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„Ich sehe das Potenzial nicht!“

Foto: cargo-partner / Esther Horvath
Politiker müssen den Mut haben, die wichtigen Probleme anzugehen, so Stefan Krauter, CEO von cargo-partner.
Foto: cargo-partner / Esther Horvath

Stefan Krauter, CEO von cargo-partner, spricht im Interview mit Verkehr über die „Neue Seidenstraße“, seine Einschätzung der Breitspurbahnverlängerung und die Digitalisierung.

von: Bernd Winter

Verkehr: Ist der Hype um die „Neue Seidenstraße“ gerechtfertigt?
Stefan Krauter:
Es handelt sich dabei bekanntlich nicht um eine Straße, sondern um viele verschiedene Möglichkeiten. Die chinesische Regierung ist sehr daran interessiert, sich die Routen offenzuhalten. Man denkt da am meisten an die Schienenver­bindung, denn die hat sich schlichtweg (natürlich auch auf Grund von politischem Interesse) etabliert. Sie ist aber eine lukrative Option, sowohl in ­Bezug auf den Preis als auch auf die Laufzeit. Ich finde es groß­artig, dass dadurch eine wirtschaftliche Verbindung aufgebaut wird. Handel ist der Ausgleich von Potenzial und Reichtum. Wir müssen in Österreich aber aufpassen, dass wir nicht zu viel Familiensilber verkaufen.

Ist die „Neue Seidenstraße“ auch ein Thema für Sie?
Krauter:
Wir sind seit einigen Jahren schon in China aktiv und haben Sammel- und Ladungsverkehre aufgebaut. Wir haben etwa 10 bis 15 Sammelcontainer pro Woche. In Österreich redet man in Bezug auf die „Neue ­Seidenstraße“ oft auch von der Breitspurbahnverlängerung bis in den Großraum Wien. Das ist aber abseits der Verkehrsrealitäten. Bei der Schienenverbindung handelt es sich um reine Container­verkehre, weil die ­Logistik auf der chinesischen Seite damit arbeitet. Die Mengen, aber auch die Lage bei Wien werden falsch eingeschätzt. Wien ist (noch) ein Gateway von West- nach Osteuropa. Von China aus gesehen ist das aber nicht der Fall. Die Verkehrsströme gehen über Brest nach Weißrussland. Aber auch wenn die Route über die Ukraine genommen wird, würden sich auf dem Weg etliche Verteilungspunkte ergeben, lange bevor Wien erreicht wird. Es ist nicht sinnvoll, parallele ­Infrastrukturen zu bauen. Es fehlen auch die Frachtmengen. Ich sehe das ­Potenzial schlichtweg nicht!

Chinesische Logistiker werden (u. a. auf Grund des enorm ­­gestiegenen E-Commerce) vermehrt in Europa eindringen. Es gibt auch europäische ­Firmen, die zusammen mit chinesischen Partnern Joint Ventures in China gründen. Wie sieht Ihre Strategie im Reich der Mitte aus?
Krauter:
Wir sind bereits seit zwölf Jahren in China und ­decken die Verkehrszentren (wie z. B. Häfen) gut ab. Wir ­rücken ­parallel zu den poli­tischen Entwicklungen des ­Landes auch immer mehr ins Zentrum Chinas. Das Land forciert die Investments in den westlichen Provinzen, wo es sehr viele arme Menschen, aber auch Arbeitskräfte gibt. Das Land will eine wirtschaftliche ­Balance schaffen. Je weiter man in den Westen Chinas geht, desto interessanter wird die Bahn. Ich glaube einen Trend bemerkt zu haben, dass in ­diesen küsten­fernen Provinzen Industrien angesiedelt werden, die entweder Luft- oder die Bahntransporte bevorzugen.

Wird die Bahn, sofern es gelingt, die Transporte in neun oder zehn Tagen abzuwickeln, Fracht, die für Lufttransporte vorge­sehen war, abziehen?
Krauter:
Das ist heute schon der Fall. Die bahnseitige Seidenstraße steht in Konkurrenz zur Luftfracht. Die Luftfracht spürt es. Ein Beispiel wäre der Premium-Automotive-Bereich. Früher kam die Bahn-Option zum Tragen, wenn es einen Rückstau bei der Luftfracht gab. Heute wird die Option bereits in der Supply Chain eingeplant – das ist ein ganz großer Schritt.

Birgt die „Neue Seidenstraße“ auch Risiken?
Krauter:
Sie ist ein Risk-­Minimierungs-Faktor für den ­chinesisch-europäischen Handel. Im Welthandel gibt es sehr viele verwundbare Stellen, man denke da zum Beispiel an den Sues­kanal. Wenn dort ein Schiff versinkt, dann kann es sein, dass alle anderen Schiffe eine Weile lang um ganz Afrika herum­fahren müssen. Daneben ist auch die Straße von Malakka, die von Piraten unsicher gemacht wird, ein Risikofaktor. Ich verstehe daher die chinesischen Ambitionen, die Handelswege abzusichern und Alternativen zu schaffen.

Nehmen wir kurz eine andere geographische Region in den Fokus: Osteuropa. Wo liegen hier Ihre Schwerpunkte?
Krauter:
Wir wachsen dort immer noch zweistellig und wollen dort stärker und besser ­werden. Wir gehen stark in den Auto­motive-Sektor hinein. ­Außerdem erweitern wir unsere Kapazitäten. In Prag haben wir zum Beispiel ein Lager mit 11.000 m2 gebaut. Das Lager wird für uns mehr ein Mittel zum Zweck, um uns mit dem Kunden zu integrieren und Leistungen in der geschlossenen Kette anzubieten.

cargo-partner ist auch Partner der neuen Dachmarke „Austrian Logistics“. Wie ­­stehen Sie zu der Dachmarke?
Krauter:
Wir wollen uns mit ­anderen zusammenschließen, um die Ziele der Logistik voranzutreiben und ihre Interessen zu vertreten. Wir wollen das Image der Logistik verbessern. Es ist aber auch eine Branding-Maßnahme, um Nachwuchskräfte für die Branche zu begeistern.

Apropos Fachkräftemangel. Wie gehen Sie damit um?
Krauter:
Wir nutzen die gleichen Mittel, um Leute zu uns zu locken wie alle anderen Firmen auch, nur machen wir das hoffentlich besser. Wir haben den Vorteil, dass wir Menschen, die über eine internationale Karriere nachdenken, firmenintern gut fördern können. Wir können auch eine Vielzahl an Karrieremöglichkeiten anbieten – von der Disposition und Lager­haltung bis zur IT oder zum Produktmanagement. Wir sind bei Tagen der offenen Tür bei HTL, TU und WU vertreten. Wir haben aber auch auf der Career Calling, Österreichs größter Karrieremesse, bereits seit ­einigen Jahren einen Stand und bekommen dort viel Zuspruch.

Was verstehen Sie unter dem Begriff Digitalisierung?
Krauter:
Darunter verstehe ich ­einen Kultursprung, wie es der Buchdruck war. Wir sind auf dem Weg in ein Informationszeitalter. Betriebe müssen ­genau über­legen, wie sie sich positionieren wollen, um den entsprechenden Kundennutzen darzustellen. Es ist ein Rennen gegen die Uhr, man muss da schnell sein. Die Digi­talisierung bietet aber auch sehr viele Chancen.

Wie wird cargo-partner im Jahr 2025 aussehen?
Krauter:
Wir würden uns gerne bis dahin verdoppeln und uns zu den globalen Top-20 der Luft- und Seefrachtspediteure ent­wickeln – derzeit liegen wir ungefähr auf Platz 30.

Haben Sie Wünsche an die ­Politik?
Krauter:
Ich wünsche mir mehr Gedanken an die Zukunft, mehr Raum für Unternehmertum. Dafür müsste die Überregulierung bewältigt werden. Ich wünsche mir mehr Konkurrenzfähigkeit und die Möglichkeit, auslän­dische Fachkräfte ins Land holen zu können und nicht auf Grund der Steuerpolitik die besten Leute zu verlieren. Ich wünsche mir, dass die Politik den Mut hat die wichtigen Probleme anzugehen und über den Tellerrand zu denken. Zudem muss die Umweltpolitik viel ernster genommen werden.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Dieses Interview erschien ursprünglich in der Ausgabe VK 41/2019.


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