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"Masterplan Güterverkehr des BMK gefährdet Klimaziele und Versorgungssicherheit"

Bild: BMK
Der neue "Masterplan Güterverkehr 2030" des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) sorgt nicht nur, aber vor allem auch beim Zentralverband Spedition & Logistik für Unverständnis und Kritik.
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Der Präsident des Zentralsverbands Spedition & Logistik Alexander Friesz: „Mit dem vorgelegten Masterplan Güterverkehr 2030 hat das Verkehrsministerium eine große Chance zur nachhaltigen Dekarbonisierung vertan.“
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Der Zentralverband Spedition & Logistik fordert eine evidenzbasierte Planung und Maßnahmen zur Ökologisierung des Straßengüterverkehrs. „Mit dem vorgelegten Masterplan Güterverkehr 2030 hat das Verkehrsministerium eine große Chance zur nachhaltigen Dekarbonisierung vertan“, kritisiert Alexander Friesz, Präsident des Zentralverbandes Spedition & Logistik.

Der am 31. März vom Verkehrsministerium (BMK) unter Führung von Bundesministerin Leonore Gewessler präsentierte Masterplan Güterverkehr gehe von realitätsfernen und mehrfach widerlegten Erwartungen aus, bemängelt der Zentralverband Spedition & Logistik. Die zugrunde liegenden Bahn-Kapazitäten wird es selbst im optimistischsten Szenario auch in 20 Jahren nicht geben. Ebenso wisse niemand, wo die notwendigen Mengen grüner Energie herkommen sollten.

Masterplan steht auf tönernen Füßen
„Was das Verlagerungspotential von der Straße auf die Schiene betrifft, geht man im Masterplan Güterverkehr von grundlegend falschen Annahmen aus,“ so Friesz. Sowohl der Güterverkehr insgesamt als auch der Anteil des Transports auf der Straße werden weiter steigen. Das würden zahlreiche seriöse Studien belegen. Erst kürzlich prognostizierte eine vom deutschen Verkehrsministerium beauftragte Langzeitverkehrsprognose – ausgehend von den Basiswerten 2019 – einen Anstieg der Güterverkehrsleistung bis 2051 um 46 Prozent und einen Zuwachs des Straßengüterverkehrs um 54 Prozent. Im Modal Split ergibt dies 4 Prozentpunkte mehr Straßengüterverkehr und jeweils minus 2 Prozentpunkte bei Schiene und Binnenschifffahrt.

Unrealistische Annahmen - keine Strategie - keine Infrastruktur
Vor wenigen Tagen bezeichnete auch der Europäische Rechnungshof die EU-Ziele wie eine Verdoppelung des Schienenverkehrs und eine um 50 Prozent stärkere Nutzung von Wasserstraßen als unrealistisch. Der Anteil des EU-Güterverkehrs auf der Straße von aktuell 77 Prozent werde weiter steigen. Auch verfüge die EU weder über eine Strategie für den intermodalen Güterverkehr, also Transporte durch zumindest zwei unterschiedliche Verkehrsträger, noch über die entsprechende Infrastruktur.

Ökologisierung des Straßengüterverkehrs unabdingbar
Eine Modal-Split-Studie unter Leitung von Sebastian Kummer hatte für Österreich bereits 2021 vergleichbare Szenarien vorausgesagt – mit der logischen Schlussfolgerung, dass in Ermangelung der nötigen Bahnkapazitäten vor allem der Straßentransport ökologisiert werden müsse, wenn die Regierung auch nur in die Nähe ihrer selbst definierten Klimaziele kommen wolle. Der Zentralverband hat bereits damals ein umfangreiches Maßnahmenprogramm gefordert, das von technologieoffener Förderung alternativer Antriebe bis zur Modernisierung gesetzlicher Rahmenbedingungen bei Aerodynamik und Fahrzeugmaßen reicht.

Zwangsverlagerung auf Biegen und Brechen
Das österreichische Verkehrsministerium bremst hingegen die Dekarbonisierung, indem es primär auf eine zwangsverordnete Verlagerung auf die Schiene setzt. Dort gibt es aber in den kommenden Dekaden weder die Kapazitäten, da gleichzeitig der Personenverkehr ausgebaut wird, noch ist die Schiene unter 350 Kilometern sinnvoll für den Gütertransport.

Fehlplanung verhindert umweltfreundlicheren Güterverkehr
Österreich gefährdet aus Sicht des Zentralverbandes durch falsche Zielsetzungen und politische Verschleppung mittelfristig den Güterverkehr und damit die Versorgungssicherheit. Die Folge von falschen Kapazitätsannahmen und Zwangsverlagerungen sei, dass man sehr viel Steuergeld falsch investiert, wie auch der Europäische Rechnungshof massiv kritisiert, und damit weniger CO2 reduziert als möglich wäre.

Mangel an Strategie = Mangel an Energie
 Besonders beunruhigend ist, dass der Masterplan Güterverkehr von einem zu niedrigen Energiebedarf für den Güterverkehr ausgeht und noch dazu einen systemischen Energiemangel in Kauf nimmt. Friesz: „Der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und Umstieg auf Strom, Wasserstoff oder eFuels für Straße und Schiene, in Kombination mit steigenden Warentransporten, verlangt nach einer maßgeschneiderten Energiestrategie. Diese existiert aber nicht“. Die Logistik-Branche sieht deshalb die zunehmende Gefahr einer Energiemangelwirtschaft. Transporte könnten mangels grüner Energie nicht mehr durchgeführt und die Versorgung gefährdet werden. „Das Verkehrsministerium hat hier eine große Chance vergeben und sowohl wissenschaftliche Studien als auch Anregungen von Stakeholdern wie der Logistik negiert.“

Förderprogramm ENIN
Grundsätzlich begrüßenswert ist das mit einem Jahr Verspätung gestartete Förderprogramm zur beschleunigten Umstellung und Angebotserweiterung auf emissionsfreie Nutzfahrzeuge ENIN (= Förderprogramm Emissionsfreie Nutzfahrzeuge und Infrastruktur). Damit unterstützt das Klimaministerium emissionsfreie Nutzfahrzeuge mit jährlich 85 Millionen Euro. Im ersten Call werden Fahrzeuge der Klasse N1 (Transporter bis 3,5 Tonnen) und im zweiten Call Fahrzeuge der Klasse N2 (LKW bis 12 Tonnen), N3 (schwere LKW über 12 Tonnen) sowie Sattelzugfahrzeuge gefördert.

Echte Technologieoffenheit gefordert
Die Fördersumme sei aber viel zu gering, um die für eine Dekarbonisierung des Güterverkehrs notwendige Dynamik zu entwickeln. Darüber hinaus bleibt abzuwarten, ob neben der E-Mobilität auch Wasserstoffantriebe und deren Infrastruktur gleichwertig gefördert werden. Der Zentralverband verlangt hier einmal mehr echte Technologieoffenheit und konsequenterweise auch die Förderung von eFuels im Güterverkehr, nachdem diese nun von der EU als grüne Technologien definiert wurden.

Güterverkehrswachstum realistisch betrachten
Eine Entkoppelung des Güterverkehrswachstum vom Wirtschaftswachstum, wie im Masterplan Güterverkehr angedacht, ist rational nicht nachvollziehbar. Auch wenn es gelingt, die heimische Wertschöpfung weiter zu steigern und Produktionen zurückzuverlagern, wird das Transportaufkommen bei wachsender Wirtschaft nicht sinken. „Das Ziel muss deshalb sein, der Realität eines weiteren Güterwachstums ins Auge zu sehen und die Straße als wichtigsten Verkehrsträger nach wissenschaftlichen Erkenntnissen und technischen Möglichkeiten mit ausreichend finanziellen Mitteln nachhaltig zu dekarbonisieren“, fordert Friesz abschließend.


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