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„Die Mauterhöhungen sollten viel früher verkündet werden!“

Foto: Marc-Antonio Manuguerra
Lekkerland denkt darüber nach, das Konzept eines Zentrallagers zugunsten von Regionallägern aufzugeben, sagt Bandur.
Foto: Marc-Antonio Manuguerra

Auch für die Frischelogistik ist die Digitalisierung unumgänglich. Michael Bandur, Logistikleiter bei Lekkerland Österreich, erklärt im Interview mit Verkehr, wie seine Firma Technologie einsetzt und in welchen Bereichen die Politik dringend aktiv werden muss.

Verkehr: Wie geht Lekkerland mit der Digitalisierung um?
Michael Bandur:
Wir sind kurz vor dem Start unserer selbstentwickelten „Lieferverfolgung“ bzw., wie wir es intern auch nennen, ETA – „estimated time of arrival“. Auf Basis der geplanten Stopps können wir unsere Kunden schon am Vorabend darüber informieren, wann (in einem zweistündigen Zeitfenster) die Lkw bei ihm am kommenden Tag ein­treffen werden. Am nächsten Tag wird dann zu Beginn der Lkw-Tour das Lieferfenster auf eine Stunde ­reduziert. Meldungen über Verspätungen erhält der Kunde dabei jeweils auch schnellstmöglich. Damit kann der Kunde optimaler sein Personal einplanen. Früher waren bei uns Zeitfenster von rund vier Stunden üblich.

Wann wird Ihre Lieferverfolgung starten?
Bandur:
In Deutschland ist es bereits seit Ende letzten Jahres im Einsatz. In Österreich beginnen wir nun mit der ersten Testphase, da sich die Anforderungen hier etwas unterscheiden. Danach starten wir mit unserem eigenen Fuhrpark mit elf Lkw und anschließend bei unseren Spedi­tionen. Ich gehe davon aus, dass wir heuer mit Jahresmitte diese Einführung abgeschlossen haben.

Lekkerland ist primär ein Großhändler, der auch die Logistik durchführt. Auf welche Produkte fokussieren Sie sich dabei?
Bandur:
Durch die Belieferung von über 3.500 Shops von Tankstellen, Raststätten, Kinos, Baumärkten etc. bieten wir primär alle Artikel für die „Unterwegsversorgung“ an (von Lebensmitteln bis zu Scheibenfrostmitteln etc.).

Welche Produkte werden in Zukunft an Bedeutung gewinnen?
Bandur:
Wir merken ein starkes Wachstum im Frischebereich, d. h. abgepackte Salate, Sandwich-Kombinationen etc. Generell wird die Unterwegsversorgung immer wichtiger. Der Trend geht weg von den früher klassischen drei großen hin zu meh­reren und kleineren Mahlzeiten pro Tag.

Welche Maßnahmen setzen Sie noch in der Digitalisierung?
Bandur:
Seit kurzem haben wir unseren Online-Shop im Echtzeitbetrieb im Einsatz; d. h., ­unsere Kunden können darüber einfach bei uns Waren bestellen.

Spüren Sie saisonale Schwankungen?
Bandur:
Österreich ist ein Transitland. Dahingehend merken wir vor allem den Beginn der wärmeren Jahreszeit sehr. Je nach ­Witterung liefern wir im Juni, Juli und August oftmals doppelt so viele Mengen aus als durchschnittlich in den restlichen ­Monaten. Auch an Wochenenden steigt der Absatz an.

Was ist Ihnen wichtig, wenn Sie Speditionen auswählen?
Bandur:
Wir brauchen Zuverlässigkeit und Flexibilität. Zusätzlich sind die Lkw-Fahrer wie eine Art Visitenkarte unseres Unternehmens vor Ort beim Kunden. Dementsprechend brauchen sie ein adäquates Auftreten. Wir wollen der „most convenient“-Partner sein – und das beginnt bei den Lkw-Fahrern.

Die CO2-Reduktion wird vor ­allem in den Ballungszentren ein immer wichtigeres Thema. Wie reagieren Sie darauf?
Bandur:
Wir haben seit Ende 2018 erstmals in der Schweiz ­einen E-Lkw im Einsatz. Wenn er sich bewährt, werden wir dieses Konzept auch in Österreich testen. Generell funktionieren Elek­troantriebe im Transporterbereich schon ganz gut. Wir benötigen aufgrund der Fülle an Waren aber Lkw inklusive Kühlfunktion. Für längere Distanzen sind E-Lkw derzeit nicht praktikabel.

Von Ihrem zentralen Lager in Ternitz beliefern Sie über Ihre neun Logistik-Umschlagplätze Ihre österreichischen Kunden. Experten gehen davon aus, dass zukünftig, aufgrund des steigenden Verkehrsaufkommens und gleichzeitig erhöhter Umwelt­auflagen, das Konzept eines Zentrallagers zugunsten von mehreren regionalen Lägern abgelöst wird. Wie sehen Sie das?
Bandur:
Wir sehen diese Entwicklung sehr ähnlich und wollen auch in diese Richtung gehen. Wir denken darüber nach, im Westen Österreichs ein Lager für Schnelldreher aufzubauen.

Welche Meilensteine planen Sie noch?
Bandur:
Wir haben eine zentrale Logistikabteilung im Konzern, die europaweit für 20 Standorte verantwortlich ist. Zahlreiche Logistikprojekte werden parallel ab­gearbeitet. Eines beschäftigt sich mit der Optimierung der Anlieferungszeitfenster zu unseren Zen­trallägern in Europa. Damit wollen wir transparenter und flexibler werden. Ein weiteres Projekt setzt sich mit der Bestandsoptimierung bei uns selbst und bei unseren Kunden auseinander. In der Tourenplanung arbeiten wir ebenfalls laufend an Optimierungen.

Wie wird die Logistik 2030 bei Lekkerland aussehen?
Bandur:
Wir werden in der Logistik noch mehr unsere Kunden in Mittelpunkt stellen. Und wir werden dann wahrscheinlich noch mehr Leistungen in den Shops (Regalbetreuung etc.) anbieten bzw. Same-day-Belieferungen. Derzeit beliefern wir Tankstellen rund zwei Mal pro Woche.

Welche Wünsche an die Politik haben Sie?
Bandur:
Es ist erfreulich, dass der Nacht-60er für Lkw nun auf vorab 70 km/h angehoben wird  – die weitere Erhöhung auf 80 km/h ist dann aber noch immer ausständig. Hinsichtlich der Höhe der Lkw-Maut wünsche ich mir eine deutliche Entlastung für Euro-6-Lkw, da diese wesentlich umweltfreundlicher sind als ihre Vorgängermodelle. Zusätzlich sollten die Mauterhöhungen viel früher angekündigt werden! Dies erst im Dezember zu erfahren, ist viel zu spät. Die Bundesregierung macht zu wenig, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Hier wäre eine spezielle Kam­pagne für die Attraktivierung des Berufs wichtig. Die neue Dachmarke „Austrian Logistics“ begrüße ich. Wir werden auch daran teilnehmen.

Vielen Dank für das Gespräch!


Das Interview erschien in der Ausgabe VK 20/2019


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