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„Wir brauchen Investitionssicherheit“

„Es braucht steuerliche Vorteile inklusive Mautanreizen, um eine Technologieumstellung zu beschleunigen“, erklärt Beate Färber-Venz, Spartenobfrau Transport und Verkehr in der WK NÖ.
Fotos: WK Niederösterreich
„Nach unseren Erhebungen haben bereits 85 Prozent der Güterbeförderungsunternehmen zusätzlichen Bedarf an Lenkern“, berichtet Patricia Luger, Geschäftsführerin der Sparte Transport und Verkehr in der WK NÖ.
Fotos: WK Niederösterreich

Die Transportwirtschaft im flächenmäßig größten Bundesland Österreichs steht unter Druck, sagen Beate Färber-Venz, Obfrau der Sparte Transport und Verkehr in der WK NÖ, und die Spartengeschäftsführerin Patricia Luger im Verkehr-Interview.

von: Josef Müller

Wie präsentiert sich das Marktumfeld für die ­Güterverkehrsbranche in ­Niederösterreich?
Beate Färber-Venz: In der Transportwirtschaft findet ein noch nie dagewesener grundlegender Wandel statt. Sprunghafte Veränderungen in der Gesellschaft wirken sich ebenso massiv aus wie auch die Veränderungen in der politischen, wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung. Jede Transformation ist ein längerfristiger Lern- und Suchprozess, der mit vielen Unsicherheiten verbunden ist. Er kommt erst dann zum Abschluss, wenn sich neue Systemstrukturen dauerhaft etabliert und stabilisiert haben. Aber dort sind wir noch lange nicht angekommen. Eines ist jedoch gewiss, die Transportwirtschaft ist definitiv eine der flexibelsten Wirtschaftszweige des Landes.

Wo drückt aktuell der Schuh?
Patricia Luger: Kostensteigerungen ganz allgemein sind natürlich für keinen Wirtschaftszweig erfreulich. Die Energiekostenzuschüsse I und II fangen einen guten Teil davon ab. Für Unternehmen wäre es vorteilhafter, wenn der Energiekos­tenzuschuss II in Teilbeträgen ausbezahlt würde, damit die Unternehmen die hohen Energiekosten nicht für einen so ­langen Zeitraum vorfinanzieren müssen. Darüber hinaus ist es sehr schwierig, weitere gestiegene Kosten, wie z. B. die Miete oder Reparaturen, an die Kunden weiterzuverrechnen, weil oftmals die Preise für einen längeren Zeitraum vereinbart wurden. Dort, wo der Schuh am meisten drückt, geht leider am wenigsten weiter, nämlich beim Abbau von bürokratischem Aufwand. Die „Zettelwirtschaft“ und die vielen Dokumentationspflichten (wie die Datenschutzgrundverordnung oder das EU-Lieferkettengesetz) binden haarsträubend viele Ressourcen in den Betrieben. Wir zeigen als Interessenvertretung dieses Problem immer wieder auf, leider bis dato mit mäßigem Erfolg.

Die Verkehrsverlagerung wird politisch aktuell propagiert. Doch reichen die Schienenkapazitäten dafür überhaupt aus? Wie steht die WK NÖ dazu?
Färber-Venz: Es ist kein Geheimnis, dass die Bahn derzeit kaum Kapazitäten hat, Verlagerungsvolumina von der Straße aufzunehmen. Auch wissen wir, dass 80 Prozent der Lkw-Verkehre in Österreich auf Strecken unter 100 Kilometer stattfinden. Aber fix ist, dass wir uns grundsätzlich als verantwortungs­voller Wirtschaftssektor den Tatsachen der Gegenwart stellen müssen. Dort, wo Bahn möglich ist, sind wir bereit zu kombinieren, dafür braucht es keine gesetzlichen Zwänge. Die erste und letzte Meile gehört ohnehin dem Straßentransport.
Luger: Wir müssen auch versuchen, die Wasserstraße endlich mehr in die Logistikketten einzubinden, Multimodalität ist das Gebot der Stunde. Die Infrastruktur auf der Donau ist vorhanden, top ausgebaut, aber weder Auftraggeber noch die Logistikwirtschaft hat die Wasserstraße wirklich ernsthaft am Radar. Ausreden wie „zu langsam, zu unflexibel“ lassen wir nicht gelten, da müssen wir uns alle selbst an der Nase nehmen und Neues ausprobieren.

Welche Forderungen stellen Sie an die Politik?
Färber-Venz: Die Politik sollte die Rahmenbedingungen schaffen, damit wir als Transportwirtschaft unsere Flexibilität beweisen können. Wir brauchen Investitionssicherheit – jetzt, für die Fahrzeuge der nächsten 15 Jahre! Daher brauchen wir klare Vorgaben hinsichtlich der nicht zu verhindernden Klima- und Energiesituation, wohin die Reise gehen wird, und nicht persönliche Befindlichkeiten einzelner Personen im politischen Rampenlicht.
Luger: Für jeden Unternehmer ist Planbarkeit ein wichtiger Faktor. Unmöglich und ­untragbar ist beispielsweise die Tatsache, dass jedes Jahr bis zur letzten Minute mit der Ver­öffentlichung der neuen Mauttarife gewartet wird. Für mich ist es unverständlich und unerträglich, dass ökologisch und ökonomisch sinnvolle Forderungen der Frächter grundsätzlich abgelehnt werden.

Wie bewerten Sie den Masterplan Güterverkehr 2030 mit der starken Betonung auf dem Thema E-Mobilität im Güterverkehr?
Färber-Venz: Wir haben uns immer für Technologieoffenheit ausgesprochen. Diese wird es auch brauchen. Es darf kein Denkverbot für nachhaltige Transportlösungen geben. Wir müssen sicherstellen, dass der steigende Strombedarf gedeckt werden kann. Wir benötigen auch den Ausbau der Infrastruktur für die Energieerzeugung inklusive Leitungen. Und wir müssen auch auf Übergangstechnologien wie eFuels und CNG/LNG setzen. Ohne diese drei Dinge wird es nicht gehen. Es braucht in jedem Fall steuerliche Vorteile inklusive Mautanreizen, um eine Technologieumstellung zu beschleunigen. Wir brauchen viel mehr Förderungen für alternative Möglichkeiten, um einen Lenkungseffekt zu erreichen. Sinnvoll wäre es auch, die Bahn für den Güterverkehr zu pushen statt immer nur den Personenverkehr hervorzukehren. Auch die Bahntarife für den Kombinierten Verkehr sind eher abschreckend als förderlich.

Apropos Technologieoffenheit: Welche Technologie hat Zukunft?
Färber-Venz: Kurzfristig jede Technologie, die hilft, endlich den Umstieg einzuleiten. Langfristig heißt das: Effizient, flexibel und nachhaltig sollte die Technologie sein. Wie sich die Entwicklungen gestalten, wird man sehen, nur – wenn wir abwarten, wird sich nichts verbessern, wir müssen starten, und zwar jetzt sofort. Ich verstehe nicht, dass der ENIN-­Förderung ein solch komplizierter Prozess vorgelagert ist. Viele Unternehmer schreckt der hohe Kaufpreis von alternativ betriebenen Fahrzeugen ab. Wenn jetzt auch noch die Einreichung zu einer Hürde wird, werden wir nicht vom Fleck kommen und die sowieso schon hohe Skepsis wird noch verstärkt.

Den Verbrennungsmotor wird es – wie jüngst auf EU-Ebene entschieden – auch noch nach 2035 geben. Der Motor ist nicht das Problem, sondern der Treibstoff, mit dem er ­betrieben wird. Haben eFuels eine Zukunftschance?
Luger: eFuels werden mit Hilfe von Strom aus erneuerbaren Energien, Wasser und CO2 aus der Luft hergestellt und setzen damit im Gegensatz zu herkömmlichen Kraft- und Brennstoffen kein zusätzliches CO2 frei, sondern sind in der Gesamtbilanz klimaneutral. Zudem können eFuels dank ­ihrer Kompatibilität mit heutigen Verbrennungsmotoren Fahrzeuge, Flugzeuge und Schiffe antreiben, die damit klimaschonend weiterhin betrieben werden können. Auch die bestehenden Transport-, Verteil- und Tankinfrastrukturen, insbesondere Tankstellen, können weiter genutzt werden.
eFuels bieten den Menschen somit die Möglichkeit, vorhandene Ressourcen bis zum Ende ihrer Nutzungsdauer wirtschaftlich sinnvoll sowie CO2-neutral einzusetzen. Das ist ein nachhaltiger Gesamtansatz. eFuels müssen dort produziert werden, wo es am effizientesten ist. Mit eFuels können die Klimaziele sozial, standortverträglich und vor allem rasch erreicht werden. Je schneller die passenden Rahmenbedingungen für die Anerkennung und Nutzung von synthetischen Kraft- und Brennstoffen geschaffen werden, desto eher können eFuels im industriellen Maßstab produziert und ein weltweites Geflecht aus Wirtschaftsbeziehungen aufgebaut werden, was letztendlich den Markthochlauf ermöglicht. Europa könnte damit die angestrebte Klimaneu­tralität erreichen und auch seine Wettbewerbsfähigkeit erhalten. Wenn mit dem Aufbau der eFuels-Produktion jetzt begonnen wird, können 2025 erste Mengen genutzt werden. Bis 2050 könnten herkömm­liche Kraft- und Brennstoffe vollständig ­ersetzt sein. Jede zeitliche Verzögerung verhindert, dass das Klimaschutzziel 2050 erreicht werden kann. Experten gehen davon aus, dass die Direktstromverwendung allein nicht ausreichen wird, um die Klimaschutzziele bis 2030 zu erreichen.

Inwiefern trifft der Fahrermangel die niederösterreichische Transportbranche?
Färber-Venz: Für mich ist der wichtigste Hebel die Wertschätzung der Lkw-Lenker. Das wäre schon einmal ein großer Schritt, um den Beruf attraktiv zu machen. Das muss nur von höchster politischer Ebene endlich zugegeben und dann auch mit Überzeugung kommuniziert werden.
Luger: Nach unseren Erhebungen haben bereits 85 Prozent der Güterbeförderungsunternehmen zusätzlichen Bedarf an Lenkern. Es ist davon auszugehen, dass sich der Fahrermangel verschärfen wird, da fast 42 Prozent der Lenker über 51 Jahre alt sind. Wir gehen davon aus, dass in Österreich zwischen 8.000 und 10.000 Lkw-Fahrer fehlen – ca. 20 Prozent davon in Niederösterreich. Es würde bestimmt helfen, wenn junge Menschen den C-Führerschein bereits gemeinsam mit dem L17-Führerschein erwerben könnten, einen entsprechenden Vorstoß für einen „C17-Führerschein“ auf EU-Ebene gibt es bereits.


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