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Wo muss die Reise hingehen?

Foto: Florian Wieser
„Ich würde mir für Wien wünschen, dass wir wieder in die Liga zurückkommen, in der wir einst gespielt haben“, so Davor Sertic, CEO von UnitCargo und Spartenobmann Transport und Verkehr in der Wirtschaftskammer Wien.
Foto: Florian Wieser

Es gibt in der Logistik noch viele Schrauben, an denen gedreht werden muss. Verkehr hat bei Davor Sertic, CEO von UnitCargo und Spartenobmann in der WK Wien, nachgefragt, was noch kommen muss. Sertic engagiert sich auch in der Wirtschaftskammer Wien für seine Branche als Obmann der Sparte Transport und Verkehr. Außerdem ist er aktuell Präsident der UECC, einer Vereinigung von 50 Industrie- und Handelskammern aus sechs europäischen Staaten.

von: Anja Kossik

Herr Sertic, Sie sind über Ihre Position als Spartenobmann in der Wirtschaftskammer Wien sehr in City­logistik-Projekte in der ­Bundeshauptstadt involviert. Was gibt es aus diesem Bereich Neues zu berichten?
Im Projekt „Nachhaltige Logistik 2030+“ haben sich erstmals nicht nur Wirtschaftsvertreter aus Wien und Niederösterreich, sondern auch die politisch Verantwortlichen gemeinsam an ­einen Tisch gesetzt. Während wir zu Beginn des Projekts noch jedem erklären mussten, was Logistik ist und wie sie überhaupt funktioniert, hat sich hier mittlerweile vieles verändert – das reicht von der Öffnung der Anrainerparkplätze für den Wirtschaftsverkehr bis hin zur Bewusstseinsbildung, was die verschwindenden Logistikflächen im städtischen Raum anbelangt. Derzeit sprechen wir gerade intensiv über die Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität. Die ist vor allem im Stadtzentrum bei weitem noch nicht ausreichend. Gerade bei den Taxis, die ja auch in meine Sparte fallen, fehlt es an Möglichkeiten, über Nacht die Fahrzeuge zu ­laden. Ähnlich ist die Situation bei den Zustellern. Denn in den meisten Wohnhausanlagen fehlt die entsprechende Infrastruktur. Zu diesem Thema stehen wir gerade in regem Austausch mit der Stadtpolitik.

Wie sehen da die Pläne aus?
Wichtig ist zu erkennen, dass man den Wirtschaftstreibenden erst dann Elektromobilität „verordnen“ kann, wenn es dafür auch tatsächlich eine ausreichende Ladeinfrastruktur gibt. Das gilt vor allem für Kleinunternehmer. Und um für dieses Problem vernünftige Lösungen zu entwickeln, muss man Profis miteinbeziehen. Für Taxis, bei denen ab 2025 Neuzulassungen nur noch für elektrisch betriebene Fahrzeuge möglich sind, gibt es beispielsweise bereits ein entsprechendes innovatives Pilotprojekt. Die E-Fahrzeuge fahren dabei eine Art „Rüssel“ an ihrer Bodenplatte aus und werden während ihrer Standzeiten über eine Ladeplatte dank einer speziellen „Matrix Charging Technologie“ kabellos geladen. Aus den Erkenntnissen aus diesem Pilotprojekt können wir dann weitere Schritte ableiten. Wir müssen da noch ganz vieles ausprobieren, denn die Lösung gibt es derzeit noch nicht. Bei den größeren Logistikdienstleistern sieht die Sache auch ein wenig anders aus, die haben zum Teil ihre eigene Ladeinfrastruktur in der Peripherie und planen ihre Touren so, dass die Fahrzeuge mit einer vollen Batterieladung ihre Zustellungen in der Stadt machen können. Große KEP-Dienstleister wie die Österreichische Post haben überhaupt ihre eigenen Ladestationen.
Ein besonders spannendes Projekt, das jetzt anläuft, sind die Grätzl-Ladezonen. Hier erarbeiten wir mit der TU Wien einen Algorithmus, der berechnet, wo in Wien Ladezonen gebraucht werden. In einem ersten Schritt kann der Rechner bei der Neugestaltung von Straßen herangezogen werden. Damit lassen sich räumlich optimierte Ladezonen berechnen, die eine bedarfsgerechte Abdeckung der Ladebedürfnisse der Wirtschaft zum Ziel haben. Somit kann Platz für die klimafitte Gestaltung der Stadt geschaffen werden, ohne die Lieferqualitäten zu senken. Für nächstes Jahr ist bereits ein Projekt zur Baustellen-Logistik in Planung.

Beschäftigen Sie sich auch im Rahmen Ihrer UECC-Präsidentschaft mit Citylogistik-Themen?
Bei dieser internationalen Aufgabe geht es mehr um allgemeine Logistikthemen wie den Intermodalen Verkehr, für den wir gerade eine Arbeitsgruppe bilden. Citylogistik ist da zwar eher ein Randthema, wurde allerdings in den letzten Jahren ausführlich auch in der UECC behandelt und bleibt weiterhin auf der Agenda. Man sieht aber schon, dass es hier Ballungszentren gibt, die exzellente Maßnahmen umgesetzt haben, wie beispielsweise Hamburg. Musterhaft ist auch Schweden, allerdings kann man deren Verkehrsaufkommen mit dem massiven Ost-West-Transitverkehr auf der Südosttangente nicht vergleichen. Es gibt umgekehrt aber auch Städte am anderen Ende des Spek­trums, in denen es viel chaotischer zugeht als bei uns.

Wie steht es denn um die Intermodalität in Europa?
Nach meiner Ernennung zum UECC-Präsidenten war ich in Luxemburg zu Besuch und habe mir dort eine Präsentation über deren Wirtschaftsstrategie angehört. Das hat mir total imponiert. Man hat sich dabei angesehen, in welchem Bereich das Land wirtschaftliche Wachstumschancen sieht. Die Logistik ist dabei einer der wesentlichen Sektoren, mit dem man die Wirtschaft diversifizieren will. Und zu diesem Zweck werden gerade Milliarden in den Ausbau eines intermodalen Terminals investiert. Dort sollen dann 5.000 Menschen Arbeit finden und auch Verkehre von Großbritannien nach Osteuropa abgewickelt werden. Es entsteht ein neuer Wirtschaftsstandort und damit ein bedeutender Arbeitgeber in der Region. In Wien verfügen wir aktuell nur über zwei Terminals, eines am Wiener Hafen und eines in Inzersdorf. Die seitens der Politik eingeforderte schrittweise Verlagerung auf die Schiene bei gleichzeitig ansteigendem Güterverkehrsaufkommen sowie technologischen Neuerungen im Verladeprozess stellen die bestehenden Terminalkapazitäten vor große Herausforderungen. Zur Abschätzung des zukünftigen Bedarfs und mögliche Lösungsvorschläge für die zukünftige Terminalentwicklung führt aktuell die Wirtschaftskammer Wien eine Studie durch.  Denn seit meinem Einstieg in die Logistik 1989, als der Wiener Raum eine der wichtigsten Schnittstellen für die osteuropäischen Länder war, haben wir diese Vormachtstellung leider verloren. Da ist mittlerweile Budapest ein Vorreiter, weil dort viel in intermodale Verkehre investiert wurde. Budapest hat sich als Hub für die Adria-Verkehre und für den Balkan etabliert. Ich würde mir für Wien wünschen, dass wir wieder in die Liga zurückkommen, in der wir einst gespielt haben.

Wie würden Sie als Unternehmer von einem neuen intermodalen Terminal profitieren?
Wir haben bei UnitCargo vor rund 18 Monaten begonnen, ­Intermodale Verkehre zu organisieren. Wir sind mittlerweile mit elf Aufliegern von Rumänien bis ins Ruhrgebiet und nach Belgien unterwegs. Wenn wir es mit der Verlagerung auf die Schiene wirklich ernst meinen, dann brauchen wir nicht nur einen weiteren Terminal, sondern auch zusätzliche Trassen, damit derartige Verkehre zukünftig rollen, denn das funktioniert im Moment überhaupt nicht. Wir haben derzeit 1.200 Lkw Komplettladungen europaweit. Mein Ziel ist es, in den nächsten fünf Jahren mindestens zehn Prozent unserer Verkehre intermodal zu betreiben. Für diese Strategie eröffnen wir auch Anfang des nächsten Jahres eine Niederlassung in Budapest.


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