Auf der vergeblichen Suche nach einer passenden Fracht- und Laderaumbörse beschloss der deutsche Spediteur Jens Thiermann bereits Ende der 1990er-Jahre die Sache selbst in die Hand zu nehmen: Er gründete Timocom und entwickelte die Plattform selbst. Heute hat das Unternehmen mehr als 500 Mitarbeiter. Verkehr fragte die beiden Manager Gunnar Gburek, Company Spokesman & Head of Business Affairs, sowie Steven van Cauteren, Head of Key Account & Partner Management, nach ihrer Einschätzung zu den digitalen Trends am Logistikmarkt.
Verkehr: Wie entwickelt sich die Digitalisierung in der Logistik?
Steven van Cauteren: In der Transport- und Logistikbranche fängt Digitalisierung mit dem Transportmanagementsystem an. Das bedeutet auch, dass man neue Wege der Zusammenarbeit sucht, dass man bereit ist, den aktuellen Umgang mit Daten kritisch zu hinterfragen und das Thema Transparenz neu zu betrachten. Das Teilen von Daten muss also als Chance gesehen werden und nicht als Risiko. Die Digitalisierung hat auf dem Logistikmarkt für Disruption gesorgt. Da gibt es ganz viele neue Unternehmen, die mit sehr viel Venturekapital ihre technologischen Entwicklungen vorantreiben. Denn der Logistikmarkt ist nicht nur sehr fragmentiert, sondern aus dem Blickwinkel der Investoren aktuell auch überhaupt nicht digital aufgestellt. Die Digitalisierung scheint daher das Allheilmittel zu sein.
Gunnar Gburek: Die Transportbranche hat keine große IT-Affinität. Man beschäftigt sich eher mit Dingen wie Diesel, Motoren, Lkw, Paletten oder Staplern. Mit diesen Themen können die Transporteure sehr gut umgehen. Das ist auch wichtig, denn das ist letztlich ihre Geschäftsgrundlage. Für Software oder Schnittstellen können sie sich aber nicht wirklich begeistern. Da verlassen sie ihre Kernkompetenz. Die Akzeptanz für digitale Lösungen von den Beteiligten zu bekommen, ist also nicht leicht. Hier braucht es wahrscheinlich zuerst die Erkenntnis, dass man den Marktzugang verliert oder an Aufträge gar nicht mehr herankommt, wenn man nicht über eine entsprechende digitale Grundversorgung verfügt. Daher ist der beste Weg, die Digitalisierung des Transport- und Logistikmarkts voranzutreiben, einfache und handhabbare Lösungen zu finden, um die Kunden einzubinden und sie nicht abzuhängen. Wir müssen sehen, dass unsere Branche die wichtigste der Welt ist: Sie führt den Transport der Waren von A nach B durch. Und diese grundlegende Aufgabe wird sich auch durch die Digitalisierung nicht verändern. Die Digitalisierung kann also immer nur ein Mittel dafür sein, die eigentliche Aufgabe einfacher zu gestalten. Es ist also nicht notwendig, jetzt irgendwelche hochkomplexen Lösungen zu entwickeln, sondern Transporte müssen möglichst effizient beauftragt, überwacht und zurückverfolgt werden können. Das sind zwar die eigentlichen Kernkompetenzen der Branche, doch wird vieles davon heute noch manuell abgewickelt. Das funktioniert zwar, aber der Wunsch ist da, Aufträge durchzurouten und sie so automatisiert in das System aufzunehmen, dass der Disponent sie nur noch freizugeben braucht. Es sind also hauptsächlich unterstützende Lösungen gefragt. Derartige Lösungen gibt es zwar schon, aber es fehlt in der Branche oft die Bereitschaft, traditionelle und etablierte Prozesse einfach loszulassen und das Vorhandene auch tatsächlich einzusetzen.