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„Wir würden gerne mehr Verkehr auf die Schiene verlagern“

Foto: Mosolf
Mosolf ist ein Automobillogistiker mit 4PL-Fähigkeit, sagt Jörg Mosolf, ­Vorstandsvorsitzender der Mosolf-Gruppe.
Foto: Mosolf

Mosolf konnte das beste Jahr seiner Firmengeschichte ­verzeichnen. Verkehr sprach mit Jörg Mosolf, Vorstandsvorsitzender der Mosolf-Gruppe, über Marktumfeld, Expansion und Blockchain.

von: Josef Müller

Verkehr: Wie lief das Jahr 2018 für Mosolf?
Jörg Mosolf:
2018 war das beste Jahr in der Firmengeschichte. Erstmalig haben wir einen Umsatz von mehr als 400 Millionen Euro erreicht. Das liegt zum einen an den getätigten Übernahmen, andererseits aber auch an unserer Wachstumsstrategie.

Welche Leistungen haben Sie im Angebot?
Mosolf:
Unsere Dienstleistungen sind in fünf Business Units unterteilt: Releasing Solutions, Transport Solutions, Logistics & Services, Retail Solutions und Sonderfahrzeugbau. Als Releasing Agent unterstützen wir die Werkslogistik mit maßgeschneiderten Lösungen: Wir übernehmen ab Bandende die kompletten logistischen Abläufe, beginnend bei der Qualitätskontrolle der Fahrzeuge, Übergabe an den Transportdienstleister, Lagermanagement in den Logistikzentren und das gesamte Transportmanagement. Transport Solutions besteht aus einem Netzwerk von Partnern sowie der Integration von Verkehrsträgern, um eine Gesamtlösung für europaweite intermodale Direktverkehre zu realisieren. Logistics & Services steht für ein breites Portfolio an Dienstleistungen für Neu- und Gebrauchtfahrzeuge, wie beispielsweise Werkstattdienstleistungen, Inspektion, Wartung, Lackierung, Aufbereitung etc. Mit Retail Solutions bieten wir maßgeschneiderte Lösungen für Autohäuser jeglicher Größe. Beim Fahrzeugsonderbau machen wir Ein-, Auf- und Umbauten für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS), Handwerk und Flotten-betreiber sowie Sonderserien für Automobilhersteller und Händler. Auch übernehmen wir Umrüstungen von Fahrzeugen auf alternative Antriebstechniken sowie Rückrüstungsaufgaben.

Was sind die zentralen Herausforderungen in der Automobillogistik in Zeiten von Industrie 4.0, Digitalisierung und KI?
Mosolf:
Es sind Strukturveränderungen unterschiedlichster Couleur zu beobachten - zum einen die zunehmende Urbanisierung. Die Kunden in wachsenden urbanen Gebieten haben dabei neue Anforderungen und Wünsche, welche etablierte Geschäftsmodelle herausfordern. Geschäftsmodelle, die auf digitalen Grundlagen beruhen, gewinnen zunehmend an Bedeutung und beschleunigen die Marktentwicklung. Die zentrale Herausforderung dabei ist, die richtigen Technologien für sich zu identifizieren und vorauszusagen, welche sich davon durchsetzen werden. Auch müssen die Technologien im direkten Zusammenhang mit unseren Dienstleistungen stehen und diese weiterentwickeln oder neue Geschäftsfelder innerhalb unserer Kernkompetenzen schaffen. Wir investieren nur in Dinge, die unseren Kunden und uns einen Nutzen bringen. Ein Beispiel ist unsere erste Blockchain, die im Jänner gestartet wurde. Sie dient der fälschungssicheren Dokumentation von Frachtpapieren. Diese werden mit sämtlichen Informationen aus unserem Telematiksystem gespeist und in die Blockchain geschrieben, um unveränderlich belegen zu können, wann welches Auto wo war und wann es zugestellt wurde. Dies ist ein erster Schritt, neue Technologien für den Kunden und uns sinnvoll nutzbar zu machen.

Mosolf ist nach Frankreich expandiert. Sind Sie in Österreich mit einer Niederlassung präsent?
Mosolf:
Österreich ist ein wirklich sehr schönes Land. Einen eigenen Standort betreiben wir dort aktuell aber nicht.

Die Leistungen beginnen beim Bandende und enden beim Recycling. Wie sieht die Logistik vom Anfang bis zum Ende des Autolebens aus?
Mosolf:
Vereinfacht gesagt übernehmen wir die produzierten Neufahrzeuge ab Bandende, transportieren die Fahrzeuge entweder direkt zum Bestimmungsort oder verwahren die Fahrzeuge auf unseren Compounds. In letzterem Fall werden die Fahrzeuge üblicherweise vor Abruf durch den Handel verkaufsfertig vorbereitet und ausgeliefert. Für Gebrauchtfahrzeuge ist der Prozess etwas umfangreicher. Die Fahrzeuge werden zum Beispiel beim Vermieter abgeholt und zu unseren Standorten gebracht. Dort werden die Fahrzeuge bewertet, gelagert und vor Abruf durch den Kunden entsprechend den Wünschen instandgesetzt, verkaufsfertig aufbereitet und dann zum nächsten Bestimmungsort gebracht. So wiederholt sich der Prozess in der Regel bis zum Recycling der Fahrzeuge.

In welchen Ländern ist Mosolf tätig?
Mosolf:
Neben unseren Standorten in Deutschland haben wir zwei Standorte in Frankreich mit Hambach und Paris/Vatry, einen in Zeebrugge, drei Standorte in Mszczonów, Gdynia und Bytom sowie einen Standort in Tschechien in Dobrovice. Wir haben sämtliche Hersteller als Kunden und darüber hinaus Vermietgesellschaften, Flottenbetreiber und Wiedervermarkter. In unseren Technik- und Logistikzentren lagern wir rund 190.000 Neu- und Gebrauchtfahrzeuge und bieten Lagerservices wie Batteriepflege, Sichtkontrollen oder Reifenprüfungen an. Außerdem haben wir auf insgesamt 120.000 m² Werkstattfläche sowohl Servicedienstleistungen wie Inspektion, Wartung, Fahrzeugeinbauten, Flottenbeklebung, Bewertung, Lackierung, Mechanik- und Karosseriearbeiten, SMART-/SPOT-Repair, Verkaufsfotos uvm. im Angebot.

Wie werden die verschiedenen Verkehrsträger (Lkw, Bahn und Schiff) genutzt?
Mosolf:
Der Einsatz der Verkehrsträger ist abhängig von der Strecke, dem Volumen, den Absatzgebieten und auch den Verfügbarkeiten sowie dem Schienennetz der Bahn. Nach wie vor ist der Lkw das flexibelste und schnellste Verkehrsmittel. Mit den Binnenschiffen "Terra" und "Terra 2" befördern wir mehrmals wöchentlich Pkw und Nutzfahrzeuge nach Rotterdam sowie Antwerpen und wieder retour. Unsere Waggons transportieren Fahrzeuge europaweit. 79 Prozent der Autos werden mit dem Lkw, 20 Prozent mit der Bahn und 1 Prozent mit dem Schiff befördert. Aus ökologischen und logistischen Gründen würden wir gerne mehr Verkehr auf die Schiene und das Schiff verlagern. Dies ist aber aufgrund einer fehlenden oder mangelhaften Infrastruktur nicht möglich.

Wie viele Autos transportiert Mosolf pro Jahr?
Mosolf:
Rund drei Millionen Fahrzeuge.

Ist Mosolf ein Speditionsunternehmen oder ein Logistiker mit 4PL-Anspruch?
Mosolf:
Ich finde den Begriff "Automobillogistiker mit 4PL-Fähigkeit" treffender. Mosolf ist ein traditionsreiches und international agierendes Speditions- und Logistikunternehmen, das in der Leistungserbringung eigene Lkw, Waggons, Schiffe, Logistikplätze und Mitarbeiter einbringt. Die allgemeine Bezeichnung dafür ist "3PL". Mosolf kann aber auch 4PL, also komplexe logistische Systeme und Abläufe für Unternehmen ganzheitlich koordinieren, ohne dafür eigene Assets einzusetzen. Also können wir letzten Endes beides.

Welche Pläne gibt es für 2019?
Mosolf:
2018 haben wir Rekordinvestitionen getätigt und uns verstärkt. Wir haben unsere Beteiligung an der AFG Allgemeine Fahrzeugübernahme Gesellschaft mbH mit Sitz in Rüsselsheim von 22 auf 100 Prozent aufgestockt. Für uns ist das logisch, weil die AFG als Releasing Agent die Fahrzeuge in den Werken übernimmt - einschließlich IT-Dienstleistungen. Dadurch erreichen wir eine noch stärkere Vernetzung mit den Fahrzeugherstellern und können unsere bisherige Releasing-Agent-Tätigkeit dort mit einbringen. Die größte Einzelinvestition in unserer Geschichte war aber die Übernahme der Autokontor Bayern mit sieben Standorten in Deutschland sowie 150 Lkw. Damit haben wir nicht nur unser Netzwerk stärken können, sondern gewinnen auch viel Know-how im Gebrauchtwagen- und Flottengeschäft, auf das sich die AKB spezialisiert hat. 2019 konzentrieren wir uns auf den Transport von Neufahrzeugen von Europa nach China per Bahn. Dazu gründen wir gerade eine chinesische Tochtergesellschaft in Chengdu. Wir erwarten, dass wir noch in der ersten Jahreshälfte 2019 Fahrzeuge mit Mosolf-Waggons nach China verfrachten können.

Wie präsentiert sich aktuell das Marktumfeld und die Wettbewerbssituation?
Mosolf:
Wir sehen auch eine zunehmende Konsolidierung in der Logistikbranche mit diversen Übernahmen und Zusammenschlüssen. Wir verfolgen ganz klar das Ziel, unabhängig zu bleiben und zu wachsen. Bis 2025 soll unser Umsatz auf 600 Millionen Euro steigen. Wir sind dafür sehr gut aufgestellt - nicht nur auf der logistischen, sondern auch auf der technologischen Seite.

Vielen Dank für das Gespräch!


Dieses Interview erschien in der Ausgabe VK 5/2019.


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