BearingPoint empfiehlt Flottenbetreibern, bereits jetzt geeignete Einsatzbereiche für E-Lkw zu identifizieren. | © BearingPoint
Die Elektrifizierung des Schwerlastverkehrs erreicht einen entscheidenden Wendepunkt. Batterieelektrische Lkw gelten heute als technisch ausgereift, und der kommerzielle Durchbruch rückt näher. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Management- und Technologieberatung BearingPoint, für die 400 Expert:innen aus Logistik, Flottenmanagement, OEMs, Energieversorgung und Mineralölwirtschaft in der DACH-Region befragt wurden. Während viele Unternehmen bereits investieren und Pilotprojekte umsetzen, droht der Markthochlauf an regulatorischen Hürden zu stocken.
Technik verfügbar, operative Sicherheit entscheidend
Die Studie zeigt deutlich: Die Branche ist bereit für den Wandel, die Technik liefert. Als größte Herausforderungen beim Umstieg auf E-Lkw nennen die Befragten vor allem die eingeschränkte Reichweite, eine unzureichende Ladeinfrastruktur sowie Unsicherheiten beim Restwert batterieelektrischer Fahrzeuge. Die Reichweite wird dabei weniger als technisches Defizit verstanden, sondern als Frage der operativen Verlässlichkeit. Erst wenn Fahrzeuge, Ladepunkte und Tourenplanung reibungslos zusammenspielen, entsteht Vertrauen in den dauerhaften Einsatz.
Parallel bleibt das Kostenmanagement das dominierende Thema in der Branche. Mehr als die Hälfte der Befragten priorisiert aktuell wirtschaftliche Stabilität höher als Fachkräftemangel oder die Umstellung des Antriebs. Gleichzeitig sehen viele Unternehmen besonders im Nah- und Verteilerverkehr batterieelektrische Antriebe als wahrscheinlichste Lösung der kommenden fünf Jahre.
Logistikbranche treibt Wandel – Infrastruktur hinkt hinterher
In der DACH-Region sind rund 700.000 Nutzfahrzeuge über 3,5 Tonnen im Einsatz. Bei schweren Lkw über 12 Tonnen fällt der Elektrifizierungsgrad bislang jedoch gering aus: In Deutschland sind aktuell nur rund 2.300 Fahrzeuge dieser Klasse elektrisch unterwegs. Auch die Ladeinfrastruktur bleibt ein Engpass. Bundesweit existieren derzeit etwa 250 öffentliche Lkw-Ladepunkte, europaweit rund 1.100. Der Bedarf bis 2030 liegt jedoch bei bis zu 10.000 Ladepunkten.
Viele Logistikunternehmen planen daher Investitionen in eigene Depot-Ladelösungen. Öffentliche Ladepunkte gelten als schwer planbar, kostenintensiv und oft leistungsmäßig unzureichend. Hinzu kommen fehlende Netzkapazitäten, begrenzte Flächenverfügbarkeit und langwierige Genehmigungsverfahren, die insbesondere mittelständische Unternehmen ausbremsen.
Politik muss regulatorische Rahmenbedingungen beschleunigen
Auf Herstellerseite ist die Entwicklung weit fortgeschritten. Serienreife Fahrzeuge wie der Mercedes-Benz eActros 600 oder die MAN eTrucks bieten Reichweiten von über 500 Kilometern. Der regulatorische Rahmen kann dieses Tempo bislang jedoch nicht halten. Zwar sieht der EU-weite AFIR-Standard Lademöglichkeiten alle 60 Kilometer vor, doch viele Standorte sind noch nicht geplant oder genehmigt. Auch das deutsche Programm „Lkw-Schnellladenetz Deutschland“ mit 350 geplanten Standorten bis 2030 reicht aus Sicht der Branche nicht aus, um den elektrischen Schwerlastverkehr flächendeckend zu etablieren.
Studie zeigt Handlungsoptionen für Flottenbetreiber
BearingPoint empfiehlt Flottenbetreibern, bereits jetzt geeignete Einsatzbereiche für E-Lkw zu identifizieren und frühzeitig Erfahrungen zu sammeln. Der Aufbau von Know-how, interdisziplinäre Zusammenarbeit sowie Pilotprojekte mit kooperativen Ladehubs und intelligentem Lademanagement gelten als zentrale Hebel, um Skaleneffekte zu realisieren. Auch KI-gestützte Anwendungen wie automatisierte Tourenplanung oder Ladeoptimierung gewinnen an Bedeutung.
Branche bereit – jetzt ist die Politik gefragt
Nina London, Partnerin bei BearingPoint, fasst die Ergebnisse zusammen: „In der Logistikbranche herrscht Aufbruchstimmung. Die Technik ist reif, die Anwendungsbereiche sind da und die Gesamtbetriebskosten kippen mit Auslastung zunehmend zugunsten elektrischer Antriebe. Was fehlt, ist ein verlässliches Umfeld aus Ladeinfrastruktur, Netzzugang und -kapazitäten sowie schneller Genehmigung. Wer jetzt kooperativ investiert, etwa in Depot-Laden, gemeinsame Hubs, Photovoltaik und Speicherlösungen, verschafft sich klare Kosten- und Skalierungsvorteile. Die Branche ist bereit, jetzt muss die Politik die Voraussetzungen schaffen, damit das Momentum nicht verloren geht.“
