Obwohl der Flugverkehr weltweit ungebremst zulegt, soll er im Jahr 2050 nur mehr halb so viel CO2 produzieren wie im Jahr 2005. Das ist zumindest die Vision des Branchenverbands IATA. Die CO2-Gesamtbilanz des Produkts Flug soll bis dahin sogar um 80 Prozent niedriger sein. Eine Schlüsselrolle spielt der Treibstoff auf pflanzlicher Basis, schon vor mehreren Jahren haben Fluglinien mit ersten Tests begonnen.
Erste Erfahrungen mit Biosprit
Einen der wohl umfangreichsten Versuche hat die Lufthansa im vergangenen Jahr durchgeführt. Von 15. Juli bis 27. Dezember ist einer ihrer A321 im Liniendienst insgesamt 1.187-mal zwischen Hamburg und Frankfurt am Main hin- und hergeflogen. Eines der Triebwerke ist mit Kerosin betrieben worden, das andere mit einem 1:1-Gemisch aus Kerosin und Biotreibstoff. Letzterer wurde von der finnischen Neste Oil geliefert, die ihn vor allem auf Basis von Camelina (Leindotter/80 Prozent), der in den Tropen und Subtropen beheimateten Jatropha (15 Prozent) und tierischen Fetten aus Schlachtabfällen (5 Prozent) herstellt.
Laut Lufthansa Technik spricht nichts gegen Biosprit: Auch nach dem Versuch waren auf beiden Seiten die wesentlichen treibstoffführenden Komponenten in sehr gutem Zustand. Allerdings konnte wegen der höheren Energiedichte des Biotreibstoffs der Verbrauch um etwa ein Prozent gesenkt werden. "Die Abgasmessungen haben gezeigt, dass Biokerosin beim Schadstoffausstoß im Vergleich zu marktüblichem Kerosin mindestens gleichwertig ist. In den Abgasen beider Triebwerke konnten ähnliche Stickoxid- und Kohlenmonoxid-Werte gemessen werden", betont Manfred Aigner vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Rußpartikel wurden hingegen erwartungsgemäß weniger festgestellt. Das liegt daran, dass der Biotreibstoff schwefel- und aromatenfrei ist und daher sauberer verbrennt.
Bei Austrian Airlines hat man den Test mit großem Interesse verfolgt. "Als die Lufthansa die Testserie geflogen ist, haben wir uns das auch überlegt", erzählt Walter Reimann, Bereichsleiter Internationale und luftverkehrspolitische Angelegenheiten. Nicht zuletzt wegen des in Wien fehlenden Biosprits hat man sich dann aber doch dagegen entschieden. "Wenn die OMV aber eine Raffinerie für Biosprit baut und den Flughafen Wien zu wettbewerbsfähigen Preisen beliefert, dann werden wir ihn auch verwenden", betont er. Eine Maschine der A320-Familie wie in Deutschland käme für einen Versuch aber nicht in Frage. "Die Lufthansa ist daran interessiert, unterschiedlichste Flugzeuge zu testen." Spannend wäre daher aus seiner Sicht, wie sich eine Turbopropmaschine wie die Dash 8-400 schlägt – zumal Turbopropmaschinen in puncto CO2-Ausstoß Jets von Haus aus um etwa 40 Prozent überlegen seien.
Schattenseiten
Biosprit hat aber auch seine Tücken, zum Beispiel fehlen derzeit ausreichend Rohstoffe und ein Konzept für einen nachhaltigen Anbau. Allein um den Treibstoffbedarf der Lufthansa-Gruppe im Jahr 2025 zu decken, müsste beispielsweise das Anbaugebiet für Raps zirka die Fläche von Österreich betragen, für Palmöl würde in etwa die Fläche von Tirol und Vorarlberg ausreichen, rechnet Reimann vor. Bei Algen wäre der Ertrag pro Hektar deutlich höher und der Platzbedarf geringer, allerdings steckt diese Methode noch in den Kinderschuhen und ist zu teuer.
Fehlende Nachhaltigkeit
Gerade die fehlende Nachhaltigkeit sehen Umweltschützer kritisch. Greenpeace zum Beispiel berichtet, dass vor allem in Indonesien massiv Urwald abgeholzt werde, um Platz für die Produktion von Palmöl zu gewinnen. "Das geht für das Klima nach hinten los", kritisiert Jurrin Westerhof, Energiesprecher von Greenpeace Österreich. Dem oft vorgebrachten Argument, dass die ölreiche "Hoffnungsnuss" Jatropha wegen ihrer geringen Ansprüche an den Boden ausschließlich auf bisherigem Brachland angebaut werde, steht er ebenfalls skeptisch gegenüber. "Wenn man ordentliche Erträge haben will, muss man auch auf fruchtbarem Boden anbauen und nicht nur in der ‘Wüste’." Besonders bedenklich sei es, wenn dies dann in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion geschehe.
"Der Anbau (Anm.: der Jatropha) auf marginalen Böden bringt keine rentablen Erträge", meint auch Evelyn Bahn. Die Agrarexpertin des entwicklungspolitischen Netzwerks INKOTA in Deutschland beobachtet die Situation schon seit mehreren Jahren. Einerseits führe der Anbau in hungergeplagten Ländern wie Mosambik zu Landkonflikten inklusive Umsiedlungen von Menschen. Andererseits seien auch dort in den vergangenen Jahren wegen mangelnder Rentabilität mehrere Jatropha-Plantagen wieder geschlossen worden, berichtet sie. Bei der Lufthansa ist man sich der Probleme bewusst. Zwar hat man Biosprit vor Kurzem transatlantisch mit einer B-747 getestet, aber: "Lufthansa wird den Praxiseinsatz erst dann fortsetzen, wenn nachhaltige und zertifizierte Rohstoffe in den für den Routinebetrieb erforderlichen Mengen sichergestellt werden können", betont Alexander Zschocke, Manager für den Bereich Biokraftstoffe bei Lufthansa. "Aktuell legen wir den Fokus auf die Eignung, Verfügbarkeit, Nachhaltigkeit und Zertifizierung von Rohstoffen. Dieser Markt muss aber erst erschlossen werden."
Sprit aus der Biotonne
Natürlich gibt es auch Alternativen zu Sprit aus hydrierten Pflanzenölen. British Airways zum Beispiel beginnt heuer gemeinsam mit der amerikanischen Solena Group den Bau einer Raffinerie, die Treibstoff aus allen Arten von Bioabfällen sowie kohlenstoffhaltigen Reststoffen gewinnen wird. Ab 2014 könnten dann jährlich rund 72 Millionen Liter Kerosin an British Airways geliefert werden. "Wenn dabei tatsächlich nur Abfälle verwendet werden, die sonst auf der Mülldeponie landen, ist das ein gute Idee", so Westerhof. "Wenn hingegen auch landwirtschaftliche Abfälle verwendet werden, die sonst auf den Äckern bleiben, dann macht man hier einen Riesenfehler, weil man die Böden auslaugt."
Biosprit wird von offizieller Seite als CO2-neutral angesehen, weil beim Verbrennen nur so viel CO2 freigesetzt werde, wie die Pflanze aufgenommen habe. Das CO2, das bei Anbau, Transport, Verarbeitung, Beseitigung der Abfälle freigesetzt wird, scheine in der Rechnung aber nicht auf, kritisiert Westerhof. Für die Airlines hat diese Vorgangsweise hingegen den Vorteil, dass sie für Biosprit keine Emissionszertifikate brauchen. Die Verfügbarkeit von Biosprit in ausreichenden Mengen und zu guten Preisen ist für Reimann daher mittelfristig auch ein entscheidender Wettbewerbsvorteil für Flughäfen. Für einen Carrier, der viel Transferverkehr ha-be, sei es egal, ob er nach Wien, Zürich oder München fliege. "Etwa 25 Prozent unserer Kosten entfallen auf Treibstoff, bei der EVA Air sind es zum Beispiel ungefähr 47 Prozent. Da schaut man sich die Treibstoffkosten auf einem Flughafen natürlich genau an. Und bei den Emissionszertifikaten kann man übers Jahr gesehen einige Millionen sparen."
Bio ist logisch
Worin sich aber alle einig sind: Für die kommenden Jahrzehnte ist kein alternativer Antrieb für Flugzeuge in Sicht. Batterien für Elektroantriebe sind zu schwer, Wasserstoff zu gefährlich, Solarantrieb nur etwas für Experimentalflugzeuge usw. Sowohl Westerhof als auch Reimann sprechen sich dafür aus, Biosprit für Flugzeuge zu reservieren. "Wir haben viele Gespräche gehabt. Beim Biosprit gibt es schon jetzt Anbieter, die durchaus kompetitiv sind", ergänzt der AUA-Bereichsleiter. Mit steigender Produktion und sinkenden Herstellungskosten ist ein Preisvorteil gegenüber herkömmlichem Kerosin durchaus zu erwarten. Wenn die Nachhaltigkeitsprobleme gelöst sind: gut für die Umwelt, noch besser für die Wirtschaft.
Autor: Johann Stuhlpfarrer