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Es ist nicht alles Gold, was glänzt …

Im Technischen Museum in Wien wurden beim 21. Eisenbahnkolloquium der ÖVG die aktuellen Herausforderungen für die Bahn diskutiert.
Während Andreas Matthä, Vorstandsvorsitzender der ÖBB-Holding und Präsident der ÖVG, die Situation der heimischen Bahn präsentierte ...
Fotos: Stefan May
... erläuterte Beat Künzli, Verkehrsplaner bei SBB CFF FFS, mit welchen Schwierigkeiten auch das große Bahn-Vorbild Schweiz zu kämpfen hat.
Fotos: Stefan May

Alles spricht für die Bahn. Doch die könnte nach jahrzehntelanger Vernachlässigung vom plötzlichen Ansturm durch Passagiere und Güter überfordert sein – so lautete die ernüchternde Erkenntnis des 21. Eisenbahnkolloquiums der ÖVG, das vor kurzem in Wien im Technischen Museum abgehalten wurde. Verkehr besuchte die Veranstaltung und hörte genau zu, wo die konkreten Probleme, aber auch die (technisch) möglichen Lösungen liegen (könnten).

von: Stefan May

„Die Bahnen stehen vor einem goldenen Zeitalter“, sagte Andreas Matthä, Vorstandsvorsitzender der ÖBB-Holding und Präsident der Österreichischen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft. Letztere hatte zum alljährlichen Wiener Eisenbahnkolloquium ins Technische Museum eingeladen, das diesmal den Titel trug: „Die Leistungsfähigkeit der Eisenbahn – Grenzen und Chancen“.

Der ersehnte Heilsbringer kann auch nicht alles richten
Matthä schränkte auch selbst gleich ein: „Dieser Erfolg hat uns an die Grenzen unserer Leistungsfähigkeit gebracht. Da muss man höllisch aufpassen, dass wir unser Versprechen, pünktlich zu sein, halten.“ Doch es ist nicht allein die Pünktlichkeit, auf die die Bahn achten muss. Als jahrzehntelang von der Politik vernachlässigtes Verkehrsmittel soll sie nun plötzlich zum Mobilitätsretter in der Klimakrise werden.  

Mehr Personen – mehr Herausforderungen
„Wir müssen liefern, jetzt liefern“, mahnte Thomas Siefer von der Technischen Universität Braunschweig. „Wenn der Individualverkehr elektrifiziert wird, sinkt der Umweltvorteil der Bahn.“ Die Verkleinerung der Blockabstände bei der Signalisierung ließen mehr Züge zu. Doch verlängerte Haltezeiten in den Stationen würden bereits neue Probleme schaffen. Außerdem sinke bei Taktverkehr im Mischbetrieb von Personen- und Gütertransport die Leistungsfähigkeit der Bahn, so Siefer.

Technik zieht um
Künftig wird die Technik verstärkt von der Strecke ins Triebfahrzeug übersiedeln. Die ÖBB wollen 3.300 Kilometer mit dem European Train Control System (ETCS) ausrüsten, was Sicherheit und Verfügbarkeit steigern soll. ETCS werde auch ATO ermöglichen, den Autopiloten für den Bahnverkehr, sagte Christian Sagmeister von der ÖBB-Infrastruktur. Statt derzeit 657 Stellwerken werde es ab 2028 nur mehr drei Rechenzentrum-Standorte geben.

Fehler der anderen ausbügeln
Seit Monaten liegen die ÖBB um 18 Prozent über dem Fahrgastrekordjahr 2019. Sabine Stock vom ÖBB-Personenverkehr kündigte neue Nightjet-Garnituren an. Der größte Investitionsteil fließe aber in die Nahverkehrsflotte. So würden etwa neue Doppelstockzüge für die Ostregion bestellt. 2026 sollen die ersten Aku-Triebzüge im Kamptal unterwegs sein. Da Österreichs Fernzüge großteils ins Ausland fahren und Deutschland derzeit nur Pünktlichkeitswerte von 60 Prozent habe, müssten sich die ÖBB anstrengen, die eigene Pünktlichkeit von 80 Prozent zu halten, sagte Stock: „Für unsere Nightjets haben wir eine eigene Verkehrsleitzentrale bei der Deutschen Bahn mit drei Leuten eingerichtet, damit sie trotz Baustellen pünktlich ans Ziel kommen.“

Der Blick über die Grenze
Österreich ist EU-weit Bahnland Nummer eins. Europaweit wird es allerdings traditionell von der Schweiz übertroffen. „Auch bei uns sehen wir, dass nicht alles rosig ist“, räumte Beat Künzli von den SBB ein. „Es kommt etwas ins Wanken, die regionalen Unterschiede verstärken sich.“ Auch in der Schweiz sind es derzeit die Baustellen, die Sorgen bereiten. Hinzu kommt, dass das Netz immer besser ausgelastet ist. Bis 2040 soll der Schienenverkehr in der Schweiz aber wieder robust und stabil sein, so das Ziel.

Die Zeitproblematik
Dass vieles bei der Verbesserung der Leistungsfähigkeit an vermeintlichen Kleinigkeiten liegt, zeigte Bernhard Rüger von der Technischen Universität Wien auf, der auf langjährige Versuche und Befragungen verwies. Pünktlichkeit, Energieeinsparung, Reisezeitverkürzung und Erreichbarkeit von Kantenzeiten würden durch die Dauer des Fahrgastwechsels in den Stationen beeinflusst. Diese Dauer wiederum ließe sich durch breitere Türen und mehr Auffangraum dahinter verkürzen. Das Verstauen von Gepäckstücken könne zusätzlich Rückstaus in den Waggons erzeugen. Selbst Spaltüberbrückungen zum Bahnsteig würden eine kürzere Haltedauer ermöglichen.

DAK
Mehr an Bedeutung gewinnt inzwischen auch die Redundanz, also den Betrieb der Bahn auch bei technischen Störungen aufrecht erhalten zu können – insbesondere bei zunehmender Digitalisierung. Für sie steht stellvertretend die derzeit europaweit in Erprobung befindliche Digitale Automatische Kupplung (DAK) im Güterverkehr. Im Laufe der Zeit wurden die Puffer schwerer und haben ein Gewicht von bis zu 150 Kilogramm, gab Markus Hecht von der TU Berlin zu bedenken. „Auch die Schraubenkupplung wurde von 28 auf 36 Kilogramm erhöht.“
Aktuell gehe es um die finale technische Entwicklung sowie die Zulassungs-, Finanzierungs- und Umrüstplanung. Für 2027 und 2028 sei flottenweise die Hauptumrüstaktivität der europäischen Güterwagen geplant, die 2030 beendet sein soll. „Ein wesentliches Problem wird sein, dass man während der Umrüstung mehr Gleise braucht und außerdem zusätzliche Werkstattkapazitäten“, sagte Hecht. 

Hyperloop
Einen Blick in die Zukunft wagte Felix Hsu von der TU München. Er hatte sich mit einem studentischen Team seiner Universität an der Idee eines Hyperloop von Elon Musk beteiligt, nach der in einer luftleeren Röhre Personen in schwebenden Fahrzeugen mit hoher Geschwindigkeit von bis zu 900 Stundenkilometern befördert werden sollen. Immerhin konnten in ersten Versuchen schon 482 Stundenkilometer erreicht werden. Im vorigen Oktober fand der Spatenstich für eine einen Kilometer lange Demonstrationsstrecke statt. Irgendwann könnten dann etwa 20.000 Personen pro Stunde und Richtung zwischen München und Berlin innerhalb weniger als einer Stunde befördert werden. Größtes Problem sei allerdings noch die Infrastruktur, räumte Hsu ein. 

Kurzer Ausflug auf die Straße
Auch der Straßengüterverkehr wurde beim Eisenbahnkolloquium thematisiert; hier widmete sich die Veranstaltung der Technik von Oberleitungs-Lkw auf Autobahnen. Allerdings wird diese zumindest für Österreich eine Totgeburt bleiben: „Wir werden das nicht weiter verfolgen“, kündigte Bernhard Hintermayer von der Asfinag an. Denn nach eingehenden Analysen würden die Nachteile die Vorteile überwiegen. Mastenwald und verhinderte Hubschrauberlandemöglichkeiten bei Unfällen würden hauptsächlich gegen die Technologie sprechen, so das Fazit.

 

 

 


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Hören Sie hier das Interview mit Andreas Matthä, CEO der ÖBB Holding.

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