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Interview: SBB Cargo International zieht Bilanz

Es wäre für SBB Cargo International jederzeit möglich, auch nach Österreich zu traktionieren, doch in diesem Sommer will am „Brenner keiner Hand anlegen“, sagt Michail Stahlhut, CEO SBB Cargo International, im Gespräch mit Verkehr.

Verkehr: Herr Stahlhut, SBB Cargo International ist Anfang 2011 an den Start gegangen mit dem Anspruch, Kombi-Verkehr im Nord-Süd-Verkehr abzuwickeln. Wie sieht die Bilanz nach 17 Monaten auf dem europäischen Markt aus?

Michail Stahlhut: Der Motor läuft. SBB Cargo International ist in der Schweiz unterdessen als eigenständiges Eisenbahnverkehrsunternehmen zugelassen, und wir haben bereits das erste Zertifizierungsaudit nach ISO 9001:2008 erfolgreich durchlaufen. Eisenbahnmäßig ist der Start also gelungen. Wirtschaftlich hingegen hatten und haben wir aufgrund des tiefen Eurokurses mit weit härteren Bedingungen zu kämpfen als erwartet. Der Euro/SFRKurs stellte eine große Herausforderung für uns dar.

Wozu wurde SBB Cargo International unter Beteiligung von Hupac gegründet, wenn Hupac auch in Eigenregie Kombi-Verkehre und die Rollende Landstraße abwickelt?

Stahlhut: SBB Cargo International AG hat zwei Aktionäre. Diese sind SBB Cargo AG (75 %) und die Hupac AG (25 %). Das Aktienkapital beträgt 25 Mio. SFR (21 Mio. Euro). Die Beteiligung über 25 % von Hupac an SBB Cargo International wurde im Juli 2010 beschlossen und Anfang 2011, parallel zum operativen Start, gesellschaftsrechtlich finalisiert. Ziel ist es, gemeinsam ein schlankes, marktnahes und neutrales Traktionsunternehmen aufzubauen und zu entwickeln. 

Was ist der Aktionsradius von SBB Cargo International im Detail?

Stahlhut: Entlang der Nord-Süd- Achse verbinden SBB Cargo International wichtige Nordrange-Häfen (kontinentaleuropäischen Häfen an der Nordsee) mit ihrem industriellen Hinterland. Wir sind aktiv von Antwerpen, Rotterdam, Bremerhaven und Hamburg bis in den norditalienischen Wirtschaftsraum. Damit die Qualität auf der ganzen Achse gewährleistet werden kann, verfügt SBB Cargo International über eigene Produktionsgesellschaften in Deutschland und Italien.

Wickeln Sie auch Verkehre von und nach Österreich bzw. durch Österreich (Brennerroute) ab?

Stahlhut: Ein Jahr nach der Gründung sind wir zufrieden mit einer stabilen Produktion durch die Schweizer Alpen. Gerade bei den alpinen Infrastrukturengpässen im Sommer dieses Jahres macht es für uns derzeit keinen Sinn, die Hand an den Brenner zu legen. Aber Verkehre von und nach Österreich sind für uns im Grunde kein Problem, das Rollmaterial ist vorhanden.

Agiert SBB Cargo International ausschließlich als Traktionär oder bieten Sie auch Value-added Services an?

Stahlhut: SBB Cargo International ist ein Traktionär. Natürlich gehören bei uns auch zusätzliche Dienstleistungen wie das "Feedern" der Last Mile oder der Umgang mit Schadwagen zum Transportlauf. Die gesamte Transportleistung zu managen entspricht unserem Anspruch an eine marktgerechte Leistung. Ich würde dies aber nicht als Value- added Service bezeichnen, sondern als Schweizer Grundverständnis eines Qualitätsservices.

Auf Ihrer Website präsentieren Sie sich als Traktionär von A nach B. Ist das in einem sehr stark von Konkurrenz geprägten Markt nicht etwas wenig als Dienstleistung?

Stahlhut: SBB Cargo International hat das Geschäftsmodell des Traktionärs bewusst gewählt. Wir konzentrieren uns auf unser Kerngeschäft; das macht uns flexibel, einfach und effizient. Weiter bieten wir unseren Kunden und Partnern komplette Interoperabilität von Deutschland über die Schweiz bis nach Italien. Die hohe Qualität, für die wir am Markt bekannt sind, stellen wir eigenverantwortlich mit unseren Produktionsgesellschaften in Deutschland und in Italien sicher. Unser Verständnis von Eisenbahnproduktion ist eine inte-grierte Partnerschaft mit unseren Kunden. Das heißt, wir streben eine enge Verzahnung mit unseren Partnern, den Operateuren und Terminalbetreibern, an. Diese Konzentration und Aufgabenteilung kreiert eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten. 

Welche Verkehre fahren Sie derzeit konkret mit welchem Fahrplan und Volumen?

Stahlhut: SBB Cargo International fährt über 30.000 Züge im Jahr und diese maßgeblich im unbegleiteten kombinierten Verkehr (UKV). Rund ein Viertel unserer Leistungen sind konventionelle Ganzzüge. Dies sind zu einem großen Anteil Autotransporte, welche direkt an den Bestimmungsort gebracht werden. Zudem ist SBB Cargo International das führende EVU im Lkw-Transport auf der Schiene (oder auch RoLa) durch die Schweiz.

Haben Sie die Absicht, auch österreichische Verlader zu akquirieren?

Stahlhut: SBB Cargo International ist für alle Verlader offen, denen unser Portfolio entspricht, unabhängig davon, wo diese geografisch stationiert sind. Wir sind bereits heute in Kontakt mit österreichischen Verladern.

Wie viele Züge haben Sie 2011 auf welchen Relationen abgefahren?

Stahlhut: Im Jahr 2011 sind über 30.000 Züge gefahren, das entspricht knapp 700 Zügen pro Woche. SBB Cargo International konzentriert sich auf den Kombinierten Verkehr und auf Ganzzüge auf der europäischen Nord-Süd-Achse, von den Nordseehäfen bis nach Italien.

Hat Ihr Unternehmen die anvisierten Ziele 2011 erreicht?

Stahlhut: Ja, wir haben das, was wir uns vorgenommen haben, erreicht. Man darf aber sagen, dass die Aufgabe durch den Euro/SFR-Kurs im vergangenen Jahr für die gesamte Schweizer Industrie und auch für alle EVU, die den Schweizer Staat passieren, schwieriger wurde. Hier gab es für den gesamten Sektor die bekannte und durch das BAV (Bundesamt für Verkehr, Anmerk.) kommentierte Unterstützung. Gegenwärtig stützt die Schweizer Nationalbank den Kurs des Euro bei 1,2 SFR je Euro. Dies ist für alle Schweizer Unternehmen eine Hilfe auf sehr niedrigem Niveau.

Wo will Ihr Unternehmen in fünf Jahren stehen?

Stahlhut: In fünf Jahren wird SBB Cargo International noch präsenter sein als Qualitätsführer auf der Nord-Süd-Achse im Kombinierten Verkehr, um dann in enger Zusammenarbeit mit den zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Partnern auf das dynamische Marktumfeld hochflexibel reagieren können.

Welche Chancen hat der Kombi-Verkehr in Europa vor dem Hintergrund des größten Konkurrenten Straße und dessen deutlich günstigeren Transportpreisen im Vergleich zum Kombi-Verkehr?

Stahlhut: Gezielte Infrastrukturanpassungen könnten den Kombinierten Verkehr leistungsfähiger machen. Dies setzt aber voraus, dass der Schienengüterverkehr stets gesamthaft verstanden und entsprechend zu entwickeln ist. Vor allem dann lösen Infrastrukturinvestitionen ihre volle Ertragskraft aus, wenn angemessene Zu- und Ablaufstrecken vorhanden sind und nach einheitlichen Standards produziert werden kann. Alle Parteien können und sollten hierzu ihren Beitrag leisten. Für die Güterbahnen eröffnen sich hier Chancen für neue Effizienzgewinne. Sie leisten über einen effizienteren Bahnbetrieb einen wichtigen Beitrag zur Realisierung der verkehrs- und umweltpolitischen Ziele der EU.

Das Gespräch führte Josef Müller.

Eckdaten zum Unternehmen

SBB Cargo International in Zahlen erzielte 2011 einen Umsatz von 243 Mio. SFR (202 Mio. Euro). In drei Ländern – Deutschland, Schweiz, Italien – sind 600 Mitarbeiter beschäftigt. Loks werden von SBB Cargo angemietet. Es gibt keine eigenen Waggons oder sonstigen Fuhrpark.


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