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Wenn Bundeskanzler Sebastian Kurz anlässlich der Übernahme der Ratspräsidentschaft Anfang Juli den Beitritt der Westbalkan-Länder zur EU zu einem Schwerpunktthema für die Monate des österreichischen Vorsitzes macht, vertritt er damit auch die aktuelle Position der EU-Kommission, die einen beschleunigten Beitritt der beiden Kandidaten Serbien und Montenegro bis zum Jahr 2025 befürwortet. Auch Albanien und Mazedonien wurde vor wenigen Wochen die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen bereits im Jahr 2019 avisiert, sofern in den beiden Ländern bis dahin weitere Fortschritte in Richtung Rechtsstaatlichkeit und gegen Korruption bzw. bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität erzielt werden. Den Namensstreit zwischen Griechenland und Mazedonien, das sich bislang gegen den Beitritt des Nachbarlandes zur EU und zur NATO gestellt hatte, konnte Ende Juni auf Regierungsebene beigelegt werden. Allerdings müssen die Mazedonier der Änderung ihres Namens auf "Republik Nordmazedonien" erst in einem Referendum zustimmen. Auch die Parlamente beider Länder müssen die Übereinkunft noch ratifizieren. Doch das ist nur einer von vielen Konflikten, durch den sich die politische Lage vor allem zwischen den ehemaligen Teilrepubliken Jugoslawiens sehr komplex gestaltet.
Zur Erinnerung: Zu den Westbalkanstaaten zählen neben Serbien, Montenegro, Albanien und Mazedonien auch noch Bosnien und Herzegowina sowie der Kosovo. Die Chancen der beiden letzteren auf einen baldigen EU-Beitritt sind jedoch aufgrund der instabilen politischen Lage und nicht geklärter Grenz- und Anerkennungskonflikte verschwindend. Der Kosovo hat aus diesem Grund noch nicht einmal ein Beitrittsgesuch gestellt. Doch die Balkanstaaten liegen wie ein blinder Fleck inmitten der EU und grenzen an Mitgliedsländer wie Griechenland, Bulgarien, Rumänien, Ungarn und Kroatien. Dieses "schwarze Loch" mitten im europäischen Raum ist aus zwei Gründen besonders heikel: Im Hinblick auf die Migrationsproblematik und eine gemeinschaftliche europäische Flüchtlingspolitik wird die Balkanroute gerade aus österreichischer Sicht nach wie vor mit Argusaugen beobachtet und was den politischen und wirtschaftlichen Einfluss in der Region anbelangt, bauen seit einigen Jahren Russland, China und die Türkei ihren Einfluss deutlich aus. Und diese Player vertreten teilweise Interessen, die denen der EU diametral entgegengesetzt sind.
Das Interesse der EU steigt
Wirtschaftliche Interessen allein erklären das in den vergangenen Jahren plötzlich intensivierte Interesse der EU an der Region nicht. Denn obwohl sich die Westbalkanstaaten langsam, aber stetig wirtschaftlich erholen, erreicht das durchschnittliche Bruttosozialprodukt erst rund ein Drittel des Durchschnitts aller EU-Staaten, und auch die vergleichsweise geringe Kaufkraft macht diese Länder nicht gerade zu bedeutenden zukünftigen Absatzmärkten. Zwar gehen durchschnittlich mehr als 70 Prozent der Exporte dieser sechs Staaten in den EURaum und die wirtschaftlichen Verbindungen mit der EU sind bedeutend enger als die Handelsbeziehungen zu Russland oder China, trotzdem steigt deren politischer Einfluss. Auch liegt es im Interesse der EU, dass die Milliarden an Aufbauhilfe vor allem im Infrastrukturbereich, die in die Region gepumpt wurden, langfristig nicht bei russischen oder chinesischen Unternehmen landen.
Die Fortsetzung dieser Story finden Sie in der Ausgabe VK 36/18
Weitere Highlights der Ausgabe:
– Analyse der aktuellen Entwicklungen in Südosteuropa (Wirtschaft, Infrastruktur, etc.)
– Ein Blick auf Georgiens Pläne für die "Neue Seidenstraße".
– Neue Bahn Special
– Englische Ausgabe