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„Die Europäische Union lügt sich in die eigene Tasche“

Foto: Lagermax
Der Gütertransport muss EU-weit einheitlich funktionieren und global gesehen optimiert werden, sagt Friesz.
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Alexander Friesz, Präsident des Zentralverbands Spedition & Logistik, hält den Green Deal der EU nicht für realistisch. Für die angestrebten Güterverlagerungen von der Straße auf die Schiene fehlen die infrastrukturellen Kapazitäten. Verbesserungen braucht es auch bei der Förderung von alternativen Antrieben, in den Flächenwidmungen und den Fahrzeugabmessungen.

von: Bernd Winter

Neben der neuen EU-Kommission will auch die neue heimische Bundesregierung dem Güterverkehr einen nachhaltigen ökologischen Anstrich verpassen. Es ist daher naheliegend, dass Verkehr bei der überparteilichen und unabhängigen Interessensvertretung für Spediteure und Logistik-Dienstleister, dem Zentralverband Spedition & Logistik (ZV), nachgefragt hat, wie sie diese nationalen und internationalen politischen Aktivitäten einordnen, und welche Schwerpunkte der ZV für heuer plant.

Verkehr: Was bedeutet der Green Deal der EU für die Transport- und Logistikbranchen aus Ihrer Sicht?
Alexander Friesz:
Auch für uns als Zentralverband sind die Themen Nachhaltigkeit und ein möglichst ressourcenschonender Transport von ganz zentraler Bedeutung. Zielsetzungen in diesem Bereich sind immer wichtig, nur sollte man sie realistisch festlegen. Ich denke, dass sich die Europäische Union und einige Staaten in die eigene Tasche lügen, weil die kolportierten Ziele nicht zu schaffen sein werden. Demnach sollen bis 2030 im Vergleich zu 1990 50 bis 55 Prozent CO2 eingespart werden und bis 2050 soll generell der Verkehr und damit auch der Gütertransport klimaneutral sein. Das halte ich für nicht realistisch.

Die EU und auch das neue Regierungsprogramm wollen vor allem die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene forcieren. Kann sich das überhaupt mit unseren infrastrukturellen Kapazitäten ausgehen?
Friesz:
Auch hier streuen wir uns immer wieder Sand in die Augen. Die Diskussionen und die Darstellungen dazu müssen ehrlicher und realistischer ablaufen. Wir verfügen einfach nicht über die ausreichende Infrastrukturkapazitäten, um die angestrebten Güterverlagerungen im großen Umfang auf die Schiene hinzubekommen! Es fehlen uns unter anderem die Zulaufstrecken und die geeigneten ROLA-Rahmenbedingungen. Somit fehlen dem Spediteur jede Menge Voraussetzungen, die es ihm überhaupt ermöglichen Transporte von der Straße auf die Schiene zu disponieren. Die Spediteure sind prinzipiell verkehrsträgerneutral. Für sie ist wichtig, dass der Transport funktioniert und wettbewerbsfähig ist. Gerade die verstaatlichten Bahnbetriebe bewegen sich in Europa bei diesem Themenfeld zu langsam.

Was wäre ein Lösungsansatz?
Friesz:
Der Gütertransport muss EU-weit einheitlich funktionieren und global gesehen optimiert werden. Hier sind vor allem die Bahnunternehmen gefordert, grenzüberschreitend mehr zusammenzuarbeiten. Wenn ich mir die Situation am Brenner ansehe, sehe ich noch keine zeitnahe Lösung des Transitproblems. Wenn der deutsche Verkehrsminister sagt, dass wir vor 2035 nicht mit der Genehmigung zum Bau entsprechendenr Zulaufstrecke im deutschen Bahnnetz rechnen dürfen, wird das Gesamtprojekt des Brennerbasistunnels nicht vor 2045 fertiggestellt werden.  

Wie sehen Sie die Ansätze von alternativen Antrieben für den Straßengüterverkehr?
Friesz:
Ich denke, dass die Elektromobilität nur ein Zwischenschritt sein wird. Aber auch hier, wie auch bei der Zukunftstechnologie Wasserstoff stehen wir erst am Anfang. Es wäre schön, wenn Österreich gerade in der Wasserstofftechnologie Vorreiter spielen würde. Das wird aber ohne entsprechende Förderungen nicht gehen, denn Wassertoff-Lkw kosten rund 600.000 bis 800.000 Euro. Wir als Branche stehen hier in den Startlöchern. Viele Betriebe haben auch bereits Solaranlagen auf den Dächern ihrer Gebäude. Der zu viel produzierte Strom könnte für die Gewinnung von Wasserstoff herangezogen werden. Die Politik ist hier gefordert die entsprechenden, vor allem langfristigen, Rahmenbedingungen für die Unternehmen zu schaffen.

Was sollte hier die heimische Politik tun?
Friesz:
In Deutschland wird sowohl in der Wasserstofftechnologie als auch die Elektromobiltiät wesentlich besser als bei uns gefördert. Grundsätzlich gibt es noch sehr viel Potenzial, die Straße umweltfreundlicher zu gestalten. 


Die Fortsetzung des Interviews können Sie am 24.01.2020 in der Ausgabe VK 01-04/2020 lesen.


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