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System Bahn erforschen und durchschauen

Otfried Knoll, Studiengangsleiter Eisenbahn-Infrastrukturtechnik an der FH St. Pölten, ist stolz auf das RaiLAB (Bild: Mayr)

Die Fachhochschule St. Pölten ist Eisenbahn-Spezialistin – sowohl für die technische Infrastruktur als für europäische Eisenbahnsysteme.

Hohe Wogen verursachen die Diskussionen rund um die Gigaliner. Grund genug, auch die Huckepack-Variante zu thematisieren: Die Schweiz überlegt zum Beispiel, die für die Straße ausgelegten Riesengefährte per Bahn über das Bundesgebiet zu hieven. Zurzeit soll die Machbarkeit dieses Unterfangens geprüft werden, das eine hohe Herausforderung unter anderem an die Infrastruktur darstellen würde. "Bei einem Verlagern auf die rollende Landstraße müsste bedacht werden, ob Vor- und Nachlauf 'gigaliner-tauglich' sind", führt Otfried Knoll, neuer Leiter des Studiengangs Eisenbahn-Infrastrukturtechnik an der Fachhochschule St. Pölten, ins Treffen.

Technische Herausforderung

Es geht aber auch darum: Die Tragwagen, wie sie bei der Bahn für den Transport von herkömmlichen Lkws benutzt werden, verfügen über sehr kleine Räder, damit genügend Platz nach oben vorhanden ist und die Oberleitung nicht gefährdet wird. Die Räder dienen dabei gleichzeitig als Bremsscheiben. Eine größere Bremslast - im Falle eines Gigaliners - würde aber auch größere Räder erfordern, damit die entstehende Bremswärme an die Luft abgegeben werden kann. "Ich sehe das als große technische Herausforderung", sagt Knoll. Wobei die Schienen dabei am unkritischsten seien, die würden das schon aushalten, meint der Experte. Auch Signalsysteme seien davon nicht betroffen. Bei Betrachtung aller technisch notwendigen Adaptierungen - sei aber möglicherweise - der Transport von Containern mittels der Bahn wirtschaftlicher.

Neuer Lehrgang gestartet

Die Zusammenarbeit mit anderen Ländern wird für das Managen von Bahnsystemen immer wichtiger. Aus diesem Grund begann im Herbst 2013 der neue Lehrgang Europäische Bahnsysteme. Dabei kooperieren drei Hochschulen miteinander: FH St. Pölten, FH Erfurt und die ZHAW Winterthur (Züricher Hochschule für Angewandte Wissenschaften). Die Studenten des berufsbegleitenden Lehrgangs, bei dem ein Bachelor-Abschluss sowie zwei Jahre qualifizierte Berufserfahrung Voraussetzung ist, haben an allen drei Hochschulen Lehrveranstaltungen zu belegen. Inzwischen können die St. Pöltner in eisenbahnrelevanten Studienbereichen einiges an Erfahrung anbieten. "Wir haben eine 15-prozentige Steigerung der Anmeldungen im Vergleich zum letzten Studienjahr", sagt Knoll. Die Frauenquote von acht Prozent könnte aber noch höher sein. Insgesamt belegen derzeit die Bachelor- und Masterstudiengänge Eisenbahn-Infrastrukturtechnik zusammen rund 170 Studenten.

Schlüsseltechnologien für Bahn

Die Absolventen des Studiengangs Eisbahn-Infrastrukturtechnik an der FH St. Pölten können nach dem Abschluss des Bachelors (nach sechs Semestern), oder des Masters (nach weiteren vier Semestern) als Diplomingenieure entweder in das mittlere oder höhere Management eines der rund 35 Eisenbahnunternehmen in Österreich gehen. Zum Vergleich: In Deutschland gibt es sogar fast 400 Eisenbahnverkehrsunternehmen, deren Geschäftsmodelle vom Nahverkehr über Ganzzüge bis zu spezieller Baustellenlogistik reichen. Gefragt sind die Absolventen auch in der Eisenbahnindustrie. In Österreich gibt es ja einige Schlüsselunternehmen wie beispielsweise Siemens Graz und Wien, Bombardier, Voest-Alpine, Voith oder Plasser & Theurer, wo modernstes Know-how für den Eisenbahnsektor entwickelt und angewendet wird.

Gute Aussichten

Interessante Jobs warten ebenso bei Behörden des Bundes, der Länder und der EU, die sich mit dieser Thematik auseinandersetzen. Auch Verkehrsverbünde sind interessiert an den Absolventen des Studiengangs Eisenbahn-Infrastrukturtechnik. Einige Studierende kommen auch aus dem Ausland, weil es diesen Studiengang in der Form nur in St. Pölten gibt. Umgekehrt ist ein Absolvent nach England gegangen, wo er im Tunnelbau arbeitet. Viele Studenten kommen bereits aus eisenbahnnahen Bereichen und möchten dorthin wieder zurückgehen.

Perspektivenwechsel vornehmen

"Es ist interessant zu sehen, wie die Studenten im Laufe des Studiengangs, der nicht nur technisch, sondern auch wirtschaftlich geprägt ist, einen Perspektivenwechsel vornehmen, weil sie die Zusammenhänge des Bahnwesens besser verstehen", sagt Knoll. Herzstück der technischen Einrichtung ist das neue RaiLAB an der FH St. Pölten. Dort können Stellwerke simuliert, Fahrstraßen überwacht und Planungssoftware getestet werden. Besonders beliebt ist der Loksimulator, ein Parttask-Trainer. "Ich kenne die Sprache der Eisenbahner", sagt Knoll, der seit März 2013 der Leiter des Studiengangs Eisenbahn-Infrastrukturtechnik ist. Vor seiner Berufung an die FH St. Pölten war er Eisenbahnbetriebsleiter, Aufsichtsrat der ÖBB, langjähriger Geschäftsführer der NÖVOG und hat in jungen Jahren auch nahezu sämtliche Ausbildungsstufen als Eisenbahner absolviert.

Österreich setzt auf Bahnindustrie

Das "System Bahn" beschäftigt in Österreich 54.000 Mitarbeiter und setzt 8,4 Milliarden Euro um. Das waren rund 1,4 Prozent der gesamten österreichischen Wirtschaftsleistung des Jahres 2011. Diese Kennzahlen gehen aus der Studie der Industriellenvereinigung mit dem Titel "Der ökonomische Fußabdruck des Systems Bahn" für das Jahr 2011 hervor. Der Weltmarktanteil von österreichischen Schienenfahrzeugen, Bahnbaumaschinen und bahnbezogener Ausrüstung wie Signaltechnik beläuft sich auf 6,5 Prozent. Somit liegt Österreich auf Rang fünf. "Nicht zu vergessen sind auch die bahntechnisch relevanten Exporte, die laut dieser Studie in den vergangenen zehn Jahren sogar verdoppelt werden konnten, zum Beispiel im Bereich der Spezialweichen der Voest-Alpine , so Knoll.

2.000 Studierende

"Politik und Industrie streben langfristig an bzw. wünschen, dass im FH-Sektor 30 bis 40 Prozent der österreichischen Studenten verankert sind. Derzeit sind es 12 Prozent. Damit hat auch die FH St. Pölten ein weiteres starkes Wachstum als Zukunftsvision", sagt Gernot Kohl, Geschäftsführer der FH St. Pölten. Die Fachhochschule ist eine 100-prozentige Tochter der Stadt St. Pölten. Rund zwanzig Millionen Euro werden jährlich umsatzmäßig bewegt: Davon kommt der größte Teil aus der Studienplatzfinanzierung von Bund, Land und der Stadt St. Pölten, knapp über eine Million Euro von den Studiengebühren, rund 1,5 Millionen aus Forschungsauftragsmitteln und 500.000 von Sponsoren sowie aus sonstige Erlösen.

Die FH wurde als GmbH gegründet, wenn auch als gemeinnützige. Zurzeit besuchen 2.000 Studenten die die FH, 16 verschiedene Studiengänge werden angeboten. Der Anteil der ausländischen Studenten beträgt zehn Prozent. Die Fachhochschule existiert bereits seit 1996.


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