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Mythos Seidenstraße - Teil 15: das große Jubiläum

Foto: FH des BFI Wien
Andreas Breinbauer ist Rektor und Leiter der Studiengänge Logistik und Transportmangement an der Fachhochschule des BFI Wien.
Foto: FH des BFI Wien

Bereits seit mehreren Jahren erläutert Andreas Breinbauer in seinen regelmäßigen Kommentaren für die Verkehr-Leserinnen und -Leser das große chinesische Projekt der "Neuen Seidenstraße". Im Rahmen dieser Serie zieht er nun in Kommentar 15 Bilanz über die Belt and Road Initiative.

von: Andreas Breinbauer

Die chinesische Belt and Road Initiative (BRI), die im September 2023 das Zehn-Jahre-Jubiläum feiert, war jüngst starker Kritik ausgesetzt, insbesondere von westlichen Medien. Die Infrastrukturprojekte seien zu wenig koordiniert, schlecht kommuniziert und chaotisch bzw. ineffizient durchgeführt worden. Damit verfehle China seine BRI-Ziele genauso wie durch ungesicherte Investitionen in Hochrisiko­länder. 60 Prozent der Kredite für BRI-Projekte sind nach ­einer jüngeren Studie vom Zahlungsausfall betroffen. Dadurch treibe China Länder in eine Schuldenfalle, wolle damit die Abhängigkeit steigern und den Einfluss ausdehnen, indem es den Zugriff auf kritische Infrastruktur erlangt. Oftmals kämen bei Investitionen nur chinesische Firmen zum Zug, die regionale Wirtschaft würde kaum davon profitieren und vielerorts könnten neokoloniale Tendenzen beobachtet werden, gegen die sich zunehmend lokaler Widerstand regt.

Westlicher Blick beruht auf Unwissen
Einige Vorwürfe sind sicherlich berechtigt. Eine Win-Win-Situation ist teilweise schwer auszumachen. Dass die Kritik meines Erachtens manchmal überzogen ist, hängt wohl auch damit zusammen, dass die BRI oftmals sehr eingeschränkt als Infrastrukturentwicklungsprojekt verstanden wird. In Wirklichkeit gibt es neben diesem Bereich weitere Kooperationsfelder, nämlich: Handel/Investitionen, Finanzen und ­Finanzierungsysteme sowie ­politische, wissenschaftliche und kulturelle Kooperationen.
Eine weit verbreitete Fehleinschätzung ist der regionale Fokus der BRI. Diese hatte am Anfang tatsächlich einen eurasischen Schwerpunkt, wurde aber spätestens 2017 mit der Ausdehnung auf Afrika und ­Lateinamerika deutlich erweitert. Heute bekennen sich 149 Länder zur BRI, also in etwa zwei Drittel aller Länder der Erde. Auch thematisch ist die BRI heute weitgehend unlimitiert.

Erfolge der BRI
In dieser Auslegung sieht eine Erfolgsbilanz deutlich differenzierter aus. Ich möchte hier nur einige Aspekte aus der ­großen Palette herausnehmen. Das Handelsvolumen Chinas mit den Ländern entlang der Seidenstraße hat sich in den zehn Jahren auf beinahe elf Billionen US-Dollar vervielfacht. Im ersten Halbjahr 2023 exportierte China erstmals mehr in die BRI-Länder als in die USA, ­Japan und die EU zusammen. Im Intra-Asien-Handel hat China Indien deutlich abgehängt, das Volumen ist fünfmal höher als jenes des südlichen Nachbarn. Noch schneller ist der zukunftsträchtige E-Commerce-Handel mit den BRI-Ländern gewachsen: von 2019 auf 2021 um das Elffache auf ein Gesamtvolumen von 228 Milliarden US-Dollar – das sind 73 Prozent des gesamten internationalen E-Commerce-Handels Chinas.
Seit der Einführung der BRI ist China bis Juni 2023 mit knapp über einer Billion US-Dollar in BRI-Staaten engagiert, vor allem um neue Märkte und Rohstoffe zu erschließen. Hier sind vorwiegend chinesische Staatsunternehmen aktiv, für die die BRI ein Komplettpaket für deren Internationalisierung bietet. In den für die grüne Wende notwendigen strategischen Metallen (u. a. Lithium) sind die Investitionen im ersten Halbjahr 2023 gegenüber dem Halbjahr 2022 um 131 Prozent gestiegen; damit sichert sich China weiterhin den Zugang zu den Ressourcen im Ausbau der Vormachtstellung im Bereich der elektrischen Antriebe.
Der Infrastruktursektor ist der sichtbarste Teil der BRI, mehrere 1.000 Projekte wurden bereits umgesetzt. Aus chinesischer Sicht besonders erfolgreich sind die Hafenbeteiligungen, allen voran in Piräus. Durch den Infrastrukturausbau adressiert die BRI einen objektiven Bedarf, der allein in Asien von der ADB mit mehr als eine Billion US-Dollar pro Jahr geschätzt wird. Mehr noch: Durch die chinesischen Ambitionen sind auch die Weltbank, die Asian Development Bank und andere Player aktiver in Infrastrukturprojekten engagiert. Damit hat die BRI ­einen wesentlichen weltweiten „push“ zu Infrastrukturverbesserungen ausgelöst. Gerade in Afrika, wo die Wahrnehmung der BRI weltweit am positivsten ist, gibt es einige Vorzeigeprojekte mit teilweise guter einheimischer Beteiligung. Dazu zählen der Ausbau des Hafens Djibouti und die kenianische Eisenbahnstrecke zwischen Mombasa und Nairobi. Daneben wurden Bahnlinien gebaut, die mehrere Staaten verbinden (wie die Strecke von Addis ­Abbeba zum Hafen von Djibouti), welche den intraafrikanischen Handel vorantreiben. Ein weiteres Prestige-Projekt ist die Hochgeschwindigkeitsstrecke Jakarta–Bandung in Indonesien, bei dem erstmals chinesische Standards außerhalb von Chinas umgesetzt werden, aber gleichzeitig der Know-how-Transfer nach Indonesien gesichert werden soll.
Erwähnenswert sind die ­Aktivitäten im China–Pakistan-Wirtschaftskorridor mit einem Netz aus Energieanlagen, Industriezonen, Straßen, Eisenbahnen, städtischen Verkehrsverbindungen und Häfen. Auch im Bereich der „Digital Silk Road“ wurde einiges zu Wege gebracht, z. B. die Glasfaserverbindungen zwischen Afrika und Südamerika.
In den Seidenstraßenländern kann China auch andere strategische Ziele leichter erreichen als außerhalb: Ein wesentliches und oft vernachlässigtes Thema ist, dass die BRI als Vehikel für die Durchsetzung von chinesischen Standards dienen soll. Dazu gehören technische Vorgaben, z. B. im Schienenverkehr, aber auch die Verbreitung der chinesischen Währung als Zahlungsmittel sowie verstärkt  ebenfalls die Durchsetzung chinesischen Rechts bei Vertragsgestaltungen. Außerdem erhöht China mit der BRI weltweit den Aktionsradius durch Austausch im Bereich Bildung, Wissenschaft und Kultur sowie durch politische Kooperationen, die andere Initiativen wie die BRICS ergänzen.

Alternativen?
Der Westen hat dem wenig entgegenzusetzen. Alternative Entwicklungsinitiativen blieben meist in der Konzeptionsphase stecken. So gibt es keine nennenswerten Umsetzungen der 300-Milliarden-Euro-Antwort der EU auf die neue Seidenstraße, das sogenannte „Global Gateway“. Auch von der „Partnership for Global Infrastructure and Investment“, einer Neuauflage der Kampagne „Build Back Better World“ der USA und der G7, ist wenig zu sehen.
Wie geht es nun weiter mit der BRI? Da die BRI eng mit Präsident Xi Jinping verknüpft ist, gibt es kein Scheitern ohne Gesichtsverlust und ist daher sehr unwahrscheinlich. Allerdings ist auch den chinesischen Entscheidungsträgern klar, dass eine Modifikation notwendig ist. Es zeichnet sich ab, dass zukünftige Engagements in sechs Projekttypen erfolgen werden: neue Technologien und den notwendigen Ressourcen, erneuerbare Energien, Infrastruktur (hier Pipelines und Straßen), IKT (z. B. Rechenzentren), Ressourcen (Bergbau, Öl, Gas) und strategische Projekte wie Eisenbahnausbau.
Sehr wahrscheinlich ist die Konzentration auf Wirtschaft und Nachhaltigkeit und Kooperationen in Bildung, Wissenschaft und Kultur. Die Projekte sollen kleiner und überschaubarer, besser koordiniert und kommuniziert werden. Außerdem sollte der „Win“ für die Partner in den BRI-Projekten stärker akzentuiert werden, wenn man, mehr als bisher, „die Herzen der Menschen“ gewinnen will.


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