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[Re]Design Today – Veränderung dringend notwendig

Foto: BVL Österreich / Moni Fellner
„Ohne Druck gibt es offenbar keine Evolution. Es ist aber ein anderes Mindset, ein neuer Spirit nötig, wenn wir erfolgreich sein wollen“, sagt Wolfgang Kubesch, Geschäftsführer BVL Österreich.
Foto: BVL Österreich / Moni Fellner

Vom 16. bis 17. Mai findet der 39. Logistik Dialog der BVL Österreich am Flughafen Wien statt. Verkehr sprach mit Geschäftsführer Wolfgang Kubesch, warum „out-of-the-box“-Denken nicht nur für die Logistik wichtig ist.

von: Anja Kossik

Was ist das Ziel des diesjährigen BVL-Logistik-Dialogs?
Die Veranstaltung wird auch heuer wieder auf drei Säulen fußen: Zuerst erarbeiten und präsentieren wir wichtige Trends und Innovationen; dabei wollen wir bewusst über den Tellerrand hinausschauen, um das diesjährige Motto der Veranstaltung [Re]Design Today lebendig werden zu lassen. Die zweite Säule – die Fachausstellung – dient als Knotenpunkt für die Veranschaulichung neuer Ideen und Lösungen. Und die dritte Säule ist wie immer das Netzwerken, also der persönliche Gedankenaustausch innerhalb der Community.

Was verbirgt sich genau hinter dem Motto [Re]Design Today?
Wir haben in Europa eine Vielzahl an Regularien und Zielen, aber viel zu wenig konkrete Umsetzung. Wir sind gut darin, Dinge in der Theorie auszuarbeiten und zu „Papier“ zu bringen, aber danach passiert in der Praxis einfach zu wenig. Das ist kein österreichisches Phänomen, da sind wir in ganz Europa gefordert. Deswegen haben wir dieses Motto gewählt, das dazu auffordert, sich neu aufzustellen. Wir müssen wieder mehr (um)gestalten, und das jetzt! Wenn wir uns mit Amerika und Asien vergleichen, dann scheint sich ein negativer Trend für Europa zu verfestigen, und das kann nicht das Ziel sein. Wenn wir uns z. B. den Online-Handel ansehen – niemand hätte uns daran gehindert, eine ähnliche Plattform wie Amazon oder Alibaba zu entwickeln. Europa mangelt es aber an einer entsprechenden „Ermöglicher“- Haltung. Hier wollen wir mit unserer Veranstaltung ansetzen, aufzeigen und wachrütteln. Aber auch der Logistik eine starke und selbstbewusste Stimme geben, denn die Logistik ist immer gerne proaktiver Teil einer Lösung, nicht nur für die globale Supply-Chain-Community. Dazu müssen allerdings endlich die gesellschaftlichen und/oder politischen Rahmenbedingungen geschaffen werden, von denen Entscheidungen für Investitionen oder die Infrastruktur direkt abhängen. Das heißt, es muss eine entsprechende Stabilität und Planbarkeit herrschen, damit etwas weitergehen kann.

Wo kommt dieser europäische Hang zu Regeln, Normen und zur Bürokratie für die Logistik besonders negativ zum Tragen?
Ich denke, dass bei uns fast alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche überreguliert sind, ganz unabhängig von der Logistik. Andererseits werden Vorgaben nicht konsequent umgesetzt bzw. die Einhaltung der Regeln nicht konsequent verfolgt. Dadurch kommt es zu einem Vertrauensverlust in die verantwortlichen Institutionen. Hier wäre weniger mehr und das Wenige sollte dann entsprechend angewendet bzw. kontrolliert werden.

Wo soll das [Re]Design ansetzen?
Wir müssen Gesellschaft, Wirtschaft und Politik neu gestalten, wobei sich die Logistik als zentraler Akteur einbringen kann: Was kann Logistik leisten, um [Re]Design zu ermöglichen? Wir brauchen in Zeiten der Volatilität mehr Stabilität. Denn nur so ist es möglich, sich entsprechend einzustellen, zu positionieren und zu entwickeln, um im globalen Kontext fit zu sein. Wir brauchen diesen Drang, im internationalen Vergleich Erster sein zu wollen – und nicht vielleicht bloß Zweiter. Hierfür müssen wir zuerst das Bewusstsein schaffen, dass uns die anderen Teilnehmer am Weltmarkt bald ein- und überholen werden, wenn man weiter so hindümpelt. Sonst droht, dass wir unseren gewohnten Lebensstandard nicht mehr halten können und zudem immer fremdbestimmter werden. Wenn dieses Bewusstsein nicht da ist, werden wir weder die Gesellschaft noch die Wirtschaft mitnehmen und nach vorne bringen können. Genau an diesem Punkt soll der Kongress wachrütteln, sensibilisieren und erste Schlaglichter auf unsere Sprecher richten, die vorzeigen, was schon alles getan wird oder was noch fehlt, um einen Erfolgsweg einschlagen zu können. Zunächst braucht es dafür vernünftige, klare und anwendbare Parameter (z.B. für den Klimaschutz) sowie eine Absicherung freier Gesellschaften. Des Weiteren müssen wir unsere Abhängigkeiten besser kennen, was die Versorgungssicherheit, u. a. hinsichtlich Medikamenten oder seltenen Erden für die E-Mobilität, betrifft.

Es geht also um die Resilienz von Lieferketten.
Genau! Welche neuen Abhängigkeiten entstehen für Europa durch die Umstellung auf E-Mobilität? Auch große Besteller tun sich schwer, auf dem europäischen Automarkt fündig zu werden. Denn wer die Hand auf seltenen Erden für die Batterieproduktion hat, beliefert nicht unbedingt zuerst europäische Autobauer. Dadurch entsteht eine Verzerrung und folglich Schwächung dieser Position, wobei wir über Defizite aufgrund fehlender Ladeinfrastruktur, das Stromnetz oder den Verlust von lokaler Wertschöpfung und von Arbeitsplätzen noch gar nicht gesprochen haben. Hier sollte man darüber nachdenken, ob E-Mobilität wirklich die einzige Stellschraube gegen den Klimawandel ist. In puncto Versorgungsketten ist es aber auch unbedingt erforderlich, über das Thema Sicherheit zu sprechen, wozu u.a. der Bereich Cybersecurity sowie die Absicherung der Handelsrouten zählen – siehe aktuell die Situation im Roten Meer. Die Diskussion, die wir im Zuge der Supply-Chain-Krise über Lieferkettenresilienz geführt haben, ist leider wieder ein bisschen eingeschlafen, weil es bequemer ist, im alten Trott weiterzumachen. Daran ist erkennbar, dass ohne Druck Evolution oder Revolution offenbar nicht möglich sind. Wir brauchen aber ein anderes Mindset und einen neuen Spirit, wenn wir global etwas weiterbringen und erfolgreich sein wollen.

Gibt es schon Ideen, wie das aussehen könnte?
In diesem Jahr ist die Schweiz Partnerland unseres Kongresses. Dort wollte man z. B. den Lkw-Verkehr im Alpentransit reduzieren. Gegenüber der Bevölkerung wurde diesbezüglich eine ganz klare Kommunikationsstrategie verfolgt: „Wenn ihr das nicht wollt, dann gibt es nur die Lösung, einen Tunnel zu bohren, was uns alle die Summe x kostet. Wollt ihr den: Ja oder nein?“ Anschließend fand eine Volksabstimmung statt und das Projekt wurde umgesetzt. Die Schweiz zeigt eine klare Vorgehensweise, die eindeutige Informationen, Erläuterung der Alternativen, Entscheidung und Umsetzung umfasst. Dass es diese Klarheit bei uns z. B. in Sachen Umstieg auf den Bahnverkehr nicht gibt, ist ein strukturelles Versäumnis. Die Logistik ist ja prinzipiell ein proaktiver und innovativer Sektor, sie braucht aber ein klares Verständnis davon, in welche Richtung die Reise gehen soll.


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