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Lokvermietung auch künftig gefragt

Foto: ELL
Immer mehr Bahnunternehmen, die im Staatseigentum sind, fragen bei ELL an. Das sei eine große Chance für den europaweit tätigen Lokomotiven-Vermieter, erklärt Christian Kern, sagt ELL-Chef Christian Kern, früherer österreichischer Bundeskanzler.
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ELL will wachsen und bestellt weitere Lokomotiven, sagt CEO Christian Kern. Wie das Geschäftsmodell aussieht und wo die Reise hingehen soll, hat Verkehr nachgefragt.

von: Stefan May

European Locomotive Leasing, ELL, einer der größten Lokomotiven-Vermieter Europas mit Hauptstandorten in Wien und München, wird nächstes Jahr den zehnten Geburtstag feiern. Das Unternehmen wurde vor drei Jahren von den damaligen Eigentümern Christoph Katzensteiner und der KKR-Beteiligungsgesellschaft an die Versicherungsgesellschaft AXA und die französische Bank Crédit Agricole verkauft. „Das sind die größte europäische Ver­sicherung und die drittgrößte ­europäische Bank“, sagt ELL-Chef Christian Kern, früherer österreichischer Bundeskanzler. „Wir haben eine Bilanz, eine Aktivseite, die bei 1,3 Milliarden Euro liegt – also da steckt schon geballte finanzielle Power dahinter“, fügt er hinzu.
Die ist auch notwendig in dieser Branche. Denn die Anschaffung von Lokomotiven ist teuer. Über 200 Stück verfügt ELL derzeit, nächstes Jahr werden es 241 sein. „Wir wachsen gerade sehr stark und planen weitere Investitionen“, sagt Kern. ELL kauft Loks und vermietet sie an Kunden. Der durchschnittliche Kundenvertrag läuft zwischen drei und vier Jahren. Nach dieser Zeit werden die Verträge entweder verlängert oder die ­Lokomotiven an andere Kunden verleast.

Kunden in ganz Europa
Das Unternehmen garantiert für die Dauer des Vertrags die Verfügbarkeit und den einwandfreien Zustand der Lokomotiven. Dafür wird die Wartung der Loks organisiert. ELL arbeitet mit 35 Werkstätten zusammen, die über ganz Europa verteilt sind. „Wir machen den gesamten Serviceprozess, von den Niederlanden bis Tschechien, von Deutschland bis Italien“, sagt Kern. „Wir haben mittlerweile Kunden in 16 europäischen Ländern.“
Diese Kunden vermeiden das hohe Investment für einen Lok­ankauf, vielfach haben sie nur eine geringe Kapitalbindung. Durch das Leasing bleiben sie flexi­bler in ihrem Kerngeschäft, dem Transport auf der Schiene. „Aber wir sehen, dass zunehmend auch Staatsbahnen interessiert sind“, sagt Kern. „Wir haben Kunden in den Niederlanden, in Tschechien, in der Schweiz, in Deutschland, die in staatlichem Eigentum sind.“

Hoher Bedarf bringt Wachstum
Das Bild ändere sich gerade, weil nicht nur private Cargotransporteure, sondern auch private Personenverkehrsbetreiber und staatliche Cargo- und Personenverkehrsunternehmen zu­nehmend nachfragen würden. Darin sieht Kern die Chancen für seine Branche: Die Lokomotiven-Flotte in Europa ist überaltert, der Ersatzbedarf ist groß. „Gleichzeitig gewinnen unsere aktivsten Kunden, das sind private Operateure im Güterverkehr, Marktanteile von der Deutschen Bahn, der SNCF oder ÖBB Rail Cargo Group.“ Aufgrund dieses Erneuerungsbedarfs wachse das Segment Lokvermietung stark. „An den Zahlen der DB Cargo sieht man, dass die Bahnen derzeit so viel Geld verlieren, dass sie irgendwann einmal ihre Spielräume ausgereizt haben, selbst zu investieren. Und dann wird auch das ein Kundensegment werden, wo wir in Zukunft deutlich mehr Geschäft haben werden, nämlich bei staatlichen Anbietern.“  

Schlankes Geschäftsmodell
ELL vermietet keine Güter- und Personenwagen. Und auch bei den Lokomotiven konzentriert sich das Unternehmen ausschließlich auf einen Typ: der Vectron von Siemens. Das hat einen Grund: „Eine konzise und fokussierte Flottenstrategie bringt massive Kostenvorteile, denn das Maintenance-Network und das Ersatzteilmanagement sind im Bahngeschäft extrem kapitalintensiv“, erläutert Kern. „Je mehr verschiedene Typen und Plattformen wir haben, desto teurer und aufwändiger wird es für die Ersatzteilvorhaltung, für die Ausbildung der Werkstätten und für das Management der Flotte.“ Darin sieht Kern einen massiven Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz. Das Geschäftsmodell simpel und schlank zu halten, sei die absolute Stärke von ELL. „Wir leisten uns keinen Luxus, sondern sind extrem fokussiert.“ Das führe dazu, wesentlich schneller entscheiden zu können und niedrigere Kosten als die Mitbewerber zu haben. Deshalb wolle man auch nicht diversifizieren.
Und die Mitbewerber? Kern nennt noch drei weitere Unternehmen der Branche, mit denen man sich an der Spitze in Europa befinde: Railpool mit Sitz in Deutschland, Akiem aus Frankreich und neuerdings ­Beacon aus Großbritannien.

Komplexität = höhere Kosten = Wettbewerbsfähigkeit sinkt
Trotz Wachstum und guter Aussichten für die Zukunft sieht ELL-Chef Kern doch auch ­Gefahren für die Branche: Die Regulierung sei ein Problem für den Eisenbahnverkehr in Europa. „Wir haben heute noch ­keinen klaren einheitlichen Ausrollplan der neuesten Generation der Zugleitsysteme, nämlich ETCS“, klagt er. „Das ist sicherlich etwas, das den Güter­verkehr bremst.“ Aber aufgrund diverser Initiativen, Cargo von der Straße auf die Schiene zu bekommen, werde der Güterverkehr auf der Bahn wachsen. „Das sind enorme Chancen, aber gleichzeitig muss man schauen, dass man es nicht zu kompliziert macht, sodass die Kosten des Bahnsektors gegenüber der Straße nicht wettbewerbsfähig sind.“


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