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„Wir wollen die Teilnehmer des Events wachrütteln“

„Der Arbeits­kräftemangel wird den Bedarf an Automatisierung und Digitalisierung weiter verstärken“, so Franz Staberhofer, Obmann des Vereins Netzwerk Logistik.
Fotos: VNL
Fotos: VNL

Am 20. und 21. Juni versammelt sich die Logistikbranche zum 30. Logistik-Tag und Future-Lab des VNL in Linz. Verkehr bat VNL-Obmann Franz Staberhofer um ein Gespräch über die Veranstaltung und aktuelle Entwicklungen in der Branche.

Der VNL veranstaltet im Juni bereits zum 30. Mal den alljährlichen ­Logistik-Tag in Linz. Das Motto klingt schon mal vielversprechend.
Franz Staberhofer: Wir wollen mit unserem Veranstaltungstitel „Breakdown oder Breakthrough?“ die Teilnehmer des Events wachrütteln. Breakdown oder Breakthrough wird zukünftig der ständige Begleiter des Handelns sein. Wir wollen faktenbasierte Wegweiser für das eigene Ziel und Handeln aufzeigen. Essenziell ist bei der Umsetzung die ständige Beo­bachtung des Umfelds, das Wissen um permament neu ent­stehende Lösungsmöglichkeiten und der Austausch im Netzwerk. Und genau das werden wir in Linz bieten.

Welche Themenschwerpunkte setzen Sie dabei?
Staberhofer: Wir wollen dem Arbeitskräftemangel mit organisatorischen Ansätzen und gezielter Automatisierung begegnen. Wir möchten aber auch die Transformation zu einer zirkulären Wirtschaft diskutieren und darüber reden, wie notwendige Transporte realistisch umweltschonend durchgeführt werden können. Wir werden Einschätzungen zu geopolitischen Veränderungen thematisieren und darauf hinweisen, dass die Logistik und das Supply Chain Management neue Antworten und Lösungen liefern müssen. Inhalte und Vernetzung bringen Souveränität.

Gibt es Programmpunkte, die Sie besonders hervorheben möchten?
Staberhofer: Der Ausblick beim Logistik-Future-Lab und die aktuelle Praxis sollen den Teilnehmern beim Österreichischen Logistik-Tag eine Orientierung für ihr Gestalten bieten. Ich denke da zum Beispiel an unsere Podiumsdiskussionen „Raus aus China!? Worauf müssen sich heimische Unternehmen vorbereiten?“ und „Absatzmärkte richtig interpretieren – profitabel durch Transparenz und schnelle Anpassungsfähigkeit der Lieferketten“.
Die Teilnehmer der zweitägigen Veranstaltung können die Fakten für die Welt von heute und morgen erleben und mit den Referenten, Ausstellern und Fachkollegen diskutieren – das schafft einen Mehrwert, um gestärkt in die Zukunft zu gehen.

Können Sie uns eine Preview der Zukunftsbotschaft, die beim Österreichischen Logistik-Tag vermittelt werden soll, geben?
Staberhofer: Seit der Jahrtausendwende hat die Logistik viele Krisen bewältigt. Die Logistik hat in ­allen Phasen die Versorgungssicherheit aufrechterhalten und Chaos vermieden. Jetzt geht es darum, zukünftiges Chaos zu vermeiden. Hier hat die Logistik die Pflicht und Chance, sich mit Volks- und Betriebswirtschaft zu verlinken, um rechtzeitig auf drohende Lieferkettenprobleme reagieren zu können.

Was ist eine wichtige Botschaft, die die Besucher mitnehmen sollen?
Staberhofer: Resilient zu sein, ist das Credo. Dabei kann schon helfen, mehr in vorausschauende Planung zu investieren und 100-prozentige Abhängigkeiten zu reduzieren. Ich bin davon überzeugt, dass in Zukunft Kooperationen zwischen den Unternehmen an Bedeutung gewinnen werden. Auch wenn es idealistisch klingen mag, aber ein ethisches Verhalten wird wichtiger werden, wenn man Zusammenarbeit ernst meint.

Auch die Dekarbonisierung steht groß auf dem Programm.
Staberhofer: Und zurecht. Denn für die Wirtschaft multiplizieren sich derzeit die Herausforderungen. Es werden durch Verordnungen zwingende Wegweiser aufgestellt, ohne für die damit vorgegebenen Pfade begehbare Wege zu schaffen. Gleichzeitig rüttelt die Realität heftig an den Wegweisern. CO2-Freiheit ist und bleibt zugleich das Ziel. Auch wenn festgestellt wurde, dass die derzeitigen Wegweiser nicht zum Ziel führen, werden diese nicht neu ausgerichtet, sondern es wird Frame-Setting betrieben.
Maßnahmen, die viel mehr (grünen) Strom brauchen, werden forciert, E-Fuels werden als realistische Lösungen argumentiert, jede pilotierte Wasserstoffinitiative bereits als fertige ­Lösung gefeiert, die Digitalisierung zum Prinzip erhoben, der Rohstoffbedarf für den Green Deal nicht offen ausgesprochen. Die EU stellt mit dem Green Deal sein europazentriertes Ziel der CO₂-Reduktion auf null in den Mittelpunkt – ohne Beachtung der dadurch negativ induzierten Nachhaltigkeitswirkungen in anderen Regionen, gestützt durch das kommende Lieferkettengesetz. Das ist jedenfalls ein Widerspruch zu den physischen und auch politischen Realitäten. Da braucht es vorausschauenden Realismus, die passenden Rahmenbedingungen und dazu konsequentes Handeln, um nicht eine Hyperdynamik in die Wertschöpfungs­ketten und Märkte zu bringen.

Wenn wir schon beim Thema sind: Der VNL hat das neue Supply Chain Intelligence ­Institute Austria (ASCII) mit­begründet. Welche Funktion hat dieses Institut?
Staberhofer: Globale Produktions- und Logistiknetzwerke stehen vor vielfältigen Herausforderungen. Die Krisen der letzten Jahre ­haben Schwachstellen in Lieferketten und Produktionsnetzwerken offengelegt; das führt zu einer Vielzahl an Fragen zur Gestaltung von nachhaltigeren, re­silienteren Netzwerken. ASCII analysiert Wertschöpfungsnetzwerke, strategische Abhängigkeiten und die Sicherstellung von Produktion und Versorgungssicherheit. Das Ziel ist, Entscheidungsträgern in ­Politik, Verwaltung und Wirtschaft solide Grundlagen zu liefern, um die österreichischen und europäischen Ziele einer sicheren Wertschöpfung und Klimaneutralität zu erreichen.
ASCII stellt Daten- und Wissensgrundlagen zur Verfügung und fungiert als erster Ansprechpartner für die Analyse, Bewertung und Ableitung von Handlungsempfehlungen für zeitkritische und komplexe Fragestellungen im Zusammenhang mit Wertschöpfungsketten.

Damit zusammenhängend: Das BMK hat den Masterplan Güterverkehr 2030 präsentiert. Wie schätzen Sie diesen Plan ein?
Staberhofer: Es finden sich wenig konkrete Projekte darin. Zu meiner Überraschung wird der Einzelwagenverkehr im Schienengüterverkehr wieder unterstützt. Man weiß seit vielen Jahren, dass der Einzelwagenverkehr für die ­Eisenbahnen nicht wirtschaftlich darstellbar ist. Warum wird wertvolles Steuergeld dafür vergeudet? Dieses Geld wäre für eine Förderung von neuen zusätzlichen Intermodalzügen, um ein breiteres Angebot am Markt zur Verfügung zu stellen, viel besser aufgehoben.
Wenn der Modal Split von 31 auf 40 Prozent gehoben werden soll, bedeutet das eine Erhöhung der Mengen um 30 Prozent. Wie sich das mit den verfügbaren Trassen, noch dazu mit der beabsichtigten Mobilitätsverlagerung im Personenverkehr von der Straße auf die Schiene ausgehen soll, ist mir nicht klar.
Das Anführen von 45 Prozent Leerfahrten der österreichischen Unternehmer im Straßengüterverkehr ist inhaltlich irreführend. Wenn ein Straßentransportunternehmen im konventionellen Verkehr diesen Prozentsatz an Leerfahrtkilometern haben würde, könnte dieser nicht überleben. Derartige Aussagen sind zu unterlassen, weil damit einfach eine völlig falsche Erwartungshaltung erzeugt wird. Leerfahrtkilometer plus 10 Prozent von der Gesamtleistung kann sich kein Transporteuer leisten, gute Unternehmen agieren unter 10 Prozent.
Bei der E-Mobilität sehe ich folgende ungelöste Probleme:  Ein E-Lkw kostet mindestens doppelt so viel wie ein herkömmlicher Verbrenner. Die AfA liegt im Kilometer-Peis (Fernverkehr) heute bei rund 30 Prozent. Verdoppelt sich der Kaufpreis des Lkw erhöht das den KM-Preis um 30 Prozent gegenüber der KM-Kalkulation eines Verbrenners. Kein Verlader bezahlt das aus Idealismus. Da sind sehr gut durchdachte Förderkonzepte notwendig, um die Umstellung auch wirklich umsetzen zu können.

Eine letzte Frage noch zum Programm: Der Arbeitskräftemangel ist aktuell ein sehr wichtiges Thema. Über welche Aspekte soll diesbezüglich auf der Veranstaltung diskutiert werden?
Staberhofer: Es ist eine Tatsache, dass die notwendigen Arbeitskräfte für die geplanten Umsatzsteigerungen der Unternehmen nicht vorhanden sein werden. Dementsprechend müssen Wertschöpfungsketten neu gestaltet und u. a. einzelne Elemente des Netzwerks in Regionen verlagert werden, in denen noch ausreichend Arbeitskräfte existieren. Neben der verstärkten Automatisierung gilt es vor allem, intelligente Lösungen für hybrides Arbeiten bzw. neue Arbeitszeitmodelle zu entwickeln, um als Arbeitgeber attraktiv zu werden bzw. zu bleiben. Und man muss sich der Tatsache stellen: Weiteres Wachstum nur mit mehr Strom für das gleiche Tun erreichen zu wollen, wird zu keiner CO2-Reduktion führen und noch weniger zu Nachhaltigkeit. Da kann SCM neue Geschäftsmodelle und echte Kreislaufwirtschaft unterstützen und der notwendigen Veränderung Vorschub geben.

Werden KI oder Robotik ­Abhilfe schaffen können?
Staberhofer: Der Arbeitskräftemangel wird den Bedarf an Automatisierung und Digitalisierung weiter verstärken. Man muss Arbeit dort, wo es möglich ist, durch Technologie aus dem System nehmen. Und man muss sich überlegen, wo man arbeitsintensive Lieferketten eliminieren kann. Dabei werden neue Geschäftsmodelle entstehen. Die Möglichkeiten der KI sind heute vielfach erst im Ansatz erkennbar. Mit Blickrichtung Arbeitskräftemangel wird der Einsatz von KI unabdingbar sein und weiter an Bedeutung gewinnen. 

Vielen Dank für das Gespräch!


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