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„Maria hilf!“: Umstrittene City-Logistik in Wien

(Bild: Troger)

Das neue Verkehrskonzept auf Österreichs größter Einkaufsmeile betrifft nicht nur Fußgänger und Radfahrer, sondern auch über 2.300 Unternehmen. Sie kämpfen mit längeren Lieferzeiten sowie weniger Kunden und reduzierten Lademöglichkeiten.

Die Mariahilfer Straße in Wien ist Österreichs größte Einkaufsstraße. Geht es nach der Stadtregierung, soll der innere Teil verkehrsberuhigt werden. Vor allem Fußgänger und Radfahrer sollen mehr Platz bekommen. Um dies zu erreichen, wurde mit 16. August 2013 der Probebetrieb eines neuen Verkehrskonzeptes gestartet. Abschnittsweise gibt es nun eine Fußgänger- und eine sogenannte Begegnungszone.  Direkte Querungen über die Mariahilfer Straße mit einem Fahrzeug sind durch die Neuorganisation nicht mehr möglich.

Unternehmen unzufrieden

Das neue Verkehrskonzept sorgte von Beginn an bei allen Verkehrsteilnehmern für Verunsicherung, Fragen und Empörung. Viele Unternehmen sind mit der derzeitigen Regelung sehr unzufrieden. Verkehr befragte einige betroffene Unternehmen und die Wirtschaftskammer Wien (WKW) zu ihren Erfahrungen mit dem neuen Verkehrskonzept. Bezeichnend für die vertrackte Situtation wollten die Gesprächspartner im Artikel nicht namentlich genannt werden. Aus dem Büro der zuständigen Stadträtin für Stadtentwicklung, Verkehr, Klimaschutz, Energieplanung und Bürgerbeteiligung, Frau Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou, war trotz mehrmaligem Nachfragen leider niemand für eine Stellungnahme zu erreichen.

Bezirksmauer

Die Innere Mariahilfer Straße trennt geografisch den 6. vom 7. Wiener Gemeindebezirk. Aus diesem Grund entstand durch den Wegfall der Querungsmöglichkeiten eine Art „Mauer“ für den Verkehr – die Lieferwege haben sich teilweise drastisch verlängert. Diese Auswirkungen spüren die Betriebe sowohl in der als auch um die Mariahilfer Straße (gesamt über 2.300 Unternehmen). In beiden Bezirken sind in Summe rund 9.000 Unternehmen angesiedelt (800 davon sind produzierende Betriebe).

Längere Lieferzeiten

Für die WKW sind viele ihrer Befürchtungen eingetreten. Viele Einbahnen wurden umgedreht und Sackgassen geschaffen. Laut WKW haben sich – aufgrund des neuen Verkehrskonzepts – die durchschnittlichen Fahrtwege und -zeiten bei den betroffenen Unternehmen in den beiden Bezirken um bis zu 70 Prozent erhöht. Nachfragen durch den Verkehr bestätigten diese Angaben. Lieferanten müssen nun, so sie in den engen Gassen abbiegen können, durch den Wegfall der Querungsmöglichkeiten der Mariahilfer Straße großräumige Umwege in Kauf nehmen und teilweise aus Sackgassen verkehrt wieder herausfahren.

Lieferanten und Kunden bleiben weg

Bei einem Händler in einer Seitengasse der Mariahilfer Straße ist die Situation extrem problematisch. „Wir bekommen keine Waren mehr angeliefert, weil die großen Lkw hier nicht mehr fahren können und es keinen Platz mehr gibt“, beklagt sich der Unternehmer. Nun muss er fast jeden Tag selber zum Großhandel  fahren und seine benötigten Waren abholen. Zusätzlich beklagt er auch, dass er durch das neue Verkehrskonzept um rund 30 bis 40 Prozent weniger Kunden hat. Vor allem aus den Bundesländern kommen weniger. Sie fahren nun zu den Shopping-Centern.

Bei einem anderen Unternehmen kommen aufgrund der Art der Produkte rund 70 Prozent der Kunden mit dem Auto. Sie rufen vorab besorgt an, ob sie überhaupt noch zufahren können, oder bleiben gleich weg. Viele Unternehmen klagen auch über die Reduzierung der Lademöglichkeiten. Durch den Wegfall von Parkplätzen, die früher teilweise auch benutzt wurden, müssen die nun verbleibenden Ladezonen oftmals öfter am Tag angefahren werden.

Informationsdefizit

Die Betriebe sind für die WKW viel zu spät über den Beginn des Probebetriebs informiert worden. Lediglich vier Wochen hatten die Unternehmen Zeit, ihre Lieferanten auf die neue Situation einzustimmen. Bei den vom Verkehr befragten Unternehmen wurden manche laut eigenen Angaben überhaupt nicht informiert. Sie erfuhren von den Neuerungen erst aus den Medien. Viele beklagen zudem auch, dass sie vorab bei der Abstimmung über den Wegfall der Querungsmöglichkeiten der Mariahilfer Straße nicht berücksichtigt worden sind.

Änderungen werden angedacht

Für die WKW ist nicht klar, wie lange die geplante Evaluierung dauern und nach welchen Kriterien sie ablaufen wird. Bisher hat man noch keine offiziellen Informationen darüber erhalten. Dem Vernehmen nach überlegt der Wiener Bürgermeister, die fehlenden Querungen auf der Mariahilfer Straße wiederherstellen zu wollen.

„Wir haben von Anfang an darauf hingewiesen, dass der Wegfall jeglicher Querungsmöglichkeit völlig unausgegoren ist und zu längeren Fahrten und zu einer zusätzlichen Belastung in den Seitengassen führt“, begrüßt Brigitte Jank, Präsidentin der WKW, die Ankündigung. Jank: „Ein Konzept, das Unternehmer in ihrer Existenz gefährdet, ist untragbar und gehört besser heute als morgen geändert.


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