„Jede nachhaltige und kosteneffiziente Supply Chain benötigt faire und verlässliche Regeln“, sagt Nitsch. (Foto: Siemens)
Die Basis der Supply Chains bei Siemens in Österreich ist die stabile Einbettung in ein globales Lieferketten-Netzwerk. Dieses umfasst interkontinentale, kontinentale, regionale und spezifische nationale Netze. In großen Städten gibt es darüber hinaus Citylogistiklösungen. „Damit werden alle Aspekte einer modernen, effizienten und nachhaltigen Logistiklösung abgedeckt. Inhaltlich werden hier die logistischen Funktionen Transport, Lagerung, Umschlag, Verpackung, Verzollung etc. geregelt“, erzählt Niklas Nitsch, Leiter der strategischen Konzernlogistik bei Siemens CEE gegenüber Verkehr.
Eine globale und einheitliche Supply-Chain-Strategie bildet in diesem Zusammenspiel die Klammer für die Realisierung einer nachhaltigen und stabilen Logistik im Interesse der Siemens-Kunden. Die Eckpfeiler der industriellen Logistikstrategie sind Digitalisierung und Automatisierung. Dazu zählen etwa der Einsatz von IoT, KI und Datenanalyse zur Optimierung von Routen, Beständen und Prozessen. Auch die Reduktion des CO₂-Fußabdrucks durch optimierte Transportwege und umweltfreundliche Logistiklösungen spielt eine wichtige Rolle in der Siemens-Industrielogistik.
Nachhaltigkeit wird durch verschiedene Initiativen wie etwa den Net-Zero-Pathway oder die Carbon Web Assessment Initiative forciert. Nitsch, der auch als Funktionär in der Fachgruppe Spedition und Logistik in der Wirtschaftskammer Wien tätig ist, präzisiert: „Mit diesen Initiativen wollen wir gemeinsam mit unseren Lieferanten die Reduktion des CO₂-Fußabdrucks unserer und deren Supply Chain erreichen.“ Wichtige Pfeiler sind zudem effizientes Ressourcenmanagement sowie Resilienz- und Supply-Chain-Risk-Management. Gemeint ist der Aufbau robuster Lieferketten zur Minimierung von Risiken und Sicherstellung der Lieferfähigkeit in Krisenzeiten. Das alles soll einen Mehrwert für die Kunden schaffen, nämlich Prozesse optimieren, Kosten senken und pünktlich sowie zuverlässig beliefern. Damit verbunden ist auch ein Wettbewerbsvorteil, betont Nitsch: „Eine agile und innovative Logistik verleiht Siemens einen besonderen Stellenwert bei unseren Kunden.“
Klare Regeln für Dienstleister
Logistik ist eine strategische Kernkompetenz: Die Steuerung der operativen Logistik wird von Siemens selbst durchgeführt. Die Umsetzung der logistischen Aufgaben wie Transport, Lagerung oder Verpackung wird an professionelle Dienstleister ausgelagert. Diese werden über standardisierte Prozesse ausgewählt; zur Qualitätssicherung wird deren Performance laufend evaluiert.
Die Wahl der Verkehrsträger erfolgt auf Basis folgender Kriterien: Transportempfindlichkeit der Waren, Dringlichkeit sowie geografische und klimatische Bedingungen. Gelebte Nachhaltigkeit ist Teil der Siemens-DNA, daher wird bei jedem Transport die ökologische Komponente berücksichtigt und fließt in die Entscheidung mit ein. Nitsch: „Die ökonomische Komponente ist bei der Transportvergabe zwar sehr wichtig, die Basis für den Einsatz aller Dienstleister sind aber Qualität und Verlässlichkeit. Alle Ausschreibungen der Logistik erfolgen anhand standardisierter und für alle Teilnehmer geltender ‚Eingangskriterien‘, die von allen Dienstleistern bei der Angebotsabgabe bestätigt und bei jeder Leistungserbringung eingehalten werden müssen.“
Fairer Wettbewerb
Nitsch erklärt weiter: „Alle bei einer Ausschreibung eingeladenen Dienstleister müssen für die angefragten Leistungen dieselben Vorgaben in kaufmännischer, technischer und fachlicher Sicht sowie Qualitätsanforderungen und Standards erfüllen. Diese werden im Vorfeld kommuniziert, besprochen und durch Siemens überprüft.“ Somit ist die Vergabe von Logistikdienstleistungen an eindeutige, im Vorfeld kommunizierte und transparente Richtlinien und Vorgaben gebunden. Nur so sei gewährleistet, dass vergleichbare Angebote gelegt werden und der Wettbewerb fair und transparent erfolgt.
Die Auftragsvergabe erfolgt sodann mittels standardisierter Verträge mit zumeist globaler Geltung, in denen die Zusammenarbeit mit dem Dienstleister detailliert geregelt ist.
Globale Netzwerke und politische Rahmenbedingungen
Siemens hat globale Transportnetzwerke mit Fallbacklösungen aufgebaut, die laufend an sich verändernde regionale und globale Einflüsse schnell und effizient angepasst werden. „Wir haben eine große Zahl von Supply-Chain-Anforderungen, daher kann man nicht nur von einer Supply Chain sprechen“, so der Leiter der Konzernlogistik. Je nach Aufgabe gibt es zum Beispiel Werks-, Projekt-, Service- oder Ersatzteillogistik. Das Anforderungsprofil dieser Supply Chains ist unterschiedlich und differiert stark. Laufend aktive Anpassungen sind hier von großer strategischer Bedeutung.
Die großen Herausforderungen in der Industrielogistik sind der Mangel an gut ausgebildetem Fachpersonal in allen Bereichen der Logistik, die spürbare Verknappung von Transportkapazitäten und die merkliche Zunahme bürokratischer Anforderungen durch stetig verschärfte Regelungen, wie etwa Änderungen im österreichischen Zollsystem.
Jede stabile, nachhaltige und kosteneffiziente Supply Chain benötigt faire, transparente und verlässliche Regeln und Gesetze, um die Logistik für alle Nutzer erschwinglich zu gestalten. Hier sind nicht nur die verkehrspolitische Komponente, sondern auch die Auswirkungen auf die Volkswirtschaft zu betrachten. Nitsch: „Jede Verteuerung des Verkehrssektors, sei es durch höhere Abgaben, sei es durch verschärfende Gesetze, die den bürokratischen Aufwand erhöhen, hat einen direkten, negativen Einfluss auf Inflation und Wirtschaftswachstum.“ Verkehrs- und wirtschaftspolitisch sollten daher bei gesetzlichen Regelungen und Vorgaben zuvor deren Auswirkungen auf die Wirtschaftsbeteiligten überprüft werden, wünscht sich Nitsch an die Adresse der politisch Verantwortlichen.
Eine Belastung der europäischen Wirtschaft aufgrund steigender bürokratischer Regeln erhöhe nicht nur den Aufwand bei allen Wirtschaftsbeteiligten in Europa, sondern eröffne im Gegenzug auch einen Wettbewerbsvorteil anderer Wirtschaftsregionen. Hier verweist Nitsch auf das „Lieferkettengesetz“, das 2023 in Deutschland in Kraft getreten ist und dessen Auswirkungen bereits spürbar sind.
