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EU: Bahnen in Betrieb und Infrastruktur trennen

Die EU-Kommission will mit dem 4. Eisenbahnpaket die Schienenliberalisierung vorantreiben und fordert eine klare institutionelle Trennung bei den Bahngesellschaften.

Die EU-Kommission hat dieser Tage das sogenannte „4. Eisenbahnpaket“ der europäischen Öffentlichkeit präsentiert. In dieser Neuregelung finden sich zahlreiche Vorschläge, wie die Liberalisierung des Bahnverkehrs vorankommen soll. „Die Kommission legt weitreichende Maßnahmen vor, mit denen bei den Bahnen mehr Innovationsbereitschaft gefördert werden soll“, heißt es im Vorwort von EU-Verkehrskommissar Siim Kallas.

Die Vorschläge, sofern sie in der Kommission umgesetzt werden, werden weitreichende Folgen für  die Bahnlandschaft haben. Einer der großen Punkte: Jedes EU-Mitgliedsland muss ab dem Jahr 2019 sein inländisches Bahnnetz für weitere Anbieter von Personenverkehr öffnen. Das wird für einige Länder zu einer großen Herausforderung.

Weniger für Schweden und Großbritannien, weil die Netze schon jetzt gänzlich für Mitbewerber zugänglich sind. Österreich fällt in der EU-Diktion unter „begrenzt geöffnet“. Auf den liberalisierten Märkten „sind Verbesserungen bei der Qualität und der Verfügbarkeit der Dienste zu verzeichnen und die Kundenzufriedenheit nimmt jedes Jahr zu“, unterstreicht die Kommission in ihrem Vorschlagspaket die Notwendigkeit weiterer Reformmaßnahmen.

ÖBB droht Ungemach

Die wohl gewichtigste Forderung, die den betroffenen Bahngesellschaften gar nicht schmeckt, ist die klare und saubere institutionelle Trennung zwischen Infrastruktur und Betrieb. Und das sowohl in operativer als auch in finanzieller Hinsicht. „Diese Trennung ist wichtig, um potenzielle Interessenskonflikte aus dem Weg zu räumen und allen Unternehmen diskriminierungsfrei Zugang zu den Gleisen zu gewähren“, heißt es im EU-Papier.

Diese Forderung in der Praxis umzusetzen wird gravierende Auswirkungen bei den Bahnen haben. Davon betroffen sind auch die ÖBB, die als kleine Bahn in Europa gerade im Personenverkehr ab 2019 harte Zeiten vor sich haben könnten, weil vermehrt ausländische Anbieter Fuß fassen könnten. Die Trennung zwischen Infrastruktur und Betrieb umzusetzen würde die ÖBB hart treffen, sagt ÖBB-Holding-Chef Christian Kern.

Der oberste „Weichensteller“ der ÖBB steht hinter der Integrationsabsicht der EU, doch eine Trennung zwischen diesen beiden Bereichen würde eher das Gegenteil bewirken, nämlich eine Desintegration. Die Trennung würde auch den laufenden Restrukturierungsprozess bei den ÖBB zum Erliegen bringen. In einem ORF-Radio-Interview bezeichnete der Bahnchef diese beiden Forderungen als „zweifelhafte Thesen“. Nach EU-Vorstellungen wäre beispielsweise ein Personalaustausch zwischen den verschiedenen ÖBB-Unternehmen nicht mehr möglich.

Die Liberalisierung geht dem Manager viel zu schnell und aggressiv. Denn per saldo würden große Bahngesellschaften wie zum Beispiel die Deutsche oder Französische Bahn übrig bleiben, die dann mit praller Kasse auf Einkaufstour durch Europa ziehen. Ins gleiche Horn stößt der Fachverband Schienenbahnen in der Wirtschaftskammer Österreich: Unausgegoren, undifferenziert und kostspielig seien die jetzt präsentierten Vorschläge, kritisiert Fachverbandsobmann Thomas Scheiber. Durch die Trennung Infrastruktur und Betrieb würden europaweit Mehrkosten von sechs Mrd. Euro entstehen. Diese Zahl stammt aus einer Studie des Eisenbahnverbandes CER. Scheibers Aufforderung: Die österreichischen Parlamentarier und Vertreter im EU-Rat müssten diesem Paket eine Absage erteilen.

Ausweg durch die Hintertür

Ob es so dick kommt, wie es die Bahnen in ersten Reaktionen erwarten, darf hinterfragt werden. Die Kommission räumt nämlich ein, dass ein „vertikal integriertes Unternehmen oder eine Holdingstruktur ebenfalls die erforderliche Unabhängigkeit bieten kann, wobei strenge „chinesische Mauern“ für die notwendige „rechtliche, finanzielle und operative Unabhängigkeit sorgen müssten“.  Die Wettbewerber der ÖBB begrüßen durchwegs die Vorschläge der EU-Kommission in Richtung fairen Mitbewerbs.

Autor: Josef Müller


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