Um 6 Uhr ist für Markus Jung Arbeitsbeginn. Die Post kommt in die Zustellbasis in der Lützowgasse im 14. Bezirk in Wien, Jung sortiert sie und erfasst die bescheinigten Briefsendungen (RSa usw.). Zwischen 8.30 und 9 Uhr geht es dann los zum Zustellen. Was Jung von den meisten anderen seiner Kollegen unterscheidet: Ihm steht dafür mit dem Renault Kangoo Z.E. eines von derzeit 18 Elektroautos zur Verfügung, das die Post österreichweit im Probebetrieb hat.
Liebe auf den zweiten Blick
Am Anfang war Jung nicht gerade begeistert. "Ich habe mich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, als ich gehört habe, dass ich ein Elektroauto bekommen soll. Was der Bauer nicht kennt …", schmunzelt er. Die Umstellung sei am Anfang groß gewesen: Der linke Fuß ist ständig ins Leere getappt, weil er kuppeln wollte; die Hand suchte ständig vergeblich nach dem Schalthebel. Die größte Umstellung war hingegen die fehlende Geräuschkulisse. "Am Anfang war es ein Horror, weil ich den Motor nicht gehört habe", erzählt er. "Man steht, man fährt. Beide Male ist nichts zu hören." Inzwischen genießt er als laut Eigendefinition geräuschempfindlicher Mensch die Ruhe, die beim Fahren nur durch Rollgeräusche der Reifen unterbrochen wird. Und elektrische Fensterheber oder Zentralverriegelung sind Features, die sonst bei Zustellfahrzeugen der Post nicht vorhanden sind, aber für Komfort sorgen.
Die Reichweite von rund 80 km pro Batterieladung ist für ihn völlig ausreichend, schließlich kommt er auf knapp 20 km pro Schicht. "Bei Schlechtwetter, wenn man Licht und Scheibenwischer braucht, Heizung und Gebläse einschalten muss, damit die Scheiben nicht anlaufen, dann geht die Ladeanzeige rasch zurück. Aber es ist nicht so, dass man denkt: ‘Bei der nächsten Ecke bleibe ich liegen.’", erzählt Jung. Vom Fahrverhalten her sieht er keinen großen Unterschied zwischen Elektro- und einem herkömmlichen Fahrzeug. Von unten heraus habe der Kangoo Z.E. viel Kraft, lediglich im energiesparenden Eco-Modus "quält sich der Wagen ein bisschen beim Anfahren". Wie sich der Wagen mit seiner gelegentlich etwas ruppigen Kraftübertragung im Winter auf Schneefahrbahn bewähren wird, das wird sich noch zeigen. Schließlich ist der Kangoo Z.E. erst seit März im Dauerprobebetrieb.
Kangoo vs. Berlingo
Neben zehn Kangoo Z.E. hat die Post auch acht elektrische Citroen Berlingo im Einsatz. Muss Jung einmal mit diesem Wagen fahren, dann hat er "ein bisschen Bauchweh". Schließlich ist er mit diesem Wagen schon liegengeblieben. "Einmal bin ich nicht mehr aus der Waschstraße gekommen. Die Feuchtigkeit dürfte der Elektronik nicht gut getan haben. Erst als alles wieder trocken war, konnte ich weiterfahren." Außerdem sei der Wagen deutlich lauter und weniger bedienungsfreundlich, stellt er fest. Und dass die Heizung mit Benzin funktioniert, findet er auch nicht optimal. "Die Leute lachen mich aus, wenn ich mit einem Elektroauto zur Tankstelle fahre. Da ist dann der Ökobonus gleich beim Teufel", grinst Jung. Beim Kangoo Z.E. hingegen werde er immer noch ständig angesprochen. "Es heißt: ‘Ah, ihr macht etwas für die Umwelt. Sehr brav!’ Andere wollen wissen, wie er sich fährt. Eine junge Mutter fand ihn einfach nur süß. Kurz: Der Wagen ist extrem sympathisch."
Zufriedener Fahrer, zufriedene Kunden – was will man mehr? Zum Beispiel einen zufriedenen Fuhrparkchef! Und auch den hat die Post. Roman Chrappa hat durch die Bank sehr gute Erfahrungen mit den Elektrofahrzeugen gemacht. Allerdings gibt er zu bedenken, dass es bei niedrigeren Temperaturen – und wir sprechen hier schon von plus fünf Grad Celsius abwärts – derzeit noch Probleme beim Laden gibt. Dadurch werde zwar die Laufzeit reduziert, allerdings in einem für die Post vernachlässigbaren Ausmaß. "Es hat de facto keine Auswirkungen", so Chrappa.
Fahrertrainings
Was hingegen nicht vernachlässigt werden darf, ist die Schulung der Fahrer. "Wir müssen das Handling des Fahrzeugs deutlich stärker erklären. So reduzieren Vollgasgeben und starkes Bremsen deutlich die Reichweite. Defensives Fahren schulen wir zwar grundsätzlich, aber bei Elektromobilität ist es besonders wichtig, das noch einmal hervorzuheben." Diese Schulungen werden mit den Fahrzeugherstellern gemeinsam durchgeführt.
Was hingegen nur bei Elektrofahrzeugen der Fall ist: Manche Fahrer haben ein psychologisches Problem mit der vergleichsweise kurzen Reichweite von knapp 120 km. Da wird zum Beispiel aus Angst vor dem Liegenbleiben permanent auf die Batterieanzeige gestarrt. "Aber zurückgekommen ist bislang noch jeder. Wir kommen im praktischen Einsatz nie an die Maximaldistanzen heran", beruhigt Chrappa. Aufgeladen werden die Fahrzeuge über Nacht in den posteigenen Stromtankstellen, derzeit wird der nötige "Sprit" noch zugekauft. Die Post denkt aber über eigene Photovoltaikanlagen nach, Dachflächen dafür wären auf den Verteilzentren jedenfalls mehr als ausreichend vorhanden.
Wirtschaftlicher Einsatz
Roman Chrappa freut sich aber nicht nur über die Zuverlässigkeit der Fahrzeuge, sondern auch über die konkurrenzfähigen Kosten. Derzeit wird der Aufwand für die teurere Anschaffung durch staatliche Förderungen wieder reduziert. Zwar kommt teilweise noch die Miete für die Batterie dazu, aber gleichzeitig fällt der Wartungsaufwand durch deutlich weniger bewegliche Teile spürbar geringer aus.
"Im Moment halten sich die Kosten zwischen einem Elektro- und einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor auf die Total Cost of Ownership gerechnet die Waage. Es gibt keine signifikanten Vorteile in eine Richtung", fällt Chrappas kaufmännischer Bericht positiv aus. Auch wenn irgendwann die staatliche Förderung von Elektrofahrzeugen wegfällt, so sollte sich deren Anschaffungspreis dann durch die Kostenvorteile einer Großserienproduktion dennoch rechnen. Derzeit sind bei der Post neben den 18 elektrischen Versionen von Kangoo und Berlingo noch 81 E-Mopeds und 166 E-Bikes im Einsatz. Nachdem Chrappa auch hier "viel Gutes" berichten kann, wird die Elektromobilität in den kommenden Jahren stark forciert. "Wir wollen bis 2015 mehr als 1.000 Elektrofahrzeuge einsetzen. Ob sie ein- oder zweispurig sind, hängt vom jeweiligen Einsatzgebiet ab."
Der Fuhrparkmanager der Post freut sich jedenfalls auf "die Entwicklungen der großen Automobilhersteller, die in den kommenden Wochen und Monaten lanciert werden".
Autor: Johann Stuhlpfarrer