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Verlagern und verbessern?

Der vom BMK verfasste Masterplan Güterverkehr 2030 hat das Ziel, den Güterverkehr grüner zu machen, und sieht vor, dessen Entwicklung vom Wirtschaftswachstum zu entkoppeln. Verkehr hat sich den Masterplan angesehen und in der Branche umgehört.

von: Josef Müller

Das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) hat ihn nun vorgelegt, den Masterplan Güterverkehr 2030. Dieser soll ein Kompass sein für die Entwicklung im ­Güterverkehr bis 2030 – unter Berücksichtigung der bis 2040 zu erreichenden Klimaziele (Klimaneutralität).

Vermeiden, verlagern und verbessern – das sind die großen Schlagworte, hinter denen sich zahlreiche Maßnahmen verbergen. Verkehrsministerin Leonore Gewessler präsentierte den Masterplan Güterverkehr 2030 vergangene Woche höchstpersönlich und gab sich zuversichtlich, dass es in Öster­reich gelingen wird, bis 2040 den ­Güterverkehr klimaneutral zu gestalten. „Ja, wir brauchen den Güterverkehr und bekennen uns dazu, aber er muss künftig mit den Klimazielen kompatibel sein“, so die Ministerin, die bei dieser Gelegenheit auch ein Förderprogramm für emis­sionsfreie Nutzfahrzeuge an­kündigte. 85 Millionen Euro werden in die Hand genommen, um die Anschaffung von Fahrzeugen, die nicht mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, sowie die Errichtung der erforderlichen Lade- und Betankungsinfrastruktur zu fördern.

Der Masterplan Güterverkehr basiert auf dem bereits 2021 vom BMK veröffentlichten Mobilitätsmasterplan 2030, der den Pfad für eine klimaneutrale Mobilität in Österreich abbildete. Faktum ist: Österreich ist im Verkehrsbereich zu 90 Prozent von fossilen Energien abhängig, wovon der Großteil Erdöl ausmacht. Für Gewessler ist es daher notwendig, aus fossilen Energien aus- und in erneuerbare Energiequellen einzusteigen. „Gemeinsam schaffen wir es, dass der Güterverkehr dazu seinen Beitrag leisten kann“, sagte Gewessler.

Weniger ist mehr
Claudia Nemeth, Leiterin der Sektion Güterverkehr im BMK, erläuterte vor einem großen ­Auditorium mit Vertretern aus allen Bereichen der heimischen Verkehrswirtschaft die Details des Masterplans. Derzeit hat der Lkw-Güterverkehr im Gesamtverkehr einen Anteil von 67 Prozent, die Schiene liegt bei 31 Prozent und die Binnenschifffahrt bei zwei Prozent. Bis 2040 soll der Lkw-Verkehr auf 57 bis 63 Prozent sinken, der Bahnanteil auf 34 bis 40 Prozent und die Binnenschifffahrt auf drei Prozent wachsen. Das BMK sieht dafür das Vermeiden von Verkehren, die Verlagerung auf die Schiene und die Entkoppelung des Güterverkehrs vom Wirtschaftswachstum vor.

Von 1995 bis 2020 ist in Österreich der Güterverkehr – gemessen an der Transportleistung – um 72 Prozent gestiegen, während gleichzeitig die Wirtschaftsleistung nur um 44 Prozent zugelegt hat. Daher sieht das BMK hier Handlungsbedarf und will diese beiden Bereiche entkoppeln. Prognosen zufolge soll sich das Wirtschaftswachstum bis 2040 um 40 Prozent erhöhen – parallel dazu sollen die Güterverkehrsleistungen auf ein Wachstum von zehn Prozent reduziert werden. Damit das gelingt, sollen Verkehre möglichst vermieden und gebündelt, zudem sollen externe Umweltkosten internalisiert werden. Auch mithilfe einer besseren Raumplanung, der Forcierung der ­Digitalisierung und der regio­nalen Produktion, der Ausweitung des Mautsystems auf alle Straßen, mit einer Emissionsbepreisung und vielen weiteren Maßnahmen sollen die Ziele erreicht werden.

Mehr auf die Bahn und auf das Schiff
Bei der Verlagerung von Transporten auf die Schiene zeichnet sich künftig eine möglicherweise noch stärkere Einschränkung der freien Verkehrsmittelwahl ab. Auch wenn Nemeth gegenüber Verkehr von keiner politischen Einschränkung spricht, so findet eine solche de facto schon statt. Seit ­Beginn dieses Jahres ist gesetzlich vorgeschrieben, dass in Österreich unter bestimmten Bedingungen Abfalltransporte von der Straße auf die Schiene verlagert werden müssen. Im Masterplan ist die Ausweitung verpflichtender Verlagerungen von der Straße auf die Schiene explizit festgeschrieben. Bei der Verlagerung auf die Bahn spielt der Kombinierte Verkehr eine wichtige Rolle. Nemeth kündigte hier weitere öffentliche Förderungen in diesem Bereich an. So sollen Anschlussbahnen und Investitionen in den Kombi-Verkehr genauso gefördert werden wie kombifähiges Equipment.

Verlagert werden soll nicht nur auf die Schiene, sondern auch auf das Binnenschiff, dessen Bedeutung innerhalb von Logistikketten künftig stärker forciert werden soll. Die Wasserstraßengesellschaft viadonau ­bemüht sich seit Jahren, Verlader und Transporteure zusammenzubringen, damit beispielsweise mehr schwere und sperrige Güter auf dem Wasserweg befördert werden.

Zustimmung und skepsis
Aus der Verkehrswirtschaft hört man durchaus Zustimmung für den Masterplan, aber es macht sich auch Skepsis breit, besonders wenn es um die Entkoppelung des Güterverkehrs vom Wirtschaftswachstum geht. Nikolaus Hirnschall, Geschäftsführer des Kombi-Operateurs Roland Spedition, erachtet die politisch motivierte Entkoppelung für ein „wenig realistisches Ziel“. Der Masterplan sei ambitioniert und habe laut Hirnschall seine Berechtigung, um die Klimaziele zu erreichen: „Ich stehe dem Ganzen positiv gegenüber und jetzt gilt es, Güter auf die Schiene zu bringen. Jeder Container zählt.“

Für Alexander Klacska, Obmann der Bundessparte Transport und Verkehr in der Wirtschaftskammer Österreich, ist der Plan ehrgeizig, lässt aber einige Fragen offen. Damit die Verkehrswende gelingt, müssten mehrere Faktoren optimal zusammenspielen, so Klacska gegenüber Verkehr: „Erstens müssen Fahrzeuge mit alternativen Antrieben ausreichend und zu leistbaren Preisen auf dem Markt verfügbar sein. Zweitens muss EU-weit die erforderliche alter­native Lade- und Tankinfrastruktur ausgebaut werden und die Kraftstoffe müssen in ausreichender Menge zu wirtschaftlich darstellbaren Preisen vorhanden sein.“ Zudem wird die öffent­liche Hand weit tiefer in die Tasche greifen müssen als bisher und Förderungen anbieten, die die tatsächlichen Mehrkosten für Unternehmen abdecken.

Positiv sieht Klacska, dass Gewessler betont, dass es sich bei der Umsetzung der geplanten Maßnahmen um einen offenen Prozess handle und dabei auch auf Best Practice setzt. „Diese Best-Practice-Beispiele zeigen, dass viele Unternehmen auf Eigeninitiative schon in die Entwicklung und Austestung neuer Technologien investiert haben“, sagt Klacska.

Vorbehalte in der Speditionsbranche
Mit dem vorgelegten Masterplan Güterverkehr 2030 habe das Verkehrsministerium eine große Chance zur nachhaltigen Dekarbonisierung vertan, stellt hin­gegen Alexander Friesz, Präsident des Zentralverbandes Spedition & Logistik (ZV), gegenüber Verkehr fest.

Österreich gefährde durch falsche Zielsetzungen und politische Verschleppung den Güterverkehr und damit die Versorgungssicherheit. Die Folge von falschen Kapazitätsannahmen und Zwangsverlagerungen in Richtung Schiene sei, dass man sehr viel Steuergeld falsch investiert, wie auch der Europäische Rechnungshof in diesem Zusammenhang massiv kritisiert. Friesz geht davon aus, dass sowohl der Güterverkehr insgesamt als auch der Anteil des Transports auf der Straße weiter steigen werden. Und: „Eine Entkoppelung des Güterverkehrswachstum vom Wirtschaftswachstum ist rational nicht nachvollziehbar.“ Das Ziel müsse deshalb sein, der Realität eines weiteren Güterwachstums ins Auge zu sehen und die Straße als wichtigsten Verkehrsträger nach wissenschaftlichen Erkenntnissen und technischen Möglichkeiten mit ausreichend finanziellen Mitteln nachhaltig zu dekarbonisieren, so Friesz.

Technologieoffenheit notwendig
Grundsätzlich begrüßenswert ist für den ZV das jetzt gestartete ENIN-Förderprogramm emissionsfreier Nutzfahrzeuge mit ­dazugehöriger Infrastruktur. Die Fördersumme sei aber viel zu gering, um die für eine Dekarbonisierung des Güterverkehrs notwendige Dynamik zu entwickeln. Darüber hinaus bleibe abzuwarten, ob neben der E-Mobilität auch Wasserstoffantriebe und deren Infrastruktur gleichwertig gefördert werden. Der Zentralverband fordert einmal mehr echte Technologie­offenheit und konsequenterweise auch die Förderung von eFuels im Güterverkehr, nachdem diese nun von der Europäischen Union als grüne Technologie definiert wurden. 


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