erfolge für Sie?
Solche Auszeichnungen sind vor allem ein Feedback – von außen wie von innen. Sie bestätigen unsere Strategie: Qualität, Mitarbeiterorientierung und Standortbindung. Wir wachsen kontinuierlich, bleiben dabei aber ein mittelständisches Unternehmen mit klarer Identität.
Das kununu Top-Company-Siegel wie auch das Staatswappen „Staatlich ausgezeichnetes Unternehmen Österreichs“ sind Anerkennungen unserer Leistung als Industrieunternehmen „Made in Austria“. Für die Mitarbeiter ist es ein Zeichen, dass ihr Engagement sichtbar wird. Und für mich persönlich ein Ansporn, diese Haltung auch künftig zu bewahren. Für uns sind das keine Marketing-Trophäen, sondern ein Beleg dafür, dass die interne Kultur und die Investitionen in Menschen und Technik wirken.
Welche Maßnahmen setzen Sie, um Fachkräfte langfristig zu binden und neue Talente zu gewinnen?
Wir investieren stark in Ausbildung, Weiterbildung und in die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Unsere Lehrlingsausbildung wurde in den letzten Jahren deutlich ausgebaut. Wir bilden in mehreren technischen Berufen selbst aus und ermöglichen danach Weiterentwicklung über die TSA-Akademie.
Zudem pflegen wir Partnerschaften mit HTLs und Universitäten, bieten Praktika, Abschlussarbeiten und gemeinsame Forschungsprojekte an. Wichtig ist uns, dass junge Menschen erleben: Technik bei TSA bedeutet Gestaltungsspielraum. Wer hier anfängt, hat reale Entwicklungschancen – im wahrsten Sinne des Wortes.
Welche Vision verfolgen Sie mit TSA in den kommenden fünf Jahren?
Unsere Vision ist klar: Wir wollen der bevorzugte Technologiepartner für nachhaltige elektrische Antriebe in Europa bleiben und zugleich Impulse für die globale E-Mobilität setzen.
Das heißt: stärkere Fokussierung auf Forschung und Engineering, Ausbau digitaler Entwicklungsprozesse und konsequente Internationalisierung unseres Servicegeschäfts. Wachstum um jeden Preis ist nicht unser Ziel. Wir wollen wachsen, weil unsere Technologie gefragt ist, nicht weil Märkte kurzfristig boomen. In fünf Jahren soll TSA noch innovativer, vernetzter und sichtbarer sein – technologisch an der Spitze, aber mit denselben Werten wie heute.
Welche Botschaft möchten Sie an die österreichische Industrie und Verkehrswirtschaft richten?
Ich wünsche mir mehr Vertrauen in die eigene industrielle Kompetenz. Österreich hat großartige Unternehmen, hochqualifizierte Menschen und eine starke technische Bildung. Wir sollten diese Stärken selbstbewusster ausspielen und in die Zukunft, also in Forschung, Digitalisierung sowie nachhaltige Produktion investieren.
Dazu kommt: Mobilität ist mehr als ein Motor. Sie ist Infrastruktur, Beschaffung und Service. Politische Rahmenbedingungen wie nachhaltige Beschaffungsregeln und die Unterstützung von Innovation und Fachkräfteausbildung sind jetzt gefragt, damit Österreich seine starke Rolle in der Schienen- und zunehmend in der städtischen Straßenmobilität behalten kann. Wenn Industrie, Politik und Bildung gemeinsam handeln, kann Europa im Bereich E-Mobilität nicht nur aufholen, sondern führen. Wir sind bereit, unseren Teil hierzu beizutragen.
