Die Änderung der sogenannten EASA-Grundverordnung ist am 11. September in Kraft getreten. Diese Änderung könnte eine Zentralisierung der europäischen Luftfahrtbehörden auslösen.
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Die lange vorbereitete Regelung ist nun mit 11. September 2018 mit der Verordnung (EU) 2018/1139 (= Änderung der sogenannten EASA-Grundverordnung) in Kraft getreten. Mit den neuen Bestimmungen wurde eine Rechtsgrundlage dafür geschaffen, nach und nach die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) als europäische Zentralbehörde für den Zivilluftfahrtbereich zu etablieren und lokale Büros der EASA in den Mitgliedstaaten einzurichten. Die Zielrichtung ist klar, wenn auch in der Flut von Unterlagen vorab nur schwer erkennbar – die jeweiligen nationalen Luftfahrtbehörden sollen durch eine Zentrale abgelöst werden. Es geht also bei der aktuellen Verordnungsnovelle um viel mehr als nur um die Schaffung einer Rechtsgrundlage für harmonisierte Normen für Drohnen.
Chancen für Österreich
Wie diese Entwicklung weitergehen wird, sollte daher aufmerksam beobachtet und evaluiert werden. Österreich könnte im sogenannten EASA-System möglicherweise eine zentrale Position in der Region, aber auch im Hinblick auf die Beitrittskandidaten des Westbalkans einnehmen.
Sicherheit
Unter dem sperrigen Titel "Sicherheitserwägung" will die EU-Kommission mit Unterstützung der EASA sämtliche Luftfahrtbereiche von der Sicherheit (am Boden und in der Luft) über die Luftsicherheit (Security) bis zur Flugsicherung (Abwicklung des Flugverkehrs) in der EASA-Grundverordnung schrittweise harmonisieren.
Kommissionskritik
Aufgrund von Befragungen von Interessenträgern der Luftfahrt wie nationale Behörden, Luftfahrtunternehmen und Einzelpersonen in den Jahren 2014 und 2015 kam die EU-Kommission u. a. zu dem Ergebnis, dass über die Hälfte der Befragten die Fähigkeiten der verschiedenen nationalen Luftfahrtbehörden in Bezug auf ihre Aufsichtsfunktionen sehr unterschiedlich beurteilen. Gleichzeitig sehen rund ein Drittel von ihnen, dass daraus ein potenzielles Sicherheitsrisiko entsteht, weil die nationalen Luftfahrtbehörden nicht über ausreichende finanzielle und personelle Ressourcen verfügen, um ihre Aufgaben ordnungsgemäß durchführen zu können.
Zwei Hauptprobleme
Die Kommissionsdienststellen identifizierten daraufhin insgesamt zwei Hauptprobleme im Luftsicherheitssystem der EU: zu wenig Ressourcen in den nationalen Behörden und ineffiziente Verwendung der vorhandenen sowie die allgemein reaktive Natur der Luftsicherheitsregulierung und der Aufsicht. Dies führt nach Meinung der Kommission zu einem potenziellen Sicherheitsrisiko, wenn die Mitgliedstaaten nicht in der Lage sind, die erforderlichen Aufsichtstätigkeiten durchzuführen. Zusätzlich führt die unterschiedliche Interpretation der europäischen Regeln zu ungleichen Marktvoraussetzungen für die jeweilige Industrie und damit zu einer Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit Europas.
Zentrale Stelle
Meine Interviews mit Entscheidungsträgern in der EU bestätigten den vorab lapidaren Satz der Luftfahrtstrategie der Kommission: "Das längerfristige Ziel sollte eine einzige europäische Luftfahrtbehörde sein." Sowohl Marian-Jean Marinescu (Mitglied des Europäischen Parlaments und eine der Schlüsselfiguren in der europäischen Luftfahrt) als auch Tibor Szanyi (EU-Parlamentarier) bestätigten dies noch zusätzlich mit der Bemerkung, dass die EASA das "S" für "Safety" verlieren und in EAA (European Aviation Agency) umbenannt werden soll. Diese Korrektur soll es der Agentur dann auch ermöglichen, über die bisherigen Sicherheitsthemen hinaus für weitere Zuständigkeiten wahrgenommen zu werden. Auch der Strategiechef der EASA, Luc Tytgat, schlägt in dieselbe Kerbe: Es sei ein ganzheitliches System erforderlich, er nennt es EASA-System, in dem die EASA als zentrale europäische Behörde zuständig ist für Sicherheit (Safety), Luftsicherheit (Security) und den Flugsicherungsbereich (ATM/ANS). Dazu bedürfe es einer weiteren Rechtsvereinheitlichung der Zivilluftfahrtregeln, wie es durch die Änderung der EASA-Grundverordnung soeben geschehen ist.
EU-Außenstellen
Die EASA kann zukünftig in den EU-Mitgliedstaaten mit deren Zustimmung eigene "Außenstellen", d. h. lokale Büros, einrichten. Das entscheidende Kriterium könnte das Überraschungsmoment dieser Bestimmungen sein. Tytgat geht davon aus, dass viele nationale Regierungen über diese neuen Möglichkeiten der EASA nicht Bescheid wissen und von einer derartigen Entscheidung des -Exekutivdirektors überrascht werden könnten. Es wäre denkbar, dass sie sich der Tragweite dieser Entwicklung nicht im Klaren sind. Dafür könnte auch sprechen, dass weder der österreichische Nationalrat noch der österreichische Bundesrat von der Möglichkeit der Subsidiaritätsrüge (Recht auf Stellungnahme in laufenden Gesetzgebungsverfahren der EU) im Luftfahrtbereich Gebrauch gemacht haben.
Weitere Änderungen
Neben der stärkeren Gewichtung der Kommission gegenüber den Mitgliedstaaten bei Abstimmungen im Verwaltungsrat – er kontrolliert die EASA – soll sie zukünftig auch Vorschriften, die als nicht wesentlich erachtet werden, selbstständig ändern können. Diese Kompetenz der EU-Kommission ist im Luftfahrtbereich gänzlich neu. Bei der EASA soll zusätzlich ein Informationsspeicher eingerichtet werden, mit dem die EU die Zusammenarbeit zwischen der Agentur und den zuständigen nationalen Behörden unterstützen will. Außerdem soll die EASA zukünftig berechtigt sein, Finanzhilfen entgegenzunehmen und sich an Forschungsprojekten zu beteiligen. Damit dürfte die finanzielle Basis der EASA weiter abgesichert werden.
Drohnen
Erstmals wurden nun auch unbemannte Luftfahrzeuge in das europäische Regelwerk aufgenommen (bisher waren dafür die Mitgliedstaaten zuständig). Zukünftig soll der europäische Gesetzgeber für sämtliche unbemannte Luftfahrzeuge harmonisierte Regeln festlegen können.
Weitreichende Folgen
Wenn eine, wie von der Kommission initiiert, zentrale europäische Behörde EASA und lokale Büros der EASA in den Mitgliedstaaten, die die Mitarbeiter der bisherigen nationalen Behörden übernehmen, kommen sollte, würde das einen Paradigmenwechsel für das Organisationsgefüge der Zivilluftfahrt in Europa bedeuten. Die nationalen Regierungen (in Österreich das BMVIT) wären damit aus dem Weisungs- und Aufsichtszusammenhang gegenüber den Erstbehörden genommen. Laut Tytgat ist ein Zeitrahmen von 10 bis 15 Jahren für die Umsetzung angedacht.
Hinweis: Dieser Artikel stellt die Ergebnisse der Dissertation der Autorin vom November 2017 mit dem Titel "Entwicklung und Ausblick in Bezug auf das Sicherheitssystem der Zivilluftfahrt in Europa" dar. Die Dissertation aus dem Bereich Rechtswissenschaften wurde vom Verfassungsexperten Professor Bernd-Christian Funk betreut.
Diese Geschichte erschien ursprünglich in Ausgabe VK 38/2018.