Verkehr: Die Nachfrage nach Luftfracht ist enorm. Können wir von einem Boom ih Ihrer Branche sprechen?
Peter Gerber: Nein, wir können nicht über einen Boom sprechen, wir haben derzeit eine Situation außergewöhnlicher Konjunktur aufgrund eines brutalen Mangels. Als Lufthansa Cargo haben wir 50 Prozent unserer Kapazität verloren, weil die meisten Passagierflugzeuge mit Belly-Kapazität der Lufthansa Gruppe nicht in Betrieb sind. Der Markt ist zusammen geschrumpft. Es ist zudem eine operative Herausforderung für uns, die Schwierigkeiten sind enorm. Viele Nationen haben jetzt andere Regeln, zum Beispiel bei den Einreise Vorschriften. Alles ändert sich sehr schnell. Aber warum Lufthansa Cargo in der Lage ist, mit allen Flugzeugen zu fliegen, das basiert auf unseren Mitarbeitern, die tagtäglich eine Spitzenleistung abliefern. Sie machen einen tollen Job. Unsere gegenwärtigen Frachtraten sind angemessen. Diesbzgl. muss man bedenken, dass die globale Frachtkapazität begrenzt ist und wir einen erhöhten Aufwand bei der Planung und Durchführung von Flügen haben.
Wird diese starke Nachfrage noch einige Zeit anhalten?
Gerber: Nein, das können wir überhaupt nicht sagen. Wir wissen nicht, wann die Belly-Kapazität wieder verfügbar ist, wie wird sich die Nachfrage generell fortsetzen? Die Wirtschaft in Europa schwächt sich ab. Eine Fabrik nach der anderen schließt. Wenn nichts produziert wird, können wir es ja auch nicht transportieren. Wir sehen jetzt wieder eine starke Nachfrage in China. Aber die Situation bleibt extrem volatil. Einfach niemand weiß, wie das weitergeht. In Bezug auf unsere Geschäftstätigkeit schwankt es zudem auch in unseren Hauptmärkten.
Aber das Gesamtbild für Cargo, das Image, hat sich jedoch stark verbessert. Können Sie diese benutzen positive Dynamik für Ihr Unternehmen nutzen?
Gerber: Ich hoffe es sehr. Wir als Lufthansa Cargo haben immer darüber nachgedacht, das wir systemrelevant für die Gesellschaft sind. Ich erinnere mich nach der Vulkankrise, als der Flugverkehr in Europa zum Stillstand kam, haben wir auch eine ziemlich starke Nachfrage gesehen. Jeder versteht jetzt, wie wichtig Luftfracht sein kann. Grundsätzlich beschleunigt sich die Welt. Aber wir müssen Entscheidungen auf einer tagtäglichen Basis treffen. Wir können nicht sagen, wann haben wir das letzte Mal eine solche Krise gesehen? Diese Krise ist anders.
Wie wirkt sich die gegenwärtige Situation auf Ihre Flottenplanung aus?
Gerber: Wir betreiben sechs MD-11 F und sieben Boeing 777 Frachter. Außerdem haben wir Zugriff auf vier Boeing 777F von Aerologic, ein Joint Venture zwischen DHL Express und Lufthansa Cargo. Unser ursprünglicher Plan war es, die MD-11-Flotte bis zum Ende des Jahres auslaufen zu lassen. Dann, vor einigen Wochen, haben wir geprüft, ob wir sie früher stilllegen, da die Nachfrage nicht gut war. Jetzt behalten wir sie bis Ende 2020. In Bezug auf unsere Boeing 777F Flotte: Hierfür sind dieses Jahr zwei weitere Flugzeuge zur Auslieferung geplant. Aber mal sehen, wie die finanzielle Situation sein wird. 2019 war kein sehr gutes Jahr. Wir konnten einen kleinen Gewinn von rund einer Million Euro erzielen, weil die Nachfrage ins Stocken geriet. Mit so einem Ergebnis kann niemand zufrieden sein. Wir machen Entscheidungen auf täglicher Basis, und prüfen permanent wie wir mit dieser Krise umgehen können. Auch bei Lufthansa Cargo werden wir Kurzarbeit zu einen angemessenen Prozentsatz einführen.
Fluggesellschaften auf der ganzen Welt setzen Passagierflugzeuge ein und transportieren Fracht mittels Belly-Kapazität aber auch in den Kabinen. Ist das wirtschaftlich sinnvoll?
Gerber: Die letzten Frachtschiffe aus China sind schon lange an ihren Zielen angekommen. Und deshalb ist es zu spät, etwas über China mittels Seefracht zu bekommen. Deshalb besteht Bedarf an Passagierflugzeugen für den Güterverkehr. Luftfrachtkapazitäten insbesondere ab China sind extrem selten. Wir wollen helfen und fliegen deshalb Passagierflugzeuge als Charter. Wir wissen, dass dies ein besonders teurer Weg ist für den Frachttransport, da das Passagierflugzeug nur ein Viertel der Fracht transportieren kann zu etwa den gleichen Kosten. Aber wir arbeiten Tag und Nacht an Effizienzmaßnahmen, um Kosten zu senken und unsere Kunden mit besseren Preisen zu versorgen. Es geht um medizinische Geräte, die dringend benötigt werden und wir versuchen die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Aber nur Fracht transportieren mit Passagierflugzeugen, das kann keine dauerhafte Aktion sein.
Die Krise wird die Luftfahrtindustrie verändern. Auch ihre Muttergesellschaft Lufthansa. Auch Lufthansa Cargo?
Gerber:Es ist sehr schwer zu sagen. Wir hatten ein sehr schwieriges Jahr 2019 und haben die Hebel zum Downsizing angesetzt. Wir sind sehr stark in Richtung Effizienzerhöhung unterwegs. Und wir bleiben dabei, Reduzierung der Flotte. Wir haben immer Anpassungen bei der Kapazität an den Bedarf gemacht. Und die aktuelle Situation macht es nicht einfacher, weil die Märkte und die Nachfrage extrem schwanken. Die aktuellen Märkte kennen wir so nicht mehr. Wie wird sich die Globalisierung entwickeln? Wird diese langsamer? Vorsicht mit Zuversicht, das ist ein guter Berater heute.
Die Seidenstraße wurde zu einem sehr modernen Thema in der Welt der Logistik. Zugverbindungen zwischen China und Europa sind nichts Neues. Wie sehen sie diese Art von Transport heute?
Gerber:Ich denke, deren weitere Entwicklung wird verzögert, die Barrieren zwischen den Grenzen einzelner Länder in Bezug auf die Corona Krise müssen wieder verschwinden. Heute ist es für uns schon nicht einfach Luftfracht zu transportieren, damit können sie sich vorstellen, wie schwierig es für den Bodentransport sein könnte. Auch der Kampf gegen Corona wird viel Geld kosten, und dies könnte dazu führen, dass einige Projekte nicht mehr realisiert werden.
Haben Sie wünsche an die Politik?
Gerber: Ich muss sagen, die Arbeit mit unserer Politik läuft sehr gut. Es gibt eine große Bereitschaft, die Probleme schnell zu lösen. In Europa sind wir kurz davor den Höhepunkt der Krise zu erreichen. Die große Herausforderung wird sein, wie wir Raus aus der Krise kommen. Wir stehen in regelmäßigem Kontakt mit Behörden und Politikern. Persönlich möchte ich sagen: Wenn wir alle zusammenarbeiten, werden wir es schaffen diese Krisen zu überwinden. Ein bisschen Vertrauen, im Zentrum der Krise ist wichtig.