Ab 2030 gelten EU-weit deutlich strengere Luftqualitätsgrenzwerte. | © Lunghammer - TU Graz
Eine neue umfassende Studie der TU Graz zeigt, dass die größten Feinstaubquellen im Straßenverkehr längst nicht mehr aus dem Auspuff kommen. Durch wirkungsvolle Partikelfilter, strengere Abgasnormen und den wachsenden Anteil an Elektrofahrzeugen verursachen Abgaspartikel heute in vielen Verkehrssituationen weniger als zehn Prozent der gesamten Partikelemissionen. Den weitaus größeren Anteil machen nun Reifen- und Straßenabrieb sowie aufgewirbelte Partikel aus – ein Trend, der die Diskussion über Luftqualität grundlegend verändert.
Technologien der Zukunft senken Brems- und Abgasemissionen
Studienleiter Stefan Hausberger vom Institut für Thermodynamik und nachhaltige Antriebssysteme der TU Graz sieht bei Abgas- und Bremsemissionen großes Reduktionspotenzial. „Durch die Einführung der Euro-7-Emissionsnorm im Jahr 2026 rechnen wir bis 2040 allerdings mit einem Rückgang der Bremsemissionen von circa 80 Prozent bei den Neufahrzeugen“, erklärt Hausberger. Neue Bremstechnologien und Rekuperation in Elektrofahrzeugen sorgen dafür, dass weniger mechanisch gebremst werden muss. Zudem könnte die Abgaspartikelbelastung bis 2040 um bis zu 90 Prozent abnehmen.
Reifenabrieb bleibt die größte Herausforderung
Während sich Abgas- und Bremspartikel durch technische Innovationen deutlich verringern lassen, ist das beim Reifenabrieb nur eingeschränkt möglich. Gute Haftung und Sicherheit gehen physikalisch mit Abrieb einher. Die Studienautor*innen erwarten daher lediglich ein Reduktionspotenzial von etwa zehn bis 20 Prozent in den kommenden zehn Jahren. Zusätzliche Verbesserungen könnten nur durch niedrigere Tempolimits erzielt werden. Straßenabrieb und die Wiederaufwirbelung von Feinstaub gelten als noch schwerer beeinflussbar und dürften künftig den größten Emissionsanteil ausmachen.
Neue EU-Grenzwerte ab 2030 schwer einzuhalten
Ab 2030 gelten EU-weit deutlich strengere Luftqualitätsgrenzwerte: Der Grenzwert für PM10 wird von 40 auf 20 Mikrogramm pro Kubikmeter halbiert. Die Studie zeigt jedoch, dass diese Vorgaben vielerorts kaum erreichbar sein dürften. „Unsere Berechnungen zeigen, dass die Einhaltung der EU-Luftqualitätsgrenzwerte ab 2030 äußerst knapp wird. Besonders an Standorten mit hohem Verkehrsaufkommen mit ungünstigen Bedingungen, etwa Tunnelportale oder Straßenschluchten“, warnt Hausberger.
Simulationen mit erweitertem PHEM-Modell
Für die Studie nutzte das Forschungsteam das an der TU Graz entwickelte Emissionsmodell PHEM (Passenger car and Heavy duty Emission Model). Ursprünglich für Abgase konzipiert, wurde die Software im Rahmen mehrerer Forschungsprojekte – darunter das TU-Graz-Leadprojekt NExT sowie Analysen für das Schweizer BAFU und EU-Horizon – erheblich erweitert. So können nun auch Nicht-Abgas-Emissionen wie Reifen-, Brems- und Straßenabrieb physikalisch konsistent simuliert werden. Durch die Zusammenarbeit im EU-Projekt LENS ist dies mittlerweile sogar für Zweiräder möglich.
Abgasreduktion reicht nicht mehr aus Die Ergebnisse verdeutlichen, dass technische Fortschritte im Motorenbereich allein nicht genügen, um die kommenden Luftqualitätsstandards zu erfüllen. Reifen und Fahrbahnbeschaffenheit, aber auch das Fahrverhalten werden künftig eine entscheidende Rolle spielen – und sind nur begrenzt beeinflussbar. Damit gewinnt die Frage nach alternativen Mobilitätskonzepten, Verkehrsreduktion und innovativen Materialien zunehmend an Bedeutung.
