Die Einnahmen aus Transitgebühren im Suezkanal sind infolge der Huthi-Angriffe um 60 Prozent eingebrochen. (Foto: AdobeStock / Hladchenko Viktor)
Durch den Suezkanal laufen zwölf Prozent des globalen Handelsvolumens und immerhin 60 Prozent des Europa-Asien-Handels. Zusätzlich fließt fast ein Fünftel des globalen Internetverkehrs durch Ägyptens Datenkabel. Das Land ist ein Nadelöhr des internationalen Handels- und Datenverkehrs – lebenswichtig für Europas Interessen. Seit 2011 ist das Land am Nil allerdings kein zuverlässiger westlicher Partner mehr.
Mit der Machtübernahme von Hosni Mubarak im Jahr 1981 wurde aus dem ehemaligen sowjetischen Alliierten Ägypten ein verlässlicher Partner des Westens. Im Frühling 2011 hat sich die Sichtweise der sicherheitspolitischen Elite in Kairo auf das Verhältnis zu den USA drastisch verändert: Die Obama-Administration hatte im Zuge des sogenannten „Arabischen Frühlings“ zugelassen, dass Präsident Mubarak von den Muslimbrüdern abgesetzt wurde. Washington wurde nicht mehr als verlässlicher Partner betrachtet. Nach der Wahl von Abdel-Fattah el-Sisi zum Staatspräsidenten im Jahr 2014 wurden die internationalen Beziehungen des Landes deutlich in Richtung Peking verschoben.
Chinesische Investitionen
Neben einer politischen Motivation gab es auch wirtschaftliche Gründe, näher an Peking heranzurücken. Die Wirtschaft des Landes war in einem desolaten Zustand. Ägypten ist bereits 2016 der chinesischen „Belt and Road Initiative“ beigetreten und gehört zu den Gründungsmitgliedern der von China dominierten Asia Infrastructure Investment Bank (AIIB). Zwei chinesische Unternehmen haben Anteile an den wichtigsten Häfen des Landes erworben: Cosco und Hutchison Ports, das auch am Panama-Kanal aktiv war. Cosco hält Anteile von 20 Prozent am Hafen von East Port Said, dem nördlichen Kanaleingang, und 25 Prozent am Ain Sokhna Port am südlichen Eingang. Hutchison hat in zwei Terminals am Mittelmeerhafen Alexandria und im Containerhafen Abu Qir investiert. Darüber hinaus dominieren chinesische Unternehmen die digitale Infrastruktur des Landes.
Nach der „goldenen Dekade“
Die wirtschaftliche Lage des Landes hat sich in der letzten Dekade jedoch nicht verbessert. Ende 2024 erreichte die Inflation 25 Prozent. Zusätzlich sind die Transitgebühren des Suezkanals wegen der Angriffe der Huthis auf Frachtschiffe im Roten Meer um 60 Prozent eingebrochen. Diese Gebühren machen immerhin fast fünf Prozent des ägyptischen BIP aus.
Auch die Diversifizierung der Wirtschaft hat sich aus ägyptischer Sicht verschlechtert: 2014 waren ungefähr ein Drittel der Exporte nach China Rohöl. 2022 ist dieser Anteil sogar auf mehr als die Hälfte angestiegen. Da China im Zuge seiner CO₂-Reduktionsziele in absehbarer Zeit deutlich weniger Erdöl importieren wird, sind jedoch auch diese Exporte gefährdet.
Bernhard Seyringer ist Analyst, Kolumnist und Experte für digitale Geopolitik.