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Deutliche Kritik: Österreichs Logistik fehlen Rahmenbedingungen!

Foto: Lagermax
Alexander Friesz, Präsident des Zentralverbands Spedition & Logistik, fordert von der Regierung, endlich einen Maßnahmenplan Gütermobilität zu entwickeln und die lang versprochenen Förderprogramme umzusetzen.
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Kein Masterplan Gütermobilität, keine Förderung klimafreundlicher Technologien: Die Untätigkeit der Regierung gefährdet den Klimaschutz und schadet dem Wirtschaftsstandort Österreich. Der Zentralverband Spedition & Logistik, vertreten durch dessen Präsidenten Alexander Friesz, fordert deshalb nachdrücklich, die angekündigten Maßnahmen umzusetzen und gemeinsam mit der Wirtschaft weitere konkrete Maßnahmen und Förderungen zur Standortsicherung und Dekarbonisierung zu erarbeiten.

Die Bundesregierung droht bei ihrem selbst gesetzten Ziel einer Stärkung und zukunftsfähigen Aufstellung des Logistik-Standortes zu versagen. Damit gefährdet sie einen Schlüsselfaktor für die Versorgungssicherheit und Zukunft Österreichs als Industrie- und Handelsstandort. Ebenso droht der Anspruch zu schwinden, Transit-Verkehre und Umweltbelastungen zu reduzieren. Der seit Beginn der Legislaturperiode wiederholt angekündigte Masterplan Gütermobilität fehlt immer noch – und das nach bald drei Jahren Regierungstätigkeit. Auch das ebenfalls lange angekündigte und mehrfach verschobene Förderprogramm zur Umstellung von Nutzfahrzeugflotten auf emissionsfreie Antriebe (ENIN) des Verkehrsministeriums wurde erneut auf unbestimmt verschoben.

Klimaneutraler Güterverkehr bis 2040 rückt in weite Ferne
Alexander Friesz, Präsident des Zentralverbandes Spedition & Logistik: „Die politische Passivität macht das Ziel eines CO2-neutralen Güterverkehrs bis 2040 immer unrealistischer. Auch müssen wir alternative Energiequellen wie Strom, Wasserstoff oder eFuels bereitstellen und Tank- sowie Ladeinfrastrukturen schaffen, wenn wir die Versorgung sichern wollen.“ Der ohnehin ressourcen- und kostenintensive Umstieg auf alternative Antriebstechnologien würde besonders vom zuständigen Verkehrsministerium unnötig verzögert.

Was zu tun ist, liegt zum Großteil auf dem Tisch
Der Branchenvertreter empfiehlt der zuständigen Verkehrsministerin Leonore Gewessler nachdrücklich, einen konkreten und insbesondere mit den Stakeholdern abgestimmten, evidenzbasierten, wissenschaftlich begleiteten Maßnahmenplan zu beschließen und unverzüglich mit der Umsetzung der bereits angekündigten Förderungen zu beginnen. Der seit langem angekündigte Maßnahmenplan muss jährlich auf die Erreichung seiner Ziele überprüft, bei Bedarf adaptiert und finanziell entsprechend unterstützt werden. Inhaltlich liegen viele Maßnahmen längst auf dem Tisch, da die Branche bereits in vielen Bereichen mit wissenschaftlicher Unterstützung Modelle erarbeitet und dem Verkehrsministerium vorgeschlagen hat.

Ein wirksamer Masterplan muss unter anderem folgende Themen adressieren:

  • Multimodales Verkehrssystem: Sämtliche Verkehrsträger müssen ausgebaut und multimodal verbunden werden.
  • Straße als wichtigsten Faktor für die Dekarbonisierung erkennen: Die Fakten zeigen, dass die Straße mit über 60 Prozent Güterverkehrsaufkommen weiterhin wichtigster Güterverkehrsträger bleiben wird. Selbst bei zunehmender Verlagerung auf die Schiene und wenn die Bahn die angestrebten 40 Prozent am Modal Split erreichen sollte, wird der Güterverkehr auf der Straße zunehmen (vgl. Modal Split Studie Sebastian Kummer, 2021).
  • Förderung von Emissions-Reduktionen: „Für eine substanzielle Reduktion der CO2-Emissionen im Straßengütertransport müssen die vorhandenen alternativen Antriebstechnologien endlich gefördert werden – wie von Verkehrsministerin Gewessler längst angekündigt. Voraussetzung dafür ist ein ehrliches Bekenntnis zu Technologieoffenheit und finanzieller Unterstützung bei Mehrkosten von Fuhrparks und für benötigte Energieversorgung und Ladeinfrastruktur“, so Oliver Wagner, Geschäftsführer des Zentralverbandes. Der Umstieg von zehntausenden Lkw allein in Österreich auf Wasserstoff, Strom oder eFuels sowie deren Energiegewinnung und Betankungsinfrastrukturen würden der Logistik Milliardenkosten verursachen. Die Politik müsse hier angekündigte Fördermaßnahmen endlich starten und die technischen Lösungen besser dem Markt überlassen.
  • Dem öffentlichen Bekenntnis der Bundesregierung, noch in diesem Jahr Fördermaßnahmen für Wasserstoff- und E-Lkw im Schwerverkehr zu setzen, sind bisher keine Taten gefolgt. Das Förderprogramm zur Umstellung von Nutzfahrzeugflotten auf emissionsfreie Antriebe ENIN (Emissionsfreie Nutzfahrzeuge und Infrastruktur) wurde für August 2022 angekündigt. Eine Umsetzung ist bisher nicht erfolgt und ist für 2022 fraglich. Darüber hinaus ist auch nicht gesichert, ob darin überhaupt Wasserstoffantriebe und die dazugehörende Infrastruktur gefördert werden.
  • Um die ambitionierten Klimaziele im Verkehr auch nur annähernd zu erreichen, müssten in den kommenden Jahren neben der Elektromobilität unbedingt auch Technologien wie Wasserstoff und eFuels gefördert werden. Denn gerade im Schwerverkehr ist Wasserstoff vielversprechend und hat hinsichtlich Leergewicht, schneller Betankungszeit und Reichweite enorme Vorteile gegenüber dem E-Lkw. Elektromobilität wäre in der Logistik derzeit im Kurier-Express-Paketdienst (KEP), im Handel und auf der Kurzstrecke sinnvoll, weshalb die KEP-Branche auch größter Betreiber von E-Flotten ist. Allerdings habe man auch dort zunehmend Probleme mit der Stromversorgung und dem Ausbau der notwendigen Ladeinfrastruktur. Dass in Deutschland aktuell sogar im Pkw-Bereich die Nachfrage nach E-Modellen einbricht, weil Ladeinfrastruktur fehlt, Förderungen auslaufen und zugleich der Strompreis steigt, sollte Warnung genug davor sein, nur eine Antriebstechnologie zu fördern.
  • Weiters müssen Paradoxien in der Gesetzgebung aufgelöst werden: Die Fit-for-55-Ziele der EU verpflichten auch den Mobilitätsbereich zur Emissionsreduktion. Die Logistikbranche ist bemüht, sich diesen Zielen durch konkrete Maßnahmen wie den Einsatz von Null-Emissions-Lkws anzunähern. Seit Novellierung des Führerscheingesetzes dürfen in Österreich auch Fahrer mit Lenkerberechtigung B unter bestimmten Voraussetzungen einen Null-Emissions-Lkw mit 4,25 Tonnen höchstzulässigem Gesamtgewicht lenken, wodurch das Mehrgewicht der Batterie kompensiert wird. In der Praxis ist aber für das Lenken von Fahrzeugen über 3,5 Tonnen höchstzulässigem Gesamtgewicht eine Güterbeförderungskonzession vorgeschrieben, was den gewünschten Effekt konterkariert. Friesz: „Das Güterbeförderungsgesetzes muss folglich novelliert werden und Klein-Transporteure beim Einsatz von Null-Emissions-Fahrzeugen bis 4,25 Tonnen höchstzulässigem Gesamtgewicht ausnehmen.“

Kein Plan und keine Förderungen
„Nach bald drei Jahren im Amt hat die Regierung noch immer keinen Plan für den Schwerverkehr, geschweige denn erste, wenn auch nur symbolische Förderungen, um endlich mit der Dekarbonisierung beginnen zu können“, so Friesz. Die in Österreich für 2022 geplante Summe von 85 Millionen Euro für Förderungen für den Umstieg auf alternative Antriebe samt Infrastruktur für E-Mobilität und eventuell Wasserstoff wäre ein erstes wichtiges Signal für die Branche. Bei den enormen Umrüstungskosten für Lkw-Flotten und Infrastruktur wäre es allerdings selbst bei Ausschüttung nur ein geringer Betrag.

Klimawirksame Gesetzesänderungen
Wesentliche Hebel wären rechtliche Änderungen in den Bereichen Aerodynamik, Fahrzeugmaße, Digitalisierung und Fahrverbote: Die Erfahrung zeigt hier, dass man mit gesetzlichen Rahmenbedingungen, intelligenten Anreizen und der Förderung von Innovationen am meisten erreichen kann. Verbote, Strafen und die gezielte Schlechterstellung von Verkehrsträgern bringen hingegen keine Lösung. Sie schädigen vielmehr die Wirtschaft und verursachen Mehrkosten und Umweltschäden. Ein drastisches Beispiel dafür ist die geplante Novelle zum Abfallwirtschaftsgesetz.

Intelligente Flächenwidmung
Österreich braucht dringend einen bundesweit einheitlichen Flächenwidmungsplan, der den Logistikbedarf berücksichtigt. Das würde die Logistik als wesentlichen Bestandteil in der Lieferkette von Industrie und Handel stärken. In der Folge könnten – insbesondere angesichts der zunehmenden Glokalisierung – die Versorgungssicherheit verbessert, regionale Produktion ermöglicht und Transporte verringert werden. Das würde die heimischen Logistikketten stärken und damit Österreichs Resilienz und Versorgungssicherheit erhöhen.

 

 


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