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„Stabilität durch Flexibilität“

Am 19. und 20. Juni treffen in Linz wieder Logistik- und Wirtschaftsexperten zusammen. Verkehr im Interview mit dem Obmann des Verein Netzwerk Logistik.

Am 20. Juni findet im Linzer Design Center nun bereits zum zwanzigsten Mal der "Österreichische Logistik-Tag", der jährlich größte Kongress des Verein Netzwerk Logistik, statt. Am Tag zuvor, am 19. Juni, bietet die voestalpine Einblick in ihre Supply Chain. Und danach wird bei der Abendgala im Linzer Raiffeisenforum mit dem Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Reinhold Mitterlehner das 20-Jahr-Jubiläum des VNL gefeiert und der Österreichische Logistik-Preis 2013 verliehen.Im Interview mit Verkehr beschreibt der VNL-Obmann Franz Staberhofer, was mit dem Motto "Stabilität durch Flexibilität" gemeint ist.

Verkehr: Das Motto des 20. Österreichischen Logistik-Tages heißt "Stabilität durch Flexibilität". Ist eine hohe Flexibilität in der Logistik nicht naturgemäß immer mit hohen Kosten verbunden?

Franz Staberhofer: Wenn ich die Flexibilität einfach ungeplant und ohne logistische Kompetenz - also vor allem durch Lagerbestände - erreiche, dann auf jeden Fall. Wenn ich es logistisch erreiche, muss das nicht höhere ­Kosten bedeuten. Logistisch kann ich Flexibilität erreichen, indem ich die Kunden segmentiere und darauf meine Lieferketten ausrichte und dabei generell die logistischen Grundprinzipien und Werkzeuge nutze: beispielsweise vor dem Entkopplungspunkt auf Kosten zu achten, danach auf Flexibilität, optimaler Bestand statt zufälliger oder minimaler Bestand, logistisch kritische Zulieferteile erkennen statt eine "anarchische" ABC-Klassifizierung, kurze Durchlaufzeiten und so weiter. Und am Ende bestimmt die Bereitschaft des Kunden für ein Preisniveau die dahinterliegende Wertschöpfungskette, das heißt: Zu billig kann auch teuer werden.

Verkehr: Was verstehen Sie eigentlich unter dem Begriff Stabilität in diesem Zusammenhang? Welche Kriterien müssen Ihrer Meinung nach erfüllt sein, damit man von einem stabilen Unternehmen sprechen kann?

Staberhofer: Unter stabil verstehe ich die Fähigkeit, unter den schwankenden Wirtschafts- und Marktbedingungen planvoll zu agieren. Die "höchste Form" dazu ist Resilienz, wo gezielt die notwendigen Fähigkeiten zur Beherrschung der individuellen Herausforderungen eines Unternehmens analysiert und entwickelt werden.Stabil ist ein Unternehmen dann, wenn die Schwankungen als solche akzeptiert und für den eigenen Marktvorteil genutzt werden. Beispiele sind völlig neue Formen des Forecasts, wendepunktorientiertes Bestandsmanagement, selbstorganisiertes flexibles In- und Outsourcing. Einfach gesagt, ist ein Unternehmen, das sagt "ich fahre auf Sicht", nicht stabil, denn damit weiß der Kapitän gleich viel wie der Matrose, nämlich nur den unmittelbar nächsten Schritt.

Verkehr: Beim Angebot der Logistikdienstleister macht sich derzeit ein Spezialistentum breit. Kontraktlogistik-Anbieter konzentrieren sich mehr auf bestimmte Branchen wie etwa Bau, Pharma oder Lebensmittel im temperaturgeführten Bereich. Welche Auswirkungen hat diese Entwicklung auf die Flexibilität?

Staberhofer: Es werden so einfach bessere Lösungen mit der Chance auf echte Kosteneinsparungen entwickelt werden. Voraussetzung: Auch der Outsourcer kennt sein Geschäft und es herrscht gegenseitiges Vertrauen.Genauso kommen einige Unternehmen derzeit davon ab, möglichst kurzfristige Vereinbarungen betreffend ihrer Lagerlogistik zu treffen.

Verkehr: Spricht das nicht gegen einen Trend zur Flexibilität?

Staberhofer: Das ist wohl eine konsequente Folge des Spezialistentums. Die von uns gemeinte Flexibilität ist die im Tun und nicht die im archaischen "Hire and Fire"-Verhalten. Genau aus diesem Grund ist am Österreichischen Logistik-Tag die Ausstellung seit Jahren integrierter Teil der Veranstaltung, nicht DIE zeigen ihre Stände, sondern WIR - Bedarfsträger und Anbieter - unterhalten uns.Es gibt verschiedene Strategien, eine hohe Lieferbereitschaft bei gleichzeitig geringen Kosten zu erreichen.

Verkehr: Welchen Ansatz würden Sie anraten?

Staberhofer: Ich habe immer nur eine Sicht, die der Gesamtbetrachtung, jede andere kann es geben, sollte es aber, wenn man behauptet, SCM zu betreiben, nicht geben. So gesehen gibt es kein "richtig" oder "falsch", es ist das zu tun, was in der Gesamtbetrachtung das nachhaltig Beste ist. Und ich meine echte(!) Nachhaltigkeit. Die echten Nachhaltigkeitslaien erkennen Sie leicht an dem Satz: "Nachhaltigkeit ist wichtig, aber es muss sich rechnen", ein wunderbar skurriler Satz, steht doch Nachhaltigkeit genau für den Mix aus Ökologie, Ökonomie und Mensch. Mehr Flexibilität ergibt sich in der Logistik natürlich auch dadurch, dass alle verfügbaren Transportsysteme zur Verfügung stehen.

Verkehr: Wie kann das Angebot anderer Verkehrsträger wie etwa der Bahn noch besser genutzt werden, was müsste dazu passieren?

Staberhofer: Zur Nutzung der Bahn muss die Bahn halt echte Kundennähe aufbauen, das war schon besser, jetzt ruht das wieder.

Verkehr: Im Vergleich zu anderen Ländern: Wie multimodal ist Österreich Ihrer Meinung nach wirklich aufgestellt?

Staberhofer: Zum Thema "Multimodalität in Österreich" - bezüglich der staatlichen Lenkung gebe ich null Punkte. Bestehende Projekte werden in ihrem Gesamtplan nicht vermittelt - oder er ist nicht vorhanden. Wenn wir davon ausgehen, dass Waren nicht künftig "gebeamt" werden können, müssen eben nicht nur die Verkehrsträger, sondern der Umschlag konzipiert werden. Ich kenne zumindest kein Raumplanungskonzept, das die Verkehrsströme integriert. Und der dicke "Gesamtverkehrsplan" (Anmerkung der Red.: Dieser wurde im Dezember 2012 von der Verkehrsministerin Doris Bures vorgestellt) wurde meines Wissens nicht breit mit der Wirtschaft entwickelt oder zumindest abgestimmt. Zumindest haben wir als VNL keinen Kontakt und Beitrag daran gehabt, und wir haben die Bedürfnisse erhoben - durch die Wirtschaft finanziert - und deshalb weiß ich, welcher Aufwand dahinter steht, auch wenn es darum geht, die zukünftigen Entwicklungen der Wirtschaft zu erheben. Und entweder ist das nicht gemacht worden, dann ist das Ergebnis zumindest zu hinterfragen, oder es gibt diese und sie sind nicht kommuniziert worden. Einfach gesagt, für mich wäre viel, viel, viel mehr Integration der Wirtschaft angebracht, viele Seiten (eines Gesamtverkehrsplans) ersetzen nicht konkretes Miteinander.

Verkehr: Gibt es Ihrer Meinung nach ein Vorbildbeispiel, ein Land, wo Sie sagen würden, dort ist das Thema besser realisiert worden?

Staberhofer: Naja, die Schweiz ist da schon recht gut.

Verkehr: Wir bedanken uns für das Interview.

Das Gespräch führte Johannes Tomsich


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