Der Fachverband Schienenbahnen der Wirtschaftskammer Österreich vertritt die Interessen der österreichischen Bahngesellschaften. Im Juni wurde Günter Neumann, Geschäftsführer der privaten Bahngesellschaft Stern & Hafferl, als neuer Obmann gewählt. Er bringt mehr als 30 Jahre Erfahrung im Bahnbereich mit und will sich besonders für stabile Rahmenbedingungen bei den privaten österreichischen Regionalbahnen einsetzen, wie er im Gespräch mit Verkehr betont.
„Ich komme selbst aus einem privaten Regionalbahnunternehmen und kenne die Herausforderungen im operativen Alltag sehr genau. Was mich auszeichnet, ist ein klarer Blick für das Machbare und ein leidenschaftliches Bekenntnis zur Schiene als Hebel für klimafreundliche Mobilität“, so der Bahn-Manager.
Mitgliedsunternehmen können von ihm erwarten, dass er sich mit aller Kraft für verlässliche Rahmenbedingungen, stabile Finanzierung und faire Wettbewerbsbedingungen für die Schiene einsetzt – besonders bei den Privatbahnen, die in vielen Regionen Österreichs das Rückgrat des öffentlichen Verkehrs darstellen.
Finanzierung und Nachwuchsförderung im Fokus
Der größte Schmerzpunkt liegt derzeit bei der Finanzierung im Bereich der regionalen Infrastruktur. Viele Anlagen sind überaltert, notwendige Investitionen bleiben aus. Gleichzeitig steigt die Zahl der Bahnfahrgäste, während die Unterfinanzierung spürbar wird – ein Widerspruch, der dringend behoben werden muss. Hinzu kommen politische Unsicherheiten in Österreich und auf EU-Ebene, die Klarheit und Planungssicherheit erfordern. Neumann benennt die Forderungen an die Politik klar: „Unsere zentrale Forderung ist: keine Kürzungen bei der Bahninfrastruktur. Der angekündigte Rotstift im mittelfristigen österreichischen Investitionsprogramm (MIP) sendet das falsche Signal sowohl wirtschaftlich als auch ökologisch und gesellschaftlich“.
Gerade jetzt brauche es in Österreich eine Offensive für Regionalbahnen, für mehr Angebotsqualität und Betriebssicherheit. Ein weiteres zentrales Anliegen ist die Nachwuchsförderung, die politisch unterstützt werden sollte. „Es ist sprichwörtlich fünf vor zwölf. Wir müssen rasch Maßnahmen setzen, um mehr Güter von der Straße auf die Schiene zu bringen“, sagt Neumann.
Einheitliche Rahmenbedingungen
Der klare Wunsch an die europäische Verkehrspolitik lautet: Schluss mit nationalen Alleingängen, her mit einem echten europäischen Bahnraum. Es brauche einheitliche Rahmenbedingungen – sei es bei Sicherungssystemen, Sprachen oder technischen Vorgaben. „Gleichzeitig sorgen die ständige Adaptierung und Inkrafttreten neuer Standards wie beispielsweise beim ETCS für eine große Belastung für die Branche, sowohl finanziell als auch was die mangelnde Planungssicherheit betrifft“, so Neumann weiter.
Die Schienenbahnen fühlen sich gegenüber der Straße wettbewerbsseitig benachteiligt. Neumann: „Die Straße wird vielerorts noch immer stärker gefördert als die Schiene sowohl investitionsseitig als auch steuerlich. Die Schiene trägt heute mehr von ihren Kosten selbst als jeder andere Verkehrsträger. Wir brauchen eine Umkehr: Nicht nur Gleichstellung mit der Straße, sondern eine klare Bevorzugung der Schiene sowohl aus ökologischer als auch wirtschaftlicher Sicht.“
Qualität, Investitionssicherheit und fairer Wettbewerb
Vergleicht Neumann das österreichische Bahnssystem mit anderen EU-Ländern, würde er die Schulnote zwei vergeben – also zweitbeste Note. „Wir sind beim Modal Split europaweit führend, haben mit dem Zielnetz 2040 einen klaren Plan für die Zukunft und ein gut ausgebautes Angebot. Aber: Es fehlt an Dynamik bei der Umsetzung, an Investitionssicherheit und an fairen Wettbewerbsbedingungen. Kontraproduktiv ist, wie bereits gesagt, die aktuelle Einsparungs- und sogar Einstellungsdiskussion. Wenn wir es jedoch schaffen, wieder mehr umsetzen zu können, ist die Note Eins greifbar.“
Immer wieder wird in Österreich über Regionalbahnen diskutiert und deren öffentliche Finanzierung in Frage gestellt. Diese Diskussion greift für Neumann zu kurz. Regionalbahnen generieren nicht nur betriebswirtschaftlichen, sondern vor allem volkswirtschaftlichen, ökologischen und gesellschaftlichen Nutzen. Sie sichern Arbeitsplätze, bieten Versorgungssicherheit, stärken den ländlichen Raum und entlasten die Umwelt. Eine Stilllegung wäre rückwärtsgewandt.
Im aktuellen österreichischen Regierungsprogramm stehen Budgetkürzungen für regionale Bahninfrastruktur zur Debatte. Die geplanten Kürzungen im mittelfristigen Investitionsprogramm betreffen die Infrastruktur der Privatbahnen. Das bedeutet konkret: Es fehlen Gelder für notwendige Sanierungen, was zu einem echten Rückschritt führen würde. Neumann: „Wir appellieren an die Bundesregierung, diese Entwicklung umgehend zu korrigieren.“
Die seit Jahren von der EU lancierte Schienenliberalisierung hält Neumann grundsätzlich für positiv. Leider sei sie bislang nicht von einheitlichen Rahmenbedingungen begleitet gewesen, was zu Ungleichgewichten zwischen nationalen Anbietern und neuen Marktteilnehmern führt. Ziel müsse es sein, echte Chancengleichheit und Planungssicherheit zu schaffen, statt eines Flickenteppichs an Regeln. Neumann: „Was man bei der Liberalisierung auch klar sagen muss und was wir gesehen haben, ist, dass sie immer wieder zu Qualitätsverlusten für die Fahrgäste geführt hat. Und das ist kontraproduktiv.“