Die Luftfracht bringt Tempo in den globalen Handel – doch rechtlich ist sie ein Minenfeld: Spediteure riskieren bei unklarer Wertdeklaration oder mangelhafter Aufklärung rasch eine unbegrenzte Haftung. (Foto: Moritz Schell)
Der globale Handel ist ohne effiziente Luftfrachtbeförderung undenkbar. Doch mit der Geschwindigkeit und Reichweite des Lufttransports gehen auch komplexe Haftungsfragen einher, die das internationale Luftfrachtrecht und dessen Abkommen, wie zum Beispiel das Montrealer Übereinkommen (MÜ), regeln. Für Spediteure ist es essenziell, die Feinheiten dieser Regelungen zu verstehen, um unlimitierte Haftungsfallen zu vermeiden – insbesondere im Zusammenhang mit der Interessens- und Wertdeklaration. Dieser Artikel beleuchtet die Kernpunkte der Haftung bei der Güterbeförderung im Luftfrachtverkehr und warnt vor praxisrelevanten Fallstricken, die aus der höchstgerichtlichen Rechtsprechung hervorgehen.
Begrenzte Haftung nach dem Montrealer Übereinkommen
Grundsätzlich sieht das Montrealer Übereinkommen zum Schutz des Luftfrachtführers Haftungslimitierungen vor. Gemäß Artikel 22 Absatz 3 MÜ haftet der Luftfrachtführer bei Zerstörung, Verlust, Beschädigung oder Verspätung von Gütern lediglich bis zu einem Betrag von 22 Sonderziehungsrechten (SZR) pro Kilogramm. Sonderziehungsrechte sind eine künstliche Währungseinheit des Internationalen Währungsfonds (IWF). Der Haftungszeitraum des Luftfrachtführers beginnt, sobald sich die Güter in seiner Obhut befinden, und erstreckt sich auch auf Zwischenlagerungen.
Wegfall der Haftungsbegrenzung durch Interessen- oder Wertdeklaration
Die genannte Haftungsbeschränkung nach Artikel 22 Absatz 3 MÜ entfällt jedoch, wenn der Absender bei der Übergabe des Frachtstücks an den Luftfrachtführer das „Interesse an der Ablieferung am Bestimmungsort“ betragsmäßig angegeben und den verlangten Zuschlag entrichtet hat. In diesem Fall haftet der Luftfrachtführer bis zur Höhe des angegebenen Betrags.
Vorsicht vor einer versteckten Wertdeklaration
Die Wertdeklaration ist zunächst ein einseitiger Akt des Absenders bei Übergabe des Frachtguts an den Luftfrachtführer. Das MÜ selbst fordert keine bestimmte Form für die Wertdeklaration, sie muss jedoch eindeutig und bestimmt sein, um dem Luftfrachtführer das erhöhte Haftungsrisiko klar bewusst zu machen. Die bloße Angabe eines Werts für Zoll- oder Steuerberechnungen oder ein unbezifferter Hinweis auf einen hohen Wert reichen in der Regel nicht aus.
Ein wichtiger Aspekt in der Praxis ist, dass eine Wertdeklaration nicht zwingend im Luftfrachtbrief selbst enthalten sein muss, um wirksam zu sein. Wenn der Luftfrachtführer den Transportauftrag auf der Grundlage eines bekannt gegebenen Auftragswerts annimmt, wird dieses betragsmäßige Interesse konkludent zur Grundlage des Luftbeförderungsvertrags. Dies bedeutet, dass selbst wenn im Luftfrachtbrief die Klausel „NVD“ („no value declared“) erscheint, eine wirksame Wertdeklaration vorliegen kann – sofern der Absender den Wert an anderer Stelle im Transportauftrag eindeutig bekannt gegeben und der Luftfrachtführer dies akzeptiert hat.
Der Oberste Gerichtshof (OGH) in Österreich hat in einem Fall zu einem Arzneimitteltransport klargestellt, dass selbst eine „ca“-Angabe eines exakten Betrags (z. B. „ca 355.784 EUR“) im Transportauftrag – selbst wenn ein „Änderungen vorbehalten“-Vermerk beigefügt war – als ausreichend deutliche Wertdeklaration aufgefasst werden musste, wenn eine beigefügte Rechnung den genauen Wert untermauerte. In diesem Fall führte die Annahme des Transportauftrags durch den Frachtführer zur schlüssigen Vereinbarung der Wertdeklaration und somit zur unbegrenzten Haftung des Luftfrachtführers bis zur Höhe des angegebenen Betrags.
Ein oft diskutierter Punkt ist der „Zuschlag“. Artikel 22 Absatz 3 MÜ sieht vor, dass ein Zuschlag „entrichtet“ werden muss, wenn er „verlangt“ wird. Das bedeutet: Verlangt der Luftfrachtführer keinen Zuschlag, so muss dieser auch nicht entrichtet werden – die Haftung für den angegebenen Wert besteht jedoch dennoch.
Widerspruch zur Wertdeklaration in der E-Mail-Signatur
Damit es zu keiner schlüssigen Vereinbarung einer Wertdeklaration kommt, sollten in den E-Mail-Signaturen der Mitarbeiter der Luftfrachtabteilungen ein Widerspruch zu Wertdeklarationen oder Interessensdeklarationen aufgenommen werden. Dieser Widerspruch könnte wie folgt lauten:
„Die Vereinbarung einer Wert- oder Interessensdeklaration ist nicht möglich. Wir widersprechen ausdrücklich jeder Art von Wert- oder Interessensdeklaration, insbesondere solcher, die die in internationalen Übereinkommen vorgesehenen Haftungshöchstbeträge erhöhen könnten. Ausdrücklich weisen wir darauf hin, dass auch jede Art der Bekanntgabe eines Auftragswertes, Warenwertes (etc.) – auf welche Art auch immer (in Rechnungen, Aufträgen, Lieferscheinen, Anboten etc.) – in keinem Fall zu einer Vereinbarung einer Wert- oder Interessensdeklaration führt, auch wenn kein gesonderter ausdrücklicher Widerspruch unsererseits erfolgt.“
Mit einem derartigen Widerspruch kann man das oben aufgezeigte Risiko einer schlüssigen Wert- oder Interessensdeklaration enorm herabsetzen. Es muss allerdings sichergestellt sein, dass jeder Mitarbeiter aus der Luftfrachtabteilung einen derartigen Zusatz in seine E-Mail-Signatur aufnimmt. Zusätzlich wäre die Aufnahme eines derartigen Widerspruchs in den Luftfrachtofferten bzw. AGB sinnvoll.
Aufklärungspflichten des Spediteurs im Luftfrachtsektor
Gerade für Spediteure – insbesondere solche, die als Fixkostenspediteure gemäß § 413 UGB tätig werden – birgt die Nichtbeachtung bestimmter Pflichten ein erhebliches, sogar unbegrenztes Haftungsrisiko. Als Fixkostenspediteur treten Sie nach der Gesetzgebung in vielen Belangen als Frachtführer auf, allerdings kommen ergänzend speditionelle Nebenpflichten hinzu.
Der Spediteur hat eine umfassende Beratungs- und Interessenwahrnehmungspflicht gegenüber seinem Auftraggeber. Dies gilt insbesondere bei erkennbar wertvollen Gütern oder wenn der Auftraggeber als unerfahren angesehen werden kann. In einem bemerkenswerten Fall zum Kunsttransport entschied der OGH, dass ein Spediteur, der wertvolle Kunstgegenstände transportieren sollte und über deren Wert Bescheid wusste (oder wissen musste), die Pflicht hatte, den Auftraggeber über Haftungsbeschränkungen und über Möglichkeiten zur Überwindung dieser Beschränkungen (wie Wertdeklaration oder Transportversicherung) aufzuklären.
Der entscheidende Punkt für Spediteure ist hierbei: Die Haftung aus der Verletzung dieser speditionellen Pflichten wird vom OGH nicht zwingend den Haftungsbeschränkungen des Montrealer Übereinkommens unterworfen. Die Argumentation ist, dass solche Ansprüche nicht aus der dem MÜ unterliegenden Frachtvertragsbeziehung, sondern aus der Verletzung spezifischer Spediteurpflichten resultieren. Dies bedeutet, dass eine mangelhafte Aufklärung durch den Spediteur im Worst Case zu einer unbegrenzten Haftung nach nationalem Recht führen kann. Dies stellt ein weiteres erhebliches und nicht zu unterschätzendes wirtschaftliches Risiko dar.