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„Die Folgen der Krise werden wir erst in einigen Monaten sehen“

Foto: Alexander Winter
DB Schenker will emissionsneutral oder sogar emissionsfrei werden, erklärt Winter. Dazu setzt das Unternehmen unter anderem auf Photovoltaikanlagen, die ­Verlagerung auf die Schiene und die Elektrifizierung der Flotte, so der CEO.
Foto: Alexander Winter

DB Schenker in Österreich und Südosteuropa floriert, wie CEO Alexander Winter erklärt. Ein Gespräch über den 150. Geburtstag des Unternehmens, Elektromobilität, Modal Split und Russlands Krieg gegen die Ukraine.

150 Jahre DB Schenker – das ist ein guter Punkt, um über vergangene Erfolge nachzudenken. Was waren die größten Meilensteine in der Geschichte von DB Schenker?
Alexander Winter:
Der erste Meilenstein wurde definitiv vor 150 Jahren gelegt, als Gottfried Schenker die Schenker und Co in Wien gründete. Seine Vision war es, den Transport von Stückgut, also kombinierte kleinere Sendungen, innerhalb von Europa anzubieten. Er wollte Stückgutverkehre per Bahn zwischen Wien und Paris etablieren, was er auch geschafft hat und was dann den nächsten Meilenstein markierte. Das Netzwerk in Europa hat sich seitdem natürlich immens ausgeweitet und jede Verbindung ist ein Meilenstein für sich. Hier waren der Schritt nach Deutschland – inklusive Ausbau des dortigen Netzwerks –, die Ausweitung in Richtung Osten nach dem Zweiten Weltkrieg und die Wiederaufnahme der Niederlassungen in Südosteuropa nach der Ostöffnung sehr wichtig.

Spannend, dass hier von Anfang an auf die Bahn gesetzt wurde – Stichwort Modal Split.
Winter:
Es war zu der Zeit nicht selbstverständlich, dass man Lkw und Bahn kombiniert – und das lange bevor das Thema „Nachhaltige Logistik“ schlagend wurde.

Das Tätigkeitsfeld des Unternehmens hat sich seitdem auch sehr ausgeweitet. Womit hat es begonnen und wie hat sich das entwickelt? Welche Geschäftsfelder erleben einen Boom?
Winter:
Nach der Etablierung und Ausbau des europäischen Landverkehrs hat das Unternehmen nach dem Zweiten Weltkrieg erste Schritte in Richtung USA und ab den 1970er-Jahren Richtung Asien gesetzt, wo wir unsere Netzwerke auf- und ausgebaut haben. So haben sich dann die Bereiche See- und Luftfracht sehr stark entwickelt – beide sind jetzt wichtige Standbeine für unser Gesamtportfolio. Unsere Seefracht für Österreich wickeln wir eher über die Nordhäfen ab, weil da die Vor- und Nachlauf-Möglichkeiten besser ausgebaut sind. Wobei ich auch sagen muss, dass sich die Verbindungen zu den Südhäfen, vor allem Koper und Triest, in den letzten Jahren sehr gut etabliert haben. Für die Luftfracht nutzen wir primär die Flüghäfen in Wien, Frankfurt und speziell für Südosteuropa auch Budapest. Im Zuge der Transportlösungen hat sich dann auch das Geschäftsfeld Kontraktlogistik entwickelt. Wir haben begonnen, für unsere Kunden Lagerlogistiklösungen aufzubauen und auf dem Markt zu etablieren.

Parallel zu den Geschäfts­feldern hat sich auch der Umsatz prächtig entwickelt.
Winter:
Definitiv. 2021 hatten wir einen guten Umsatz und konnten Steigerungen in fast ­allen Bereichen verzeichnen, vor allem was den Umsatz angeht. Die Preissteigerungen ­haben dazu natürlich das ihre beigetragen. Der europäische Landverkehr ist hier immer noch der größte Umsatzbringer und macht etwa 60 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Wir haben auf dem Landweg 7,8 Millionen Sendungen organisiert. Auf dem Seeweg konnten wir 181.399 TEU und auf dem Luftweg 77.562 Tonnen transportieren. Wir investieren aber einen großen Teil der Einnahmen in die heimische Infrastruktur. Wir haben zehn Millionen Euro für die Erweiterung des Standorts in Hörsching investiert, fünf Millionen für ein neues nachhaltiges Logistiklager in Klagenfurt. Und wir sind auch dabei, unseren Standort in Vorarlberg auszubauen.

2022 ist aber sehr krisenge­beutelt – rechnen Sie heuer mit ­einem gleichen Umsatz wie in den Jahren zuvor?
Winter:
Bislang entwickelt sich der Umsatz stabil und wir rechnen damit, dass das heuer auch so bleiben wird – aber eher bedingt durch Kostensteigerungen. Die Volumina stabilisieren sich auch mittlerweile. Die Folgen der Krise werden wir aber erst in einigen Monaten sehen können.

Eine Folge des Kriegs in der ­Ukraine sind die gestiegenen Energie- und Dieselpreise. Wie gehen Sie mit diesen Mehr­kosten um?
Winter:
Wir haben uns grundsätzlich daran gewöhnt, dass es speziell beim Dieselpreis immer wieder zu Schwankungen kommt, weshalb wird im Preis flexible Modelle eingebaut haben – so können wir die gestiegenen Mehrkosten größtmöglich an unsere Kunden weitergeben.

Kommen wir kurz zu Südost­europa. Wie entwickelt sich das Geschäft dort? Gibt es Expansionpläne in der Region?
Winter:
Auch diese Region entwickelt sich eigentlich sehr gut, ähnlich wie Österreich. Hier kommt uns Nearshoring wirklich zugute, da Produktionen langsam wieder nach Europa geholt werden, und hierfür ist Südosteuropa fast prädestiniert. Besonders Tschechien, Serbien, Rumänien und Ungarn haben sich in den letzten Monaten – aber eigentlich auch Jahren –sehr gut entwickelt. Expansionspläne haben wir in der Kau­kasus-Region. Wir haben letztes Jahr eine Niederlassung in Tiflis in Georgien eröffnet und hegen Pläne für weitere Niederlassungen in der Region in den nächsten Jahren. Wir bauen aber auch unsere bestehende Infrastruktur aus und haben beispielsweise erst vor Kurzem unser neues Terminal in Ljubljana eröffnet; auch in Prag und Liberec bauen wir aktuell aus, um die Infrastrukutr sozusagen up to date zu halten.  

Wie sieht es eigentlich mit dem Thema Modal Split in der Region Südosteuropa aus?
Winter:
Das Schienennetz in der Region ist leider noch nicht so ausgebaut, wie wir das aus Westeuropa gewöhnt sind; aber wir versuchen nichtsdestotrotz, dieses Netz zu nutzen und möglichst viele Güter per Bahn zu transportieren. Die großen Metropolen dieser Region wie Belgrad oder Budapest haben natürlich besser ausgebaute Netze, und somit können wir die Schiene in die Transportkette einbauen. Wir arbeiten da auch stark mit Wechselaufbauten, Containern und Aufliegern.

In den letzten Jahren wurde viel über alternative Antriebe bei Nutzfahrzeugen geredet. Wie gehen Sie mit dem Thema um?
Winter:
Wir setzen schon stark auf den Elektroantrieb, vor allem auf der letzten Meile, weil wir gelernt haben, dass die Reichweite noch relativ limitiert ist. Wir haben ambitionierte Ziele in diesem Bereich und wollen CO2-neutral oder sogar -frei werden – zumindest in den Metropolen. Wir haben letztes Jahr erstmalig fünf FUSO eCanter in Österreich in Wien, Graz, Hörsching und Innsbruck eingesetzt. Wir wollen langfristig ­unsere gesamte Flotte elektrifizieren. Wir erproben auch andere alternative Antriebe wie Gas, aber hier ist die Unterstützung seitens der österreichischen ­Regierung sehr überschaubar. Übrigens: Wir versuchen auch unsere Luftfrachttransporte möglichst nachhaltig zu gestalten und setzen auf ­Bio-Treibstoffe, die sogenannten Sustainable Aviation Fuels oder SAF. Hier arbeiten wir mit Lufthansa Cargo zusammen und ­organisieren gemeinsam emis­sionsneutrale Flüge von Frankfurt nach Shanghai. Waren aus Europa mit Zielland China versuchen wir möglichst mit dem China-Zug, den wir gemeinsam mit DB Cargo organisieren, zu transportieren – im Jahr schaffen wir so 100.000 TEU.

Vielen Dank für das Gespräch!


Dieses Interview erschien ursprünglich in der Ausgabe 23-24/2022.


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