News

Der Lkw ist und bleibt wichtig

Foto: Lagermax
Österreich muss endlich von seinem besonders restriktiven Kurs abgehen, fordert ZV-Präsident Friesz
Foto: Lagermax

Die Speditionswirtschaft fordert von der Politik mehr Technologieoffenheit bei den Antrieben der Lkw. Die Politik hingegen protegiert offensiv den E-Lkw, sagt Alexander Friesz, Präsident des Zentralverbandes Spedition & Logistik, im Gespräch mit Verkehr.

von: Josef Müller

Verkehr: Wie präsentiert sich aktuell das wirtschaftliche und operative Umfeld für die österreichische Logistikbranche?
Alexander Friesz: Das wirtschaftliche und operative Umfeld für die österreichische Logistik-branche ist aufgrund der Corona-Pandemie und des Ausbruchs des Ukraine-Kriegs volatiler und -herausfordernder geworden. Die Branche hat seit Anfang 2020 lernen müssen, mit Mit-arbeiterengpässen, unterbrochenen Lieferketten und stark steigenden Kosten umzugehen.

Längerfristig planbare Lieferketten waren gestern, heute ist in vielen Fällen Improvisieren angesagt. Was kann die Speditionsbranche zur Resilienz der Transportketten beitragen?
Friesz: Die Spediteure haben -leider keinen direkten Einfluss auf die bereits angesprochenen Rahmenbedingungen wie Produktionsausfälle oder massive Preissteigerung bei der Containerschifffahrt. Die Problemlagen werden tatsächlich immer komplexer. Branchenerfahrung und Expertise von Spediteuren wird damit noch wichtiger für die verladende Wirtschaft. Kurzfristige Störungen wie Covid-19- bedingte Sperrungen von Häfen oder der Krieg in der -Ukraine bereiten jedenfalls viel Mehrarbeit und damit auch uns Mehrkosten. Von den gestie-genen Sprit- und Energiekosten will ich gar nicht erst sprechen.

In Österreich wird an einem Masterplan für den Güterverkehr gearbeitet. Was erwartet sich Ihre Branche von diesem Masterplan?
Friesz: Der Masterplan sollte zum Ziel haben, verkehrsträgerneutral den Transformationsprozess in Richtung Zero-Emission in Gang zu setzen. Seit Beginn dieser Regierungsperiode drängen wir Verkehrsministerin Gewessler auf einen mit uns abgestimmten, möglichst konkreten Maßnahmenplan zur -Dekarbonisierung des Güterverkehrs. Konkrete Ergebnisse gibt es immer noch keine. Deutschland ist bei den geplanten Maßnahmen schon viel konkreter und auch wesentlich technologieoffener.

Für welche Antriebstechnologien setzt sich der Zentralverband ein und welche Wünsche werden hierbei an die Hersteller und die Politik geäußert?
Friesz: Solange die Politik alle Alternativen verhindert, stellt uns das vom EU-Parlament am 8. Juni 2022 beschlossene Verbot für den Verkauf von Verbrennungsmotoren ab 2035 vor unlösbare Probleme. Der Straßengüterverkehr ist ein wesentlicher Hebel zur Erreichung der EU-Klimaziele.

Wir wünschen uns daher eine technologieoffene Förderung der Zero-Emission-Antriebslösungen Wasserstoff und Batterie, da die Investitionskosten im Vergleich zum fossilen Antrieb mindestens den 3,5-fachen Steigerungsfaktor aufweisen. Für eine Übergangszeit wäre es sinnvoll, Brückentechnologien wie E-Fuels ebenfalls in die Förderplanung aufzunehmen, um bereits heute Emissionseinsparungen zu erzielen.

Die kürzlich präsentierte Wasserstoff-Strategie für Österreich begrüßen wir grundsätzlich. An vielen Ecken und Enden fehlt es aber an Konkretem. So muss sowohl der Wasserstoff für den Schwerverkehr aktiv gefördert als auch die Errichtung von Lade- und Produktionsinfrastruktur massiv vorangetrieben werden. Bei der Förderung geht es zudem um eine Gleichbehandlung aller alternativen Antriebsformen. Bei der E-Mobilität gibt es keine Auflagen, wo der Strom herkommt. Bei Wasserstoff soll nur die Verwendung von neuem, zusätzlich gewonnenen erneuerbaren Wasserstoff förderbar werden. Das ist eine klare Ungleichbehandlung. Nicht nachvollziehbar ist für uns auch die Industrielastigkeit der österreichischen H2-Strategie, die damit ausgerechnet den alternativlosen Güterverkehr so gut wie unbeachtet lässt. Unsere Unternehmen investieren Millionen in Klimaschutzmaßnahmen und werden dabei von der Politik in jeder Hinsicht -allein gelassen. Zu unterstützen sind Anzeichen, dass die EU-Kommission im Rahmen ihrer Klimaschutzpolitik auch auf -längere und schwerere Lkw setzen will. Die Kommission hat damit die Diskussion über längere Lkw und über den Nutzen aerodynamischer Verbesserungen an den Fahrzeugen zumindest neu eröffnet. Europäische Modulare Systeme (EMS) mit Fahrzeugkombinationen von 25,25 Metern Länge sollen demnach grenzüberschreitend fahren und Gewichte und Höchstmaße auf die in der EU am häufigsten zugelassenen Werte angehoben werden. Auch mehr Lkw-Ladekapazität im intermodalen Verkehr ist ein Thema. Sinnvolle und richtig umgesetzte Vorgaben bei Aerodynamik, Länge und Volumen können den Verbrauch und damit die Emissionen um bis zu 30 Prozent reduzieren. Dazu müsste aber auch Österreich endlich von seinem besonders restriktiven Kurs abgehen.

Die steigenden Energie- und Treibstoffkosten machen der Logistikbranche sehr zu schaffen. Wie soll die Politik hier mit Entlastungen dem Transportsektor entgegenkommen?
Friesz: Die steigenden Energie- und Treibstoffkosten treffen unsere Branche naturgemäß besonders hart. Die Senkung der Mineralölsteuer, das Aussetzen der CO2-Bepreisung ab Juli und die Einführung eines Gewerbediesels wurden vom ZV bereits öffentlich gefordert. Diese Entlastungen würden den Konsumenten und der gesamten Wirtschaft zugutekommen und der Inflation entgegenwirken.

Reedereien tendieren dazu, durchgehende Logistikketten anzubieten, und organisieren auch den Hinterlandtransport von Containern von und zu den Häfen in Eigenregie. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Friesz: Spediteure bieten ihren Kunden verkehrsträgerübergreifend Lösungen an; es werden Logistikketten auch ohne Einschaltung des Seewegs organisiert. Wer verlässliche Supply Chains benötigt, die nicht nur von einem Verkehrsträger oder Anbieter abhängen, der nutzt weiterhin das Angebot des Spediteurs.

Drei Reederei-Allianzen besetzen 90 Prozent des weltweiten Containergeschäfts. Was bedeutet das für die Spediteure?
Friesz: Diese Marktkonzentration macht uns Sorgen. Der ZV tritt vehement dafür ein, dass die Reedereien genauso wie alle anderen Unternehmen dem Wettbewerbsrecht unterliegen und keine Ausnahmen im Rahmen der Gruppenfreistellungsverordnung erhalten.

Es wird von der Logistik erwartet, dass sie nachhaltige Lösungen entwickelt. Ist das nicht eine naive Erwartungshaltung, weil letztlich jeder Bürger durch seinen Konsum die Transportmengen erhöht?
Friesz: Das Konsumentenverhalten führt derzeit dazu, dass in immer kürzen Bestellrhythmen immer kleiner werdende Warenmengen transportiert werden. Damit ist auch ein weiteres Verkehrswachstum verbunden. Eine Veränderung dieser Kaufgewohnheiten kann das positiv beeinflussen. Damit kann auch jeder Einzelne etwas zur Dekarbonisierung beitragen. Der Spediteur hilft durch Bündelungseffekte, den Auslastungsgrad der Transporteinheit zu erhöhen und damit die Emissionen des Verkehrs zu senken.

Wie viele Lkw-Fahrer fehlen in Österreich?
Friesz: Der Ausfall von 100.000 ukrainischen Lkw-Fahrern verschärft den bereits zuvor großen Fahrermangel noch einmal massiv. Durch vorausschauende Dispositionen versuchen Spediteure, diese Beeinträchtigungen zu reduzieren. Ganz kompensiert werden können diese aber nicht. Der Beruf des Lkw-Fahrers muss attraktiver und der Zugang zur Ausbildung erleichtert werden.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

(Dieses Interview erschien ursprünglich in der Ausgabe 25-30/2022.)


Das könnte Sie auch noch interessieren
Foto: Knorr-Bremse AG

Die Knorr-Bremse AG, Weltmarktführer für Bremssysteme und führender Anbieter weiterer Systeme für Schienen- und Nutzfahrzeuge, konnte im ersten…

Weiterlesen
Foto: eFuels Alliance Österreich / Weinwurm

Stephan Schwarzer, Geschäftsführer der eFuels Alliance Österreich, spricht im Interview mit Verkehr über die Notwendigkeit synthetische Kraftstoffe in…

Weiterlesen
Foto: P3

Der Entwickler und langfristige Eigentümer von Logistikimmobilien P3 hat die Pläne zur Entwicklung einer neuen Logistikimmobilie auf einem 44.000…

Weiterlesen

Die wichtigste Transportverpackung Österreichs hieß 2023 Wellpappe. Das wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Denn die Welt braucht…

Weiterlesen
Foto: Arvato / Avon

Arvato baut seine Präsenz im Vereinigten Königreich weiter aus. Der Logistik- und E-Commerce-Dienstleister hat zum 1. Mai 2024 den Standort des…

Weiterlesen
Foto: Logistics Hall of Fame

Prominente Persönlichkeiten aus Medien, Wissenschaft und Politik werden Teil des Gremiums. Die neuen Jurymitglieder dürfen 2024 erstmals…

Weiterlesen
Foto: FP5-TRANS4M-R / Fabian Acker

Der Schienengüterverkehr soll digitalisiert und damit zukunftsfit gemacht werden. Dazu braucht es die Digitale Automatische Kupplung, denn damit…

Weiterlesen

Gemeinsam mit Daimler Truck Austria und Siemens Österreich feierte die OMV die erste 400-kW-Ladesäule unter der eMotion-Marke für E-Lkw in Österreich,…

Weiterlesen
Foto: Privatbrauerei Hirt

Die Privatbrauerei Hirt feierte vor kurzem die Eröffnung ihrer neuen Lager- und Logistikhalle in Hirt, ein Meilenstein in der Geschichte des…

Weiterlesen
Foto: Shutterstock / Miguel Perfectti

Verkehr sprach mit Olaf Beckedorf, Geschäftsführer der BigMove Gruppe, über aktuelle Themen und Entwicklungen im Schwergutsegment.

Weiterlesen

Schon gehört?

Der Podcast der Internationalen Wochenzeitung Verkehr in Kooperation mit Julia Schütze.

Hören Sie hier das Interview mit Andreas Matthä, CEO der ÖBB Holding.

Wenn Sie externe Inhalte von w.soundcloud.com aktivieren, werden Daten automatisiert an diesen Anbieter übertragen.

Termine

Danube Business Talks 2024

Datum: 15.05.2024
Ort: Tech Gate – Sky Stage, Donau-City-Straße 1, 1220 Wien

39. BVL Logistik Dialog 2024

Datum: 16.05.2024 bis 17.05.2024
Ort: Wien

Breakbulk Europe

Datum: 21.05.2024 bis 23.05.2024
Ort: Rotterdam/Niederlande

Intermodal Asia

Datum: 22.05.2024 bis 24.05.2024
Ort: Shanghai World Expo Exhibition & Convention Center (SWEECC), Shanghai

Mehr Termine

Verkehr im Austria Kiosk

Aktuelle ePaper-Ausgaben der Wochenzeitung Verkehr können Sie direkt im Austria Kiosk kaufen.

Anmeldung zum Newsletter

Herr / Mr  Frau / Mrs